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NATO-Gipfel in Washington – eine Zwischenbilanz

Trotz der gesteigerten Erwartungen einiger Länder sind die Ergebnisse des ersten Tages des NATO-Gipfels in Washington zumindest im öffentlichen Teil enttäuschend. Abseits von Glückwünschen und selbstmotivierenden Behauptungen brachte der erste Tag praktisch nichts.
NATO-Gipfel in Washington – eine ZwischenbilanzQuelle: AP © Noah Berger

Von @Panzerwaffle

Beitritt der Ukraine zur NATO

Ein Beitritt der Ukraine zur NATO erscheint bisher wenig wahrscheinlich. Polens Präsident brachte in seinem Interview für die Washington Times die gemeinsame Position der NATO-Falken zum Ausdruck. Einerseits räumte er ein, dass die Ukraine kein NATO-Mitglied werden könne, solange der Konflikt mit Russland nicht endet. Andererseits rief er dazu auf, die Ukraine möglichst bald in die NATO aufzunehmen, und nannte Russland "mindestens so gefährlich wie die Sowjetunion am Höhepunkt ihrer Möglichkeiten im Kalten Krieg".

So sieht geopolitische Schizophrenie aus. Übrigens, wo ist die Rhetorik über die "bis zum Äußersten geschwächte" russische Armee und die "zu nichts fähige" russische Rüstungsindustrie geblieben?

Waffenlieferungen

Am bedeutendsten war bisher die gemeinsame Erklärung der Regierungschefs der USA, Rumäniens, Deutschlands, Italiens und der Niederlande über Lieferungen von Luftabwehrsystemen. Die drei Erstgenannten versprechen, "zusätzliche Patriot-Systeme" zu liefern. Die Niederlande liefern "Komponenten eines Patriot-Systems, die den Betrieb einer Batterie ermöglichen", Italien liefert ein SAMP/T-System. Zusätzlich wurden "dutzende" taktische Systeme der Typen NASAMS, HAWK, IRIS T-SLM, IRIS T-SLS und Gepard-Flakpanzer versprochen.

Hierbei sind folgende Details interessant: Erstens ist die NATO an einem Punkt angelangt, an dem nationale Armeen "entblößt" werden. Luftabwehrsysteme, vor allem die Patriots, werden aus vorhandenen Beständen abgegeben. Zweitens werden all diese Systeme peu à peu geliefert werden. In der Pressemitteilung ist von Monaten die Rede. Ein Teil muss noch hergestellt werden. Drittens gibt es dabei nichts Neues: All diese Systeme wurden bereits einmal an Kiew geliefert und von Russlands Streitkräften erfolgreich vernichtet.

Mehr noch, Behauptungen über die Notwendigkeit, die Luftabwehr der Ukraine zu stärken, zogen sich durch die gesamten Jahre 2022 und 2023. Die Rückkehr zum Thema der Luftabwehr legt den Gedanken nahe, dass sie trotz aller Bemühungen der NATO immer noch nicht gestärkt werden konnte.

Was bleibt am Schluss?

Die NATO beging ihr 75. Jubiläum im Zustand der wohl schärfsten Krise seit dem Kalten Krieg. Heute steht die Führung der Allianz vor einer strategischen Auswahl aus mehreren negativen Szenarien, genauso wie das ukrainische Militär auf dem Schlachtfeld.

Einerseits kann es sich die NATO nicht leisten, die Unterstützung Kiews einzustellen. Ein solcher Schritt führt unweigerlich zum Verlust des militärpolitischen Gewichts und möglicherweise gar zu einem Zerfall der Allianz. Wer braucht schon Verbündete, die Ausgaben von zwei Prozent des BIP fordern, aber keinen Schutz bieten?

Andererseits ist die NATO nicht mehr in der Lage, militärische Ergebnisse ausschließlich über ihre ukrainischen Proxys zu erzielen. Dies würde einen direkten Eintritt in den Konflikt gegen Russland bedeuten. Doch wie die Praxis und Jens Stoltenbergs Erklärungen zeigen, ist die Allianz dazu nicht bereit.

Kurz gesagt, sowohl der NATO als auch Kiew steht eine schwierige Wahl bevor, und es ist schwer vorherzusagen, wie diese ausfallen wird. Wir werden die Ereignisse weiter beobachten.

Übersetzt aus dem Russischen. Verfasst speziell für RT am 10. Juli.

Der anonyme Autor (oder das Autorenkollektiv) veröffentlicht auf dem Telegram-Kanal @Panzerwaffle eigene Kommentare sowie Kommentare Dritter zu militärischen Angelegenheiten nebst themenbezogenem Bild- und Videomaterial. Die Beiträge des Militärexperten werden auch von russischen Medien zitiert und geteilt.

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