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EU und USA bestrafen Georgien für seine Unabhängigkeit

Washington und Brüssel erhöhen den Druck auf Georgien weiter, in dem Glauben, die Souveränität Anderer sei nicht das Gleiche wie ihre eigene. Brüssel nutzt Visabestimmungen, Washington Sanktionen, um bei der anstehenden Wahl Gefügigkeit zu erzwingen.
EU und USA bestrafen Georgien für seine UnabhängigkeitQuelle: Gettyimages.ru © Denis Kabanow-

Von Tarik Cyril Amar

Sagt, was ihr wollt über die "Eliten" der EU, Ausdauer haben sie. Sie stehen kurz davor, den Stellvertreterkrieg zu verlieren, den sie unter US-Kommando gegen Russland führen, aber sie vergeben keine Gelegenheit, um Streit zu suchen. Diesmal ist Georgien dran – das im Kaukasus, versteht sich: Brüssel würde es niemals wagen, seine Stimme wegen irgendetwas in den USA zu erheben, gleich, wie verwest die traurigen Überreste der "Demokratie" dort drüben sind.

Wenn die georgische Regierung – ordentlich gewählt und all das, aber immer noch unter der Führung der Partei Georgischer Traum, die die Eurokraten so leidenschaftlich hassen – nicht das macht, was ihr die EU vorgibt, dann sind, so die Warnung aus der EU-Kommission, "alle Möglichkeiten auf dem Tisch, einschließlich einer möglichen vorübergehenden Aufhebung der Visa-Liberalisierung". Für die Georgier würde das bedeuten, das Recht zu verlieren, visafrei bis zu sechs Monate in die und innerhalb der Schengen-Zone zu reisen, das sie seit einer Übereinkunft 2017 haben.

Nach der irgendwie abstrakten de facto-Suspendierung der Anwärterschaft Georgiens auf EU-Mitgliedschaft ist das eine sehr konkrete und scharfe Drohung, gewöhnlichen Bürgern schmerzhafte Sanktionen aufzuerlegen. Die offizielle Begründung der EU lautet, dass sich Georgien vermeintlich von etwas zurückentwickle, was die Kommission – ein ganz und gar ungewähltes Gremium, das gegenwärtig einen putschartigen Griff nach der Macht der Exekutive in der EU durchführt – für "Demokratie" hält. Ironie war gestern.

Wenn man das dumme Informationskriegsgerede von den "Werten" beiseitelässt, ist der wahre Grund natürlich, dass Georgien nicht ausreichend russophob geworden ist. Man vergleiche es einmal mit der Ukraine: Da gibt es nicht ein Fetzchen, das ein nüchterner Beobachter versehentlich für Demokratie halten könnte; und doch erfreut sich Kiew der vollen Gnade Ursula von der Leyens und ihrer Kommission. Eine Gnade, die gerade erst eine Belohnung von weiteren 35 Milliarden Euro wert war, aus einem Europa, das in Wahrheit praktisch bankrott ist. Nein, hier geht es nicht darum, wie Menschen wählen, sondern um Geopolitik, wieder einmal.

Kein Wunder, dass der georgische Premierminister Irakli Kobachidse den jüngsten Schritt der EU eine "billige Erpressung" genannt hat. Genau das ist es. Schlimmer noch: ein Versuch wie aus dem Drehbuch, das üble Rezept umzusetzen, das der Westen unendlich liebt, selbst wenn es weiter scheitert: gewöhnliche Menschen unter Sanktionen leiden zu lassen, sodass sie sich gemäß der unendlich falschen Theorie daraufhin ihrer Regierungen entledigen, die der Westen verschwunden sehen will.

In diesem Fall hat man in Brüssel sicher zwei Optionen für das Ergebnis im Sinn: erstens, gewaltsamer Regimewechsel von der Sorte Farbrevolution. Das wurde in Georgien schon mehrfach versucht (und gelang nur einmal, 2003, was den Weg für einen kleinen, aber verheerenden Krieg mit Russland 2008 öffnete, als Georgien seinen Nachbarn angriff und vom Westen verraten wurde). Es gibt keinerlei Anzeichen, dass der Westen diese Idee aufgegeben hat. Zweitens gibt es den Weg über die kommenden georgischen Wahlen am 26. Oktober.

