Russlands Streitkräfte sichern die Flanken für Sturm von Tschassow Jar und Kurachowo
Von Andrei Restschikow
Der russische Truppenverband Zentrum hat am 26. September die Stadt Ukrainsk befreit. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums verlor Kiews Militär dabei bis zu 670 Kämpfer. Darüber hinaus zerstörten die russischen Streitkräfte einen Panzer, zwei gepanzerte Kampffahrzeuge sowie fünf Autos. Russlands Armee erzielt Erfolge auch an anderen Frontabschnitten in der Donezker Volksrepublik.
So wurden am 25. September zwei weitere Punkte in der DVR befreit – das Dorf Ostroje, östlich von Kurachowo, sowie Grigorowka, das 4,5 Kilometer nördlich der Stadt Tschassow Jar liegt. Trotz ihrer bescheidenen Größe haben beide Dörfer eine wichtige strategische Bedeutung.
So vermutet der Kriegsberichterstatter Alexandr Koz, dass in der Nähe von Ostroje ein Aufmarschgebiet für einen weiteren Vorstoß auf Kurachowka und Gornjak geschaffen werde. Die Kontrolle über Grigorowka, wo vor 2022 lediglich 70 Menschen wohnten, werde indessen die Flanke des Truppenverbands sichern, der Tschassow Jar stürmen wird.
Dabei rückten russische Truppen auch bei Konstantinowka und Nikolajewka vor. Somit wird Russlands Offensive auf dem Gebiet der DVR entlang der ganzen Frontlinie von Torezk bis Ugledar fortgesetzt. Die Befreiung neuer Territorien der Republik könnte beträchtliche Auswirkungen auf die Lage an der Front haben.
So hatte Boris Roschin, Experte des Zentrums für militärpolitische Journalistik, noch Mitte September in einem Interview an das Nachrichtenportal Ukraina.ru erklärt, dass die Einnahme von Ukrainsk die Flanke beim Vorstoß auf Selidowo sichern und ein Vorrücken in Richtung von Gornjak und Kurachowo ermöglichen werde. Er erinnerte daran, dass es in dieser Gegend eine Bergehalde gebe, die eine gute Sicht während der weiteren Offensive ermöglichen könnte.
Alexei Leonkow, Redakteur der Zeitschrift Arsenal Otetschestwa (Arsenal des Vaterlands) schätzt die strategische Wichtigkeit von Ostroje als hoch ein. "In Verbindung mit anderen Erfolgen der russischen Armee kann diese Siedlung zu einem Aufmarschgebiet für weiteres Vorrücken in Richtung Kurachowka werden. Ebenso können dort Verteidigungslinien aufgebaut und Stellen für das Nachladen von Munition eingerichtet werden", erklärte er.
"Doch bei einer weiteren Offensive sind zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen. Jetzt wird der Gegner Gegenangriffe versuchen, um uns zu erschweren, sich in diesem Gebiet zu befestigen. Doch die Feuerunterstützung ist auf unserer Seite, Russlands Luftstreitkräfte haben die Lufthoheit, deswegen sind die Chancen des ukrainischen Militärs, etwas zu halten, sehr gering", führt Leonkow aus.
Seinerseits fügt Roschin hinzu, dass russische Truppen in Richtung Kurachowka noch vor dem Anfang der Kämpfe um Ostroje vorgerückt seien. "Die Truppen näherten sich dem Gebäudekomplex der Strafkolonie westlich des Dorfes und nahmen es noch vor der Befreiung des eigentlichen Orts ein", sagt er. Der Experte fügte hinzu, dass zwischen der Kolonie und Kurachowka etwa drei Kilometer liegen. Inzwischen stehe das ukrainische Militär vor der Gefahr, dass die Front das Dorf Maximilianowka erreicht, das als Schlüssel zur Stadt Kurachowo gilt.
Roschins Angaben zufolge sei der Ort vom Norden schwach gedeckt, allerdings werden die russischen Truppen sich durch Gornjak kämpfen müssen. "Durch Maximilianowka zu gehen und Kurachowo aus dem Osten zu stürmen, wird schwierig sein, weil der Gegner dort Verteidigungsanlagen vorbereitet hat. Schon jetzt ist es klar, dass sich das ukrainische Militär an Gornjak und die Siedlung Zukurino klammern wird, um ein schnelles Vorrücken unserer Truppen nach Süden zu verhindern", erklärte Roschin.
