Russlands Aufklärung wird ukrainische Armee zwingen, Pläne für den Einsatz von F-16 zu ändern
Von Andrei Restschikow
Während des NATO-Jubiläumsgipfels, der kürzlich in Washington stattfand, wurde bekannt gegeben, dass mit der Lieferung der Kiew lange versprochenen US-Kampfflugzeuge der vierten Generation vom Typ F-16 an die Ukraine begonnen wurde. Wie US-Außenminister Anthony Blinken erklärte, wird die erste Charge von F-16-Kampfflugzeugen bereits von Dänemark und den Niederlanden an die Ukraine geliefert.
In einer gemeinsamen Erklärung bestätigten US-Präsident Joe Biden und die Premierminister der Niederlande und Dänemarks, Dick Schoof und Mette Frederiksen, den Beginn der Verlegung der F-16. Derzeit ist die Ukraine in hohem Maße auf sowjetische MiG-29- und Su-27-Kampfflugzeuge angewiesen, deren Bestände während der militärischen Sonderoperation spürbar reduziert wurden.
Das US-Kampfflugzeug ist mit einer 20-Millimeter-Kanone ausgestattet und kann Bomben und Raketen in verschiedenen Modifikationen bis hin zur nuklearen Version tragen. Es bleibt jedoch unklar, wie viele Flugzeuge in der ersten Tranche der Lieferungen enthalten sind und wo sie stationiert werden sollen. In der westlichen Presse wurde behauptet, dass die Ukraine im Jahr 2024 etwa 20 F-16-Kampfjets erhalten wird.
Gleichzeitig bekräftigten die ukrainischen Behörden, dass sie die F-16 nicht nur für Angriffe, sondern auch für die Verteidigung des Luftraums benötigen. In dieser Hinsicht leiden die ukrainischen Streitkräfte auch unter einem akuten Mangel an Luftabwehrsystemen ausländischer Herkunft.
Die Luftabwehrsysteme Patriot und FSAF SAMP/T, deren Lieferung an Kiew die NATO-Staaten zugesagt haben, werden jedoch nicht in der Lage sein, Charkow, Sumy, Nikolajew und Tschernigow sowie die ukrainisch besetzten Teile der neuen russischen Regionen zu schützen. Westlichen Experten zufolge werden diese Systeme nicht in der Lage sein, in der Nähe der Frontlinie zu operieren, da Russlands fortschrittliche Drohnenaufklärung das Risiko der Entdeckung und Zerstörung der Ausrüstung erhöht.
Kiew wird derzeit von zwei Patriot-Luftabwehrsystemen geschützt, Lwow und Odessa erhielten jeweils ein weiteres solches Luftabwehrsystem. Westlichen Analysten zufolge könnten die neuen Patriot und FSAF SAMP/T zur Verteidigung von Dnjepropetrowsk, Kriwoi Rog, Winniza und einer künftigen F-16-Basis in der Westukraine eingesetzt werden. Gleichzeitig sind die beiden Systemtypen aufgrund der unterschiedlichen Software nicht miteinander kompatibel, und wenn eins der Systeme ausfällt, kann das andere es nicht ersetzen oder schützen.
Was die F-16 anbelangt, so bezeichnete die Fachzeitschrift National Interest sie als veraltet und nicht für die Teilnahme an Konflikten mit Großmächten wie Russland ausgelegt. Das Hauptproblem bei den Kampfflugzeugen ist ihre Sichtbarkeit für Ortungsgeräte. Die F-16 wurde während des Kalten Krieges entwickelt und wird unter modernen Kampfbedingungen nicht überleben können.
Russische Experten glauben auch, dass die Ukraine durch die russischen Aufklärungs- und Luftverteidigungskapazitäten gezwungen sein wird, ihre Pläne für den Einsatz von F-16 zu ändern. Die ukrainischen Streitkräfte würden nicht in der Lage sein, die Luftüberlegenheit zu erlangen und müssen die Kampfflugzeuge daher zur Luftverteidigung einsetzen.
"Die Luftabwehrsysteme Patriot und FSAF SAMP/T können nicht an der Front eingesetzt werden. Das Problem besteht außerdem darin, dass die Ukraine derzeit über ein ganzes Sammelsurium sehr unterschiedlicher Luftabwehrsysteme verfügt, die nicht zu einem einzigen System kombiniert werden können. Daher werden sie die F-16 bloß für die Luftverteidigung einsetzen müssen", meint Oberst a.D. Anatoli Matwijtschuk.
