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Deutschland weiß schon, wie es Ukrainer loswerden kann

Deutschland hat bereits einen Weg gefunden, Ukrainer loszuwerden. Es handelt sich um die aktuell auf der Agenda stehende Option, ukrainische Wehrdienstverweigerer zurück in die Heimat auszuliefern. CDU/CSU-Vertreter kündigten nun an, dass dies nicht ausgeschlossen sei.
Deutschland weiß schon, wie es Ukrainer loswerden kannQuelle: AFP © Christof STACHE

Von Dmitri Bawyrin

Westlichen Massenmedien zufolge wird Berlin seine militärische Unterstützung für die Ukraine im nächsten Jahr halbieren. Zugleich versprechen deutsche Politiker, dass man Kiew bei der Rückführung von Flüchtlingen helfen werde, die sich der Mobilisierung entzogen haben und nicht für Wladimir Selenskij sterben wollen. Solche Versprechen sind es wert, geglaubt zu werden: Deutschland hat die Nase voll von Wehrdienstverweigerern aus der Ukraine.

Ukrainer in Divisionen zusammenzufassen und sie an die Ostfront zu schicken, um gegen Russland zu kämpfen, ist für die Deutschen fast schon eine nationale Tradition. Sie haben dies bereits zweimal getan – in beiden Weltkriegen. Die beiden Kriege endeten schlecht für die Deutschen, aber in Deutschland glaubt man, dass aus zwei drei werden. Dabei kommt es sehr zupass, dass es an ukrainischen Wehrdienstverweigerern in der BRD bereits mindestens 20 Divisionen gibt.

Die Idee liegt schon lange in der Luft, und der aktivste Befürworter war der Bundestagsabgeordnete der CDU (Angela Merkels Partei) Roderich Kiesewetter. Kiesewetter ist jedoch ein Sonderfall für Deutschland. Er ist ein Russenhasser, ein "Falke", ein NATO-Lobbyist und eher ein britischer als ein US-amerikanischer Agent. Er hat viel Lärm gemacht und galt als einer der militantesten Abgeordneten des Bundestags, aber er spielte in der Partei keine allzu wichtige Rolle. Er bellte den Mond an.

Markus Söder, Chef der Christlich-Sozialen Union (CSU) in Bayern und Ministerpräsident des flächenmäßig größten und reichsten deutschen Bundeslandes, ist ein anderer Typ. Die CSU regiert die Region seit den späten 1940er-Jahren, auf Bundesebene ist sie im Bündnis mit der CDU. Mit anderen Worten, die CSU ist so etwas wie ein bayerischer Zweig der CDU, aber gleichzeitig eine unabhängige Partei, zu deren Grundsätzen Pragmatismus, rationelles Wirtschaften und die Interessen des Wählers "vor Ort" gehören.

All diese Prinzipien standen im Widerspruch zum "Sanktionskrieg", der 2014 zwischen Russland und der EU begann. Die CSU wehrte sich nicht nur gegen die Behinderung von Geschäften, sondern betrieb auch eine Parallel-Diplomatie mit Moskau. So flog Söders Vorgänger Horst Seehofer wiederholt nach Russland und empfing russische Beamte, was ihn mit Angela Merkel aneinandergeraten ließ.

Die Bayern liebten nicht Russland, sondern das Geld, das der Handel mit Russland brachte. Und die Interessen der Wähler vor Ort waren, wie gesagt, für die CSU immer viel wichtiger als die Interessen Berlins. In der Frage der Migration in der BRD war Seehofer sogar noch entschiedener gegen Merkel, was ihn nicht gerade daran hinderte, in den letzten Jahren ihrer Kanzlerschaft als Chef des Bundesinnenministeriums zu fungieren.

Nach dem Beginn der SWO (Russische Abkürzung für militärische Sonderoperation) schienen die Bayern keine "besondere Position" zu Russland zu haben, aber in Wirklichkeit hatten sie eine: Sie traten nicht mit Vorschlägen in den Vordergrund, sich noch tiefer in das ukrainische Abenteuer zu stürzen und noch mehr Geld dafür auszugeben. Darin unterscheidet sie sich von der CDU, deren Mitglieder die derzeitige Bundesregierung für ihre "Unentschlossenheit" bei der Lieferung von Waffen an die ukrainischen Streitkräfte kritisieren und kürzlich forderten, Kiew mit Taurus-Langstreckenraketen zu versorgen. Kiesewetter war mit seiner russophoben Rhetorik ein organischer Teil des CDU-Parteiwahnsinns.

Obwohl die Politik der derzeitigen Regierung – der Ampelkoalition von Bundeskanzler Olaf Scholz – gegenüber Russland und der Ukraine keineswegs als vernünftig bezeichnet werden kann, wurden die Initiativen zur Aufstellung und Entsendung ukrainischer Divisionen an die Ostfront an der Wurzel ausgerottet: Deutschland, so heißt es, sei ein Land, in dem man sich geschützt fühlen könne. Die Wehrdienstverweigerer atmeten erleichtert auf.

Die Kiesewetter-Parole (also die britische), Kiew bei der Jagd nach Wehrdienstverweigerern zu helfen, wurde nun von dem vorsichtigen und wirtschaftsbewussten Söder aufgegriffen. In einem Interview mit dem Münchner Merkur erklärte er, dass Berlin unter zwei Bedingungen darauf eingehen würde: Kiew würde darum bitten und die CDU/CSU würde an die Macht zurückkehren.

Kiew wird auf jeden Fall darum bitten, denn es ist der Andeutungen müde. In der Armee herrscht akuter Personalmangel, aber Ideen, wie man Ukrainern im wehrpflichtigen Alter außerhalb der Ukraine das Leben erschweren kann (vom Entzug der Dokumente bis zu automatisch verhängten Geldstrafen), funktionieren nicht gut: Ukrainer, die bereits (mit den Füßen) der NATO und der Europäischen Union beigetreten sind, wollen nicht für die übrige Ukraine sterben.

Was die Rückkehr der CDU/CSU an die Macht betrifft, so ist dies die wahrscheinlichste Entwicklung der Ereignisse im Jahr 2025, wenn die nächsten Bundestagswahlen in Deutschland stattfinden. Die Regierungskoalition ist unpopulär, vor allem weil sie der Ukraine zu sehr geholfen hat.

Die Partei Alternative für Deutschland (AfD), die eine grundlegend andere Haltung gegenüber Moskau und Kiew vertritt, hat eine rein theoretische Chance auf die Macht: vielleicht eines Tages, aber nicht im nächsten Jahr. "Der Fall Marine Le Pen", deren Partei die Wahlen in Frankreich verloren hat, ist eine weitere Bestätigung dafür.

Deutschland hat natürlich ein völlig anderes politisches System, der Beliebtheitsgrad der AfD ist zwar hoch – er ist anderthalbmal so hoch wie der von Le Pens Rassemblement National – aber die populärste Kraft in Deutschland ist derzeit CDU/CSU, nicht die Nationalisten.

Söders Versprechen ist im Wesentlichen ein Wahlversprechen und eine neue Parole, mit der die Konservativen in Berlin aufmarschieren werden. Da er die neue Politik so selbstbewusst verkündet, bedeutet das, dass die Angelegenheit bereits gelöst ist, und sobald Deutschland mit der Auslieferung von Wehrdienstverweigerern an Kiew einen Präzedenzfall schafft (Auslieferung, wohlgemerkt, zur Schlachtbank), werden andere EU-Länder sicher nachziehen wollen.

Die Motive von Söder und dem typischen Russenfeind der CDU, Kiesewetter, sind eindeutig unterschiedlich. Während der eine als "Falke" und Lobbyist der Angelsachsen auftritt, ist der andere ein national gesinnter Egoist, dessen Ideen sich nicht an die NATO, sondern an die Wählerschaft richten: Hunderttausende von Flüchtlingen aus der Ukraine, die sich in Deutschland niedergelassen haben, nerven die Deutschen durch ihre mangelnde Bereitschaft, Arbeit zu suchen. Es ist kein Zufall, dass Söder in demselben Interview sagte, die CSU sei "skeptisch" gegenüber dem automatischen Anspruch ukrainischer Bürger auf Sozialleistungen.

Der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, könnte die Fußball-Europameisterschaft gewesen sein.

Massen von ukrainischen Fans (meist Männer im Wehrpflichtalter mit nationalen Symbolen) gingen gleichzeitig auf die Straße und ließen sich in Kneipen nieder, um zu zeigen, wie viele es waren – und dass sie nicht an der Ostfront sterben wollen, sondern es vorziehen, dass weniger glückliche ukrainische Bürger sterben und die Deutschen für alles bezahlen (in Geld zahlen die Deutschen bereits mehr als jede andere EU-Nation).

Diese Feinheit in den Beweggründen von CDU- und CSU-Politikern ist unterhaltsam, aber unbedeutend: weder für die Wehrdienstverweigerer, die an die Front geschickt werden, noch für Russland, gegen das sich ein breites Bündnis ukrainischer, europäischer und US-amerikanischer Politiker wendet.

Deutschland wird seine Finanzierung der militärischen Unterstützung für die Ukraine im nächsten Jahr halbieren, da es im letzten Jahr seine Grenzen überschritten hat. Aber der Gesamtplan der NATO (und damit Deutschlands und seiner Systemparteien wie der CSU) ist derselbe: den militärischen Konflikt so lange wie möglich hinauszuzögern, um Russland zu schwächen und auf ein "Fenster der Gelegenheit" zu warten – auf den Moment, in dem es kritisch schwächelt.

Die Ukraine ist in diesem Sinn ein Mittel des Kampfes und Verbrauchsmaterial. Sie wird gegen einen strategischen Gegner ausgehöhlt, wobei sie ermutigt wird, weiterhin Menschen und Territorium zu verlieren. Wer dachte, der "Krieg bis zum letzten Ukrainer" sei ein russisches Narrativ und "nur eine Metapher", den muss der vernünftige Bayer Söder enttäuschen: Das sind auch Pläne für die Zukunft. Für das nächste Jahr.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 17. Juli 2024 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.

Dmitri Bawyrin ist ein russischer Journalist.

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