Leonkow zufolge werde die Kontrolle über Grigorowka die Flanke des Truppenverbands sichern, der Tschassow Jar stürmt. "In der Regel baut der Gegner seine Verteidigungslinie parallel zu unserer auf. Frontangriffe sind sehr schwierig und wenig effektiv. Doch wenn zumindest an irgendeinem Abschnitt ein Durchbruch und sogar Flankenmanöver gelingen, wird die Versorgung der Front, wie etwa in Tschassow Jar, erschwert", fügt der Experte hinzu.
"Sicher hat die Kontrolle über Grigorowka eine taktische Bedeutung beim Sturm von Tschassow Jar. Dort haben sich die Kämpfe ans andere Ufer des Kanals Sewerskij Donez – Donbass verlagert, was die Kräfte, die beim Dorf Kalinowka und im Norden von Tschassow Jar agieren, stärkt", erklärte Roschin.
Allerdings habe das ukrainische Militär hier einen 'ernst zu nehmenden Truppenverband'. "Deswegen werden sich die Ereignisse um Tschassow Jar langsam entwickeln, doch wenn man die Ereignisse beobachtet, scheint das russische Kommando nicht besonders auf einer direkten Einnahme der Stadt zu bestehen. Viel vorteilhafter ist es, an den Flanken zu agieren, was bereits zur Befreiung von Kalinowka und Grigorowka und zur Schaffung eines Brückenkopfs in der Nähe des Dorfes Stupotschka im Süden geführt hat", erklärte der Experte.
Leonkow verwies darauf, dass in jüngster Vergangenheit die Befreiung von Ortschaften immer von Flankenmanövern begleitet wird. "Genau solche Szenarien werden am häufigsten bei taktischen Operationen genutzt, um sich in jeder Stadt oder Siedlung zu befestigen", bemerkte er.
Beim Sturm auf Tschassow Jar werde Mörsern und Drohnen der Vorzug vor Artilleriekomplexen gegeben. "Diese beiden Waffenarten bewähren sich am besten im Stadtgebiet. Die Drohnen lenken das Feuer, wodurch die Mörser den Gegner hinter Hindernissen wie Häusern treffen können", fügte Leonkow hinzu.
Der Einsatz von Fliegerbomben der Typen FAB und KAB sei dann möglich, wenn es leichter sei, die gegnerischen Befestigungen "dem Erdboden gleichzumachen, als sie zu stürmen". "Wenn sich die ukrainischen Soldaten in einem Industriegebiet festsetzen, wird diese Munition gebraucht. Dabei werden FAB-Bomben mit Lenkmodulen (UMPK) ausgestattet", fügte Leonkow hinzu.
Darüber hinaus schenkt das russische Militär bei Angriffen den Panzern große Aufmerksamkeit, die als Artillerieeinheiten fungieren, um besonders befestigte Siedlungen zu beschießen, in denen Maschinengewehrstellungen installiert werden können.
"Ein universelles Rezept für den Sturm von Siedlungen gibt es nicht. Jeder Kommandeur setzt jene Waffenarten ein, die ihm zur Verfügung stehen. Deswegen verläuft es jedes Mal anders", erklärte der Militärexperte.
Leonkow betont, dass die Befreiung eines beliebigen Orts ein weiterer Schritt zur vollständigen Befreiung des russischen Gebiets ist. Unter der ukrainischen Kontrolle verbleibt noch ein Teil der DVR mit den Städten Kramatorsk, Slawjansk, Pokrowsk und Konstantinowka.
"Wir werden weiter vorrücken. Doch man muss das unwegsame Gelände in diesem Gebiet – Hügel, Erdrisse und Wälder – berücksichtigen. Hier könnte der Gegner überall eine Verteidigung organisieren, was er in den vergangenen zwei Jahren auch tat, denn ihm war die Möglichkeit eines Durchbruchs von unserer Seite bewusst. Deswegen muss jedes Stückchen Land, jede Straße, jede Gasse erkämpft werden. Jede Siedlung muss erkämpft werden", schlussfolgerte Leonkow.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 26. September bei Wsgljad.
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