"NATO kann uns nicht zwingen, in Russland zu töten" – Italien greift Stoltenberg an
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und andere Regierungsvertreter werfen NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor, die Spannungen mit Moskau zu verschärfen.
Stoltenberg hatte gesagt, es sei "an der Zeit", dass die NATO-Mitglieder ihre Politik überdenken und der