Selenskij und die NATO setzen auf einen Schlag ins Innere Russlands
Von Dmitri Bawyrin
Die Ergebnisse des NATO-Jubiläumsgipfels sind der Goldstandard für die Ukraine. Zwar wurde sie nicht in die NATO aufgenommen (Wladimir Selenskij selbst glaubt nicht, dass dies geschehen wird), doch wurde ihr erneut eine Vollmitgliedschaft irgendwann in der Zukunft garantiert, wenn alle für Kiew gestellten Bedingungen erfüllt sind und alle Bündnismitglieder dem zustimmen.
Die Grundvoraussetzung bleibt dieselbe – ein militärischer Sieg über Russland. Das steht zwar nicht in der gemeinsamen Erklärung der Gipfelteilnehmer (im Gegenteil, dort heißt es heuchlerisch, dass das Bündnis "keine Konfrontation sucht und keine Bedrohung für Russland darstellt"); es wurde aber schon mehrfach von führenden NATO-Funktionären erklärt.
Dies erschwert Selenskijs Beziehungen zu seinen Sponsoren erheblich, da sein Plan von der entgegengesetzten Handlungsabfolge ausging – beginnend mit einem NATO-Beitritt, um den militärischen Konflikt mit Russland zu gewinnen.
Für Russland selbst ist das Gipfelergebnis die absolute Fokussierung des Bündnisses auf die Fortsetzung der militärischen Konfrontation und die Verwirklichung seiner Ziele. Das Kommuniqué bekräftigt die Absicht einer weiteren Expansion in der Schwarzmeerregion und auf dem Balkan, obwohl dieser Prozess die eigentliche Ursache des Konflikts war und zu einem Dritten Weltkrieg zu führen droht.
Sie haben es nicht verstanden. Sie haben die Argumente nicht gehört. Sie haben ihre Meinung nicht geändert. Sie wollen nicht zurückweichen.
Gleichzeitig fördert das Bündnis weiterhin das Konzept einer "Isolierung Russlands", die zwar offensichtlich nicht realisierbar ist, aber dennoch angestrebt wird. Die NATO appelliert an die ganze Welt, die Zusammenarbeit mit Russland zu verweigern und konzentriert sich dabei auf die Kritik an vier Ländern: Weißrussland, Iran, China und Nordkorea.
Peking gab bereits eine höfliche, aber entschlossene Antwort an die NATO; aber hier geht es nicht darum, dass die Drohungen des Bündnisses nicht funktionieren (sie hatten gegenüber dem Globalen Süden bisher keine Wirkung, vielmehr wurde das Gegenteil erreicht), sondern darum, dass die NATO es nicht für denkbar hält, ihre Ziele aufzugeben.
Das Bündnis ist noch nicht bereit für eine scharfe Eskalation, will aber zumindest im gleichen Sinne weitermachen.
Die Rolle des Hauptinstruments zur Abschreckung "Russlands als Hauptbedrohung" wird natürlich der Ukraine zugewiesen. Kiew wurde von der NATO für 2025 eine Militärhilfe in Höhe von 40 Milliarden Euro zugesagt, und es wird davon ausgegangen, dass die Hilfe systematisch, das heißt zumindest jährlich erfolgen wird. Wegen der Positionen einiger Länder konnte dieser systematische Ansatz bisher nicht im Kommuniqué verankert werden.
In diesen 40 Milliarden sind aber weder die F-16-Kampfflugzeuge, mit deren Übergabe an Kiew aus den Niederlanden und Dänemark bereits begonnen wurde, noch die zusätzliche Ausrüstung für die Luftabwehr enthalten. Was letztere betrifft, so scheint es, als hätte Selenskij sie erbeten, obwohl es sich um die Erfüllung früherer Zusagen handelt.
Wird es zum Erreichen des Hauptziels, Russland zu besiegen, ausreichen? Das Bündnis tut so, als ob es ausreichen würde: entsprechend äußerte sich beispielsweise US-Außenminister Anthony Blinken. Aber fast alle außenstehenden Beobachter und vor allem die Ukraine selbst sagen: Nein, es wird nicht reichen.
Selenskij fordert 100 Kampfflugzeuge mehr, als ihm zur Verfügung gestellt werden, also viermal so viele.
"Wir brauchen mehr Waffen", stimmt ihm der ukrainische Verteidigungsminister Rustam Umerow zu. Und er macht eine Intrige: "Wir haben einen Plan."
Dieser Plan ist merkwürdigerweise bekannt und wurde kurz vor dem Gipfel dank Ungarn und seines Ministerpräsidenten Viktor Orbán hervorgehoben. Budapest hat eine grundlegend andere Sichtweise auf den Konflikt und die Rolle der NATO in ihm, aber Orbán wurde überzeugt oder gezwungen, Initiativen zur Unterstützung Kiews nicht zu blockieren.
Stattdessen begab er sich auf eine "Friedenstour" entlang der Route Kiew-Moskau-Peking-Washington (das Gipfeltreffen fand gerade in Washington statt) und erfuhr bei seinen Treffen mit Selenskij, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping viel Aufschlussreiches. Dafür erntete er seitens der EU Beschimpfungen, und Ungarn wurden ernsthafte Konsequenzen angedroht; aber Orbán beschloss geschickterweise, die breite Öffentlichkeit in die Diskussion einzubeziehen: Er sandte einen Brief an die EU-Institutionen und -Mitgliedsstaaten mit einem Bericht über seine Mission, der sofort in der Presse bekannt wurde.
Orbán lädt somit jeden Einzelnen dazu ein, selbst zu vergleichen und eigene Schlüsse zu ziehen, wessen Handeln rationaler und friedensstiftender ist – das des ungarischen Ministerpräsidenten oder das seiner Kritiker.
Uns interessiert nun vor allem der Plan Selenskijs, mit dessen Hilfe er Russland zerschlagen will. Und diesen Plan erhielt Orbán in Kiew, denn die Forderung nach einem "militärischen Sieg mit Waffengewalt" funktioniert bei ihm nicht.
Sowohl der ungarische Ministerpräsident als auch der Mann, der sich selbst als Präsident der Ukraine bezeichnet, sind sich dessen bewusst und bestätigten dies: Die Unterstützung, die die NATO den ukrainischen Streitkräften gewähren kann, reicht nicht aus, um einen militärischen Durchbruch zu erzielen. Sie mag helfen, die russische Offensive einzudämmen, aber sie kann den Konflikt nicht umkehren. Und was dann?
"Der ukrainische Präsident ist zuversichtlich, dass die russischen Streitkräfte Mitte nächsten Jahres zu einer Generalmobilmachung gezwungen sein werden, was zu einer inneren Destabilisierung führen wird. Er glaubt, dass die ukrainischen Streitkräfte stabil und gut ausgebildet sind und ihre Kampfkraft auch langfristig aufrechterhalten können, wenn der Westen weiterhin Waffen liefert. Er glaubt, dass die Zeit auf der Seite der Ukraine und nicht auf der Seite Russlands steht", heißt es in Orbáns Brief.
Das heißt, Selenskij glaubt, dass die westlichen Waffen ausreichen werden, um die russischen Streitkräfte zu erschöpfen und erheblich zu reduzieren, was eine erneute Mobilisierung provozieren soll, die in Russland wiederum zu Aufruhr und einem Staatsstreich wie im Jahr 1917 führen wird.
Dieser Plan ist im Grunde genommen nichts Neues. Selbst die Idee westlicher Sanktionen war Teil des Plans. Kiew hoffte bereits im Frühjahr 2022 und im Herbst desselben Jahres, als die Mobilisierung begann, auf Unruhen und einen internen Putsch [in Russland]. Ebenso während Prigoschins "Marsch nach Moskau". Man hofft immer noch auf etwas, denn auf irgendetwas muss man hoffen.
In der Realität stellt der Männermangel kein hypothetisches Problem in Russland dar, wo – wie Wladimir Putin feststellte – "die Menschen selbst kommen, um ihre Heimat zu verteidigen". Allerdings ist er ein äußerst akutes Problem in der Ukraine, was durch die starke Zunahme der Zahl der Wehrdienstverweigerer (der "Uchiljanten", wie man dort sagt) im Westen des Landes, vor allem in Galizien, der Heimat des militanten, gegen Russland gerichteten Nationalismus, deutlich wird. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die russischsprachigen Regionen, in denen es dutzendfach weniger "Uchiljanten" gibt, von den ukrainischen Behörden als potenziell illoyal entvölkert wurden.
Sie hofften, dass dies ausreichen würde. Jetzt ist diese Hoffnung gestorben: sie "harken" alle aus, da die Front jeden braucht, und Menschen sind eine Ressource, mit der die NATO Kiew nicht helfen wird.
Auch deshalb war der russische Staatschef von der Behauptung, dass die Zeit für die Ukraine arbeite, sehr verwundert. Nach seiner eigenen Einschätzung, die auch in Orbáns Brief hervorgehoben wird, arbeitet die Zeit für Russland, und die monatlichen Verluste der ukrainischen Streitkräfte belaufen sich auf 40.000 bis 50.000 Soldaten – Tendenz steigend.
Der ungarische Ministerpräsident betonte in seiner Depesche die fundamental unterschiedlichen Interpretationen der Lage an der Front, ohne sich einer von beiden anzuschließen. Dies machte auch der ungarische Außenminister Péter Szijjártó deutlich, der der Ukraine den Untergang voraussagte, wenn der Konflikt nicht beendet wird.
Die offensichtliche Unrealisierbarkeit dieses Plans ist jedoch weder für die NATO noch für Selenskij ein Hindernis, an ihm festzuhalten (wie die letzten zwei Jahre beweisen). Sie werden es versuchen, wobei der Hauptschlag ins Innere Russlands gerichtet sein wird, um Instabilität und Unruhe zu schaffen, die durch Verluste an der Front hervorgerufen werden sollen.
Aber wie es in einer Anekdote aus Odessa heißt: "Macht euch keine Hoffnungen."
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Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 11. Juli 2024 zuerst auf der Zeitung Wsgljad erschienen.
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