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Neoliberal, diktatorisch, antisozial: Scholz empfängt ultrarechten argentinischen Staatschef

Hauptsache prowestlich: Während die Bundesregierung für Proteste "gegen rechts" wirbt, empfängt sie am Wochenende den ultrarechten argentinischen Präsidenten Javier Milei. Sie will wohl teilhaben am wirtschaftlichen Ausverkauf seines Landes. Denn das Kapital kennt keine "Brandmauern".
Neoliberal, diktatorisch, antisozial: Scholz empfängt ultrarechten argentinischen StaatschefQuelle: www.globallookpress.com © Manuel Cortina/Keystone Press Agency

Von Susan Bonath 

"Wir sind die Guten", lautet die Botschaft des politischen Establishments in Deutschland. Die selbst ernannte "demokratische Mitte" von den Ampel- bis zu den Unionsparteien kämpft, demonstriert und fördert mit viel Geld und Getöse Initiativen "gegen rechts". Sie moralisiert, diffamiert, zieht "Brandmauern" und cancelt. Tagein, tagaus fabuliert sie von "westlichen Werten", gern auch kriegerisch in aller Welt durchgesetzt.

Wie hohl die Botschaft ist, wird immer wieder deutlich. Nicht nur ukrainische Neonazis der Marken "Asow", "Centuria", "Rechter Sektor" und Co., deren SS-Runen zu verdecken mitunter nicht einmal den Öffentlich-rechtlichen gelingt, mutieren plötzlich zu "Demokraten", wenn es um "wertewestliche" Interessen geht.

Der Besuch des rechtsextremen argentinischen Präsidenten Javier Milei findet immerhin ohne militärische Ehren und Pressekonferenz statt.

Es winkt renditeträchtiger Handel, denn Milei verhökert gerade das öffentliche Eigentum Argentiniens an westliche Oligarchen. Kapitalinteressen kennen keine "Brandmauern".

Erst Hayek-Preis, dann Scholz-Empfang

Der selbst ernannte "Anarchokapitalist", wahlweise "Libertarist", der gerade erst im Stile des chilenischen Exdiktators Augusto Pinochet eine Art Ermächtigungsgesetz durch das argentinische Parlament gebracht hat, befindet sich auf Europareise. Vor der EU-Wahl reichten ihn dort die rechtesten Parteien herum, welche die Bundesregierung ansonsten stets scharf verurteilt.

In diesem Sinne beginnt Mileis Auftakt in Deutschland: Zunächst will ihm die Hayek-Gesellschaft – Friedrich-August von Hayek ist einer der Väter des modernen Neoliberalismus mit seinen marktradikalen und antisozialen Agenden – die ihm bereits verliehene "Hayek-Medaille" überreichen. Erst danach soll ihn Bundeskanzler Olaf Scholz empfangen.

Eigentlich war ein Empfang mit militärischen Ehren geplant. Spontan änderte die Bundesregierung allerdings diesen Plan und sieht zudem von einer Pressekonferenz ab. Es hätten sich "kurzfristige Änderungen ergeben", sagte laut der Springer-Zeitung Welt die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann.Milei absolviere nur einen "kurzer Arbeitsbesuch", kein "Antrittsbesuch, wie es zuvor hieß. Mutmaßlich war der Rückzieher öffentlicher Kritik geschuldet.

Marktradikal und antisozial: "Grüne Wende" mit Milei

Wie die Bundesregierung mitteilte, sollen "bilaterale und wirtschaftspolitische Themen im Mittelpunkt stehen". Sie liebäugelt offensichtlich mit einem günstigen Zugriff auf Argentiniens Lithiumbergbau. Das Land verfügt zusammen mit Chile und Bolivien über die drittgrößten Vorkommen dieses Batterierohstoffs für die sogenannte "grüne Wende".

So plant Milei unter anderem gemeinsam mit dem Milliardär und Twitter-Käufer Elon Musk bereits große Lithium-Projekte im Zusammenhang mit der "Förderung freier Märkte", also ihrer weiteren Neoliberalisierung inklusive Ausverkaufs des öffentlichen Eigentums.

Überdies dürfte es um den sogenannten "grünen Wasserstoff" gehen. "Das Land hat Potenzial, zu einem wichtigen globalen Produzenten und Exporteur von nachhaltiger Energie aufzusteigen", dies vor allem im Bereich Wasserstoff, heißt es etwa bei der Deutsch-Argentinischen Industrie- und Handelskammer.