Ja, ihr lest richtig: Die EU ist sich vollkommen darüber im Klaren, dass Georgien eine funktionierende Demokratie besitzt (im Gegensatz zur EU), weil es genau das Herz dieser Demokratie, der Wahlprozess ist, der mit dieser Drohung der EU auf gröbste Weise ins Visier genommen wird: Wähler Georgiens, lautet die Botschaft aus Brüssel, entfernt diese Leute von der Macht, oder wir entfernen euch aus der EU. So einfach, so brutal, so schamlos. Wahleinmischung 101.

Moskau ist sich, was nicht überrascht, der Gewohnheit der EU wohl bewusst, Visaprivilegien als geopolitisches Werkzeug einzusetzen, um zu erpressen und sich einzumischen. In einer Erklärung zur EU-Politik in Armenien deutete Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, jüngst auf diese Art der "offenen Manipulation" und ihr Ziel hin, die örtlichen Staaten westlichen Interessen zu unterwerfen, auch indem Feindseligkeit zwischen ihnen gesät wird. Im Gegenzug erhalten die "Einheimischen" vor allem leere Versprechungen und absichtliche Verzögerungen, während alle Zugeständnisse seitens der EU die Gestalt von Privilegien annehmen, die jederzeit widerrufen werden können, wenn der Empfänger rebelliert. Wie Sacharowa ebenfalls in Erinnerung rief, wurde diese altbewährte Taktik bereits in vielen Ländern angewandt, darunter nicht nur Armenien, sondern auch die Ukraine, Moldawien, die Staaten des westlichen Balkans, und, früher zumindest, sogar Russland.

Die EU ist damit jedoch nicht allein. Sie handelt im Gleichtakt mit ihren Herren in Washington, die gerade ebenfalls ihren schon lange anhaltenden Druck für einen Regimewechsel in Georgien erhöht haben. Erst vor wenigen Wochen äußerte der Irgendwie-noch-US-Präsident Joe Biden eine dünn als "Erklärung beständiger Unterstützung" verkleidete Drohung gegen Georgiens Souveränität. Eine Unterstützung, die so lange anhält, wie "das georgische Volk" ausreichend Eifer zeigt, seine "Euro-Atlantischen Hoffnungen" aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig wurde der "georgischen Regierung" – hinweg mit dem Gedanken, sie könnte tatsächlich das "georgische Volk" vertreten – ein Schlag auf den Handrücken versetzt, für ihre "antidemokratischen Handlungen, belegt durch das "kremlartige" Gesetz über "ausländische Agenten" und die falschen Erklärungen georgischer Regierungsmitglieder, die nicht zu den Normen der Mitgliedschaft in EU und NATO passen". Die Botschaft konnte nicht klarer sein: Hübsche Souveränität habt ihr hier. Schade, wenn ihr irgendetwas passieren würde, wenn ihr uns nicht gehorcht. Wir sind natürlich die NATO und die EU, das heißt, der kollektive Westen, das heißt Washington.

Diese Einschüchterungstaktik beschränkt sich jedoch nicht auf Worte. Das US State Department – auch bekannt als das Waffen-für-Israel-und-Sanktionen-für-den-Rest-Ministerium – hat Georgien mit einem Blitzkrieg in Gestalt von mehr als 60 Sanktionen überzogen, alle offenbar fällig, weil Tiflis die Kühnheit besaß, legal und verfassungsgemäß Gesetze zu schreiben, die Washington nicht mag, insbesondere das Gesetz über ausländischen Einfluss, das Biden als Gesetz über ausländische Agenten zu deuten sich entschieden hat. Schlimmer noch, die georgische Regierung setzte das Gesetz trotz der üblichen westlichen Bemühungen in Kraft, Straßengewalt, die als "Zivilgesellschaft" verherrlicht wird, zu mobilisieren, um sie zu stürzen.

Dennoch musste Tiflis handeln. Wegen der unermüdlichen Versuche des Westens, ausländische Hilfe zu missbrauchen, um sich in die georgische Politik einzumischen, hat das Land eine wuchernde NGO-Landschaft mit Schlagseite entwickelt, mit 25.000 Organisationen bei einer Bevölkerung von weniger als vier Millionen. Während viele kleine NGOs echt genug sind, fungiert eine kleine Gruppe großer Organisationen als aggressive Agenten westlichen Einflusses. Indem sie, einer jüngeren bedeutenden Analyse zufolge, "beträchtliche Macht über die georgische Bevölkerung ausüben" die nicht aus einer "Unterstützung von unten" stammt, erhalten diese "ungewählten NGOs ihren Auftrag von internationalen Strukturen" und "sind gegenüber den Bürgern, in deren Leben sie eine derart übergriffige Rolle spielen, nicht verantwortlich. Diese Konstellation hat die Handlungsfähigkeit der georgischen Bürger ebenso erodiert wie die Souveränität und Demokratie des Landes."

Die gleiche Analyse beinhaltet, das sollte noch hinzugefügt werden, dass die derzeitige georgische Gesetzgebung das Problem nicht angemessen beantwortet. Das mag so sein oder auch nicht: Jede Regierung schafft wirkungsvolle und weniger wirkungsvolle Gesetze. Der Kern bleibt jedoch, dass jede Regierung das Recht hat, dies zu tun, solange sie legal verfährt, was in Tiflis offenkundig der Fall war. Oder wie würde die US-Gesetzgebung verfahren – sagen wir einmal, zu Waffen oder Schulen oder beim Gesundheitswesen –, wenn andere, besser geführte Länder wegen ihrer miesen Qualität das Recht beanspruchten, sich einzumischen?

Und, wie ein neuerer Artikel in Responsible Statecraft – einer ungewöhnlichen und eher randständigen US-Publikation, die sich bemüht, einen kritischen Blick auf die US-Außenpolitik zu werfen – richtig anmerkte, ist die Tifliser Gesetzgebung, die das Feld ausländischer Hilfe transparent machen soll, weder "von Natur aus undemokratisch" noch "von Russland inspiriert". In Wirklichkeit sind die Anforderungen des Gesetzes bescheiden – oft weniger als westliche Gesetze, darunter auch das aggressive US-FARA, verlangen – und vernünftig. Tatsächlich so vernünftig, dass man sich wundert, was diejenigen, die es – innerhalb wie außerhalb Georgiens – derart in Rage versetzt, zu verbergen und zu verlieren haben.

Die gute Nachricht ist, dass die Tifliser Führung sich nicht fürchtet, Washingtons Einmischung als solche zu benennen. Schalwa Papuaschwili, der georgische Parlamentspräsident, hat öffentlich festgestellt, die amerikanische Haltung seinem Land gegenüber passe nicht zu der "strategischen Partnerschaft", die offiziell zwischen Washington und Tiflis bestehe. Stattdessen servierten die US-Eliten ihren georgischen "Partnern" "falsche Anschuldigungen", feindselige Narrative, Herablassung und Versuche, ihnen die US-Interessen überzustülpen, und, natürlich, Sanktionen.

Wo wir gerade bei Sanktionen sind: Tiflis hat genug. Die jüngste Welle war, wie ein Parlamentarier der de facto Mehrheit öffentlich beklagte, eine "grobe Einmischung" in die kommenden Wahlen. Das stimmt nicht nur, sondern ist auch genau das, was die USA absichtlich tun: Wie mit der Visadrohung der EU, ist nichts am Timing des Sanktionsangriffs der USA zufällig. Kein Wunder, dass Premierminister Kobachidse dem US-Botschafter mitteilte, die amerikanische Sanktionssucht habe die Beziehungen zwischen Georgien und den USA an einen "kritischen Punkt" gebracht; noch so eine Entscheidung aus Washington, warnte er, und Tiflis könnte eine "grundsätzliche Neubewertung" der Beziehung zu den USA vornehmen.

Das mag tatsächlich nötig und unvermeidlich sein. Und der Grund liegt letztlich nicht bei Georgien. Es ist die nie endende Hybris der westlichen Eliten, die die Einbildung nicht abschütteln können, dass die Souveränität anderer Länder nicht wirklich real sei. In der finalen Analyse – und weder Washington noch Brüssel brauchen wirklich lange, um an diesen Punkt zu gelangen – zählt nur, was der Westen will. Und wenn er nicht bekommt, was er will, dann kommen Erpressung, Sanktionen und Einmischungen ins Spiel. Dieses pathologische Fehlverhalten ist im Westen zur Routine geworden. Nur das Scheitern, wieder und wieder, kann es beenden. Hoffen wir, dass Georgien zu einer weiteren westlichen Niederlage wird.

Übersetzt aus dem Englischen.

Tarik Cyril Amar ist Historiker an der Koç-Universität in Istanbul. Er befasst sich mit Russland, der Ukraine und Osteuropa, der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, dem kulturellen Kalten Krieg und der Erinnerungspolitik. Man findet ihn auf X unter @tarikcyrilamar.

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