Der Experte erinnert daran, dass das leichte Jagdflugzeug F-16 ursprünglich für den Kampf gegen andere Flugzeuge entwickelt wurde, in der Ukraine aber ganz andere Aufgaben zu bewältigen haben wird. Er erklärt:
"Ich glaube, dass die an die Ukraine übergebenen F-16 in erster Linie zum Abschuss von Storm Shadow/SCALP-EG-Marschflugkörper eingesetzt werden. Und selbst wenn die Ukraine anfängt, diese Flugzeuge als Luftverteidigungsmittel einzusetzen, wird dies das Problem aufgrund ihres Mangels nicht lösen."
Westliche Experten schätzen, dass die Ukraine im Idealfall mindestens 12 Staffeln F-16, das entspricht 216 Flugzeugen, benötigt, wenn sie die Luftunterstützung für Bodenoperationen erfolgreich ausbauen will, wobei jeweils vier Staffeln für die Luftabwehr, das Abfangen und die Bekämpfung anderer Luftangriffe vorgesehen wären. Wladimir Selenskij selbst hatte kürzlich fast 130 Flugzeuge gefordert, doch auch diese Forderung ist völlig unrealistisch.
"In den Vereinigten Staaten und den NATO-Ländern basierte der Aufbau der Luftverteidigung zunächst konzeptionell auf dem Einsatz von Kampfflugzeugen. Einer der Einsatzzwecke der leichten F-16-Kampfflugzeuge ist die direkte Luftverteidigung. Deshalb möchte die Ukraine dieses supermobile Luftverteidigungssystem erhalten", erläutert der Militärexperte Alexei Sukonkin.
Seinen Angaben zufolge sind die F-16 mit einem aktiven Phased-Array-Radarsystem (AESA) mit einer Zielerfassungsreichweite von mehr als 100 Kilometern ausgestattet. Das Arsenal des Jagdflugzeugs umfasst Kurz- und Mittelstreckenraketen, die Marschflugkörper abfangen können. Dabei handelt es sich insbesondere um den Hochgeschwindigkeitsflugkörper AGM-88 HARM.
"Der Einsatz von F-16 als Träger von Storm Shadow/SCALP-EG-Marschflugkörpern ist ebenfalls möglich, doch im Falle der Ukraine ist es vorzuziehen, die Maschinen als Luftabwehrjäger einzusetzen", so Sukonkin, der hinzufügt, dass die Ukraine zunächst ein "starkes Radarfeld" aufbauen müsse, um potenzielle Ziele zu erkennen. Matwijtschuk glaubt jedoch, dass die veralteten F-16 nicht in der Lage sein werden, die Luftüberlegenheit zu erlangen und auf Augenhöhe mit der russischen Luftwaffe zu kämpfen, "daher werden diese Flugzeuge in den westlichen Regionen der Ukraine und sogar, was nicht ausgeschlossen ist, in grenznahen Gebieten stationiert werden".
"Die Basis der russischen Luft- und Raumfahrtflotte sind die Kampfflugzeuge der 4+ Generation, nämlich Su-30, Su-35, sowie die Su-57 der fünften Generation. Die F-16 sind in Bezug auf Geschwindigkeit, Zielerfassungsbereich und andere Parameter unterlegen. Dieses Flugzeug hat sich im Himmel über Afghanistan und dem Irak bewährt, wo es keine modernen Luftabwehrsysteme gab. Wenn es aber versucht, sich an der Front in der Zone der militärischen Sonderoperation zu beweisen, wird es abgeschossen werden", ist sich der Oberst a.D. sicher.
Sukonkin vertritt einen anderen Standpunkt. Ihm zufolge wurde die F-16 wiederholt modernisiert, und heute ist diese Maschine fortschrittlicher als die Jets, die in den 80er-Jahren hergestellt wurden. Er warnt:
"Moderne F-16 sind mit einer neuen Radaranlage und Avionik ausgestattet. Die Flugreichweite aus den westlichen Regionen der Ukraine erlaubt es diesem Flugzeug, Aufgaben zu erfüllen, die bis hin zur Krim reichen."
Gleichzeitig betrachtet Russland die Fähigkeit der F-16, Atomwaffen an Bord zu tragen, als seine größte Bedrohung. Sukonkin betont: "Die F-16 ist ein zertifizierter Träger von Atomwaffen. Unabhängig davon, welche Aufgaben sie in der Ukraine erfüllen wird, sei es Luftverteidigung, gelenkte Bombenangriffe oder den Einsatz von Storm Shadow/SCALP-EG-Marschflugkörpern, berücksichtigt der russische Generalstab die Tatsache, dass an diesem Flugzeug Atomwaffen befestigt werden können."
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 13. Juli 2024 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
Mehr zum Thema – Der Westen bereitet sich auf die Verlagerung des Konflikts mit Russland auf das Meer vor
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.