Bereits im Februar eruierte eine argentinische Delegation in Brüssel mögliche gemeinsame Vorhaben. Kurz darauf vereinbarte diese in Berlin ein bilaterales Abkommen "zur Kooperation bei kritischen Rohstoffen" mit der Bundesregierung.

Ermächtigung, Ausverkauf und Sozialabbau

Führende deutsche Wirtschaftskreise dürften frohlocken über Mileis Agenda. Alles, was sie stets fordern, zieht Milei in Argentinien ohne Rücksicht auf die verarmende Bevölkerung im Eiltempo durch: Ausverkauf aller Gemeingüter an Privatiers mit US- oder zumindest Westbindung, totale Deregulierung der Märkte, Einstampfen von Arbeitsrechten für lohnabhängig Beschäftigte sowie Sozialabbau im großen Stil. Damit das schneller geht, hat Milei mit einer absoluten Mehrheit von nur einer Stimme das bereits erwähnte Ermächtigungsgesetz durchgedrückt.

Das Gesetz unter dem Titel "Ley Bases" legt vorerst für ein Jahr einen Notstand für die Verwaltung, die Wirtschaft, die Finanzen und die Energieversorgung fest. Dafür erhält Milei Vollmachten, um wichtige Entscheidungen am Parlament vorbei treffen zu können. Es beinhaltet überdies den Abbau grundlegender sozialer- und Arbeitsrechte für die Bevölkerung.

Über Mileis "soziales Kettensägenmassaker" regte sich jüngst sogar das IPG-Journal mächtig auf, dessen Herausgeber die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung ist. Das Gesetz beinhaltet demnach Geldentwertung, Rentenkürzungen, Entlassung staatlicher Angestellter, Teuerungsraten von bis zu 300 Prozent für Strom, Wasser und den öffentlichen Nahverkehr und sogar das Einstampfen von Suppenküchen. Die Armutsrate sei auf 55 Prozent geklettert, immer mehr Menschen litten Hunger, so IPG.

Politik und Wirtschaft frohlocken

Den SPD-Kanzler Olaf Scholz und seine grünen und liberalen Koalitionspartner scheint das argentinische "Radikal-Hartz-IV" inklusive Präsidentenermächtigung nicht sonderlich zu stören. Politische und staatliche Verfechter des westlichen neoliberalen Imperialismus geraten angesichts des argentinischen Kahlschlags geradezu in Verzückung. Die Sozialabbau-Agenda 2010 war für manchen wohl nur ein Probelauf.

So lobte beispielsweise jüngst die bundeseigene Außenwirtschaftsagentur "Germany Trade & Invest" (GTAI), Mileis "Ermächtigungsgesetz" unter dem Titel "Ley Bases" fördere "Großinvestitionen aus dem Ausland", da es "für 30 Jahre steuerliche, zollrechtliche und wechselkursbedingte Vergünstigungen gewährt".

Alle für das westliche Großkapital

Während die Konjunktur der regierungsamtlich gepushten "Demos gegen rechts" nicht abflaut, wo Politiker und sonstige Vertreter der selbst ernannten "demokratischen Mitte" eifrig gegen AfD, Putin, Russland und Co. wettern, hofiert also die Bundesregierung, die sich selbst als Vertreterin eben jener "Mitte" sieht, ultrarechten Antidemokraten.

Solch ein Gebaren ist allerdings nichts Neues im Westen mit seinen geheuchelten "Werten". Schon der chilenische Diktator Pinochet genoss seinerzeit nicht nur die helfende Hand Hayeks, sondern auch die tatkräftige Unterstützung des US-Imperiums und seiner NATO-Peripherie. Die "Chicago-Boys" in seinen Regierungsämtern lassen grüßen. Pinochets neoliberales Experiment beflügelte Ronald Reagan in den USA, Margaret Thatcher in Großbritannien und andere dem extremen Neoliberalismus frönende Führer.

Gebracht hat die marktradikale Pinochet-Dikatur dem argentinischen Nachbarland Chile allerdings vor allem eins: soziale Ungleichheit wie in kaum einem anderen Land – obszöner Reichtum auf der einen, extreme Armut auf der anderen Seite – bis heute!

Die "Brandmauer gegen rechts", die die Bundesregierung der Bevölkerung so rege aufzudrücken versucht, gelten also wieder einmal nicht für sie selbst. Das geht auch gar nicht anders, denn rechts steht das westliche Großkapital, gern mit Sitz in den USA, dessen Interessen sie vertritt. Milei gehört zu derselben Clique, die für sprudelnde Profite soziale "Kollateralschäden" gern in Kauf nimmt, egal, ob in Argentinien oder Deutschland.

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