Vor welchen Herausforderungen steht der neue NATO-Generalsekretär Mark Rutte?
Am Dienstag hat Mark Rutte das Amt des NATO-Generalsekretärs von dem Norweger Jens Stoltenberg übernommen, der zehn Jahre lang der Chef der Allianz gewesen war.
Der 57-jährige ehemalige Premierminister der Niederlande, der 14 Jahre lang regiert hat und damit der dienstälteste Premierminister der Niederlande ist, gilt als ein erfahrener Politiker auf der Weltbühne. Den Posten des NATO-Chefs soll er für mindestens vier Jahre übernehmen.
Führende westliche Medien haben in ihrer Berichterstattung über Rutte mehrere Herausforderungen aufgezählt, denen sich der neue Generalsekretär stellen muss. Auf der Liste stehen die Unterstützung der Ukraine, die Stärkung der NATO-Ostflanke, die Erhöhung der Militärbudgets der Mitgliedsstaaten und die Vorbereitung auf eine mögliche zweite Amtszeit des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump.
In Bezug auf diese Fragen vertrete Rutte dieselbe Position wie Stoltenberg, berichtet die Zeitung Wedomosti. Rutte sei ein überzeugter Euro-Atlantiker und befürworte die weitere Unterstützung der Ukraine. Im Februar 2023 verfasste Rutte, damals Premierminister der Niederlande, einen Artikel für die Zeitschrift Foreign Policy, in dem er zu erklären versuchte, warum der Westen der Ukraine helfen sollte.
"Die Stärke der von den USA geführten internationalen liberalen Ordnung ist beispiellos und wird auch in diesem Jahrhundert bleiben. Die transatlantische Zusammenarbeit ist für die Sicherheit Europas von entscheidender Bedeutung", schrieb Rutte. "Natürlich reicht es nicht aus, nur Lippenbekenntnisse zu den Grundsätzen der UN-Charta abzugeben. Die auf Regeln basierende Weltordnung wird zerfallen, wenn wir nicht bereit sind, der Aggressionen zu widerstehen", fügte er hinzu.
Rutte befürwortet eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben. In einem Interview mit Bloomberg TV im Januar 2024 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos sagte er, dass Donald Trumps Forderung an europäische Verbündete, die Militärausgaben zu erhöhen, richtig sei. "Trumps Botschaft war, dass wir nicht genug ausgeben", so Rutte. "Er hatte Recht."
Im Jahr 2014 haben sich die NATO-Staaten darauf geeinigt, 2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Verteidigung auszugeben. Wedomosti weist darauf hin, dass die Niederlande während Ruttes Amtszeit die Mindestgrenze für Verteidigungsausgaben von 2 Prozent des BIP nicht erreicht haben. Laut der offiziellen NATO-Statistik haben bis Juni 2024 23 von 32 Mitgliedstaaten dieses Niveau erreicht.
Was eine mögliche Rückkehr Trumps ins Weiße Haus angeht, wisse Rutte aus eigener Erfahrung, wie man mit Trump effektiv zusammenarbeiten könne, so Wedomosti. Während Trumps erster Amtszeit in den Jahren von 2017 bis 2021 sei Rutte einer der wenigen europäischen Staats- und Regierungschefs gewesen, die in der Lage gewesen seien, stabile Arbeitsbeziehungen mit dem damaligen US-Präsidenten aufzubauen.
Anscheinend sei Rutte bereit, weiter mit Trump zusammenzuarbeiten, so die Zeitung. Auf der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz im Februar sagte Rutte: "Wir sollten aufhören zu jammern und über Trump zu nörgeln." Es sei die Entscheidung der US-Amerikaner, wen sie wählten. "Wir müssen mit jedem zusammenarbeiten, der auf der Tanzfläche ist." Kurz vor der Amtsübergabe sagte Rutte in Brüssel, dass er sowohl mit Harris als auch mit Trump zusammenarbeiten könne, "egal, wie die Wahlen ausgehen".
Ein NATO-Generalsekretär sei keine unabhängige Figur und man sollte nicht erwarten, dass Rutte den Kurs der Allianz grundlegend ändern könne, erklärte Julia Semke, eine führende Expertin am Zentrum für umfassende Studien in der HSE-Universität, gegenüber Wedomosti.
Im Grunde genommen bestehe seine Hauptaufgabe darin, einen Kompromiss zwischen den 32 NATO-Staaten zu finden und an der Konsolidierung aller Mitglieder mitzuwirken. Das sei auch der Grund, warum Rutte zu diesem Posten ernannt wurde – wegen seiner Qualitäten als Verhandlungsvermittler, so die Expertin.
Rutte sei ein absolut überzeugter euro-atlantischer Politiker mit größerem politischem Gewicht als Stoltenberg, sagte Jegor Sergejew, ein leitender Forscher am Institut für internationale Studien des Moskauer Staatsinstituts für internationale Beziehungen, gegenüber der Zeitung. Auch die Politik der NATO bezüglich des Ukraine-Kriegs werde sich wahrscheinlich nicht ändern, so Sergejew.
Alle wichtigen Entscheidungen der Allianz in dieser Frage seien beim NATO-Jubiläumsgipfel im Juli getroffen worden, betont der Experte. Wie es heißt, wurde eine vollumfängliche Solidarität mit der Ukraine und die Bereitstellung von mindestens 40 Milliarden Euro an Kiew für das kommende Jahr angekündigt. Außerdem sehe die NATO die Ukraine auf einen "unumkehrbaren Weg" in Richtung Mitgliedschaft in der Allianz.
Sergejew betont, dass Russland "nach wie vor die größte Bedrohung für die NATO" sei. Daher habe der militärische Konflikt zwischen Moskau und Kiew Priorität, meint der Experte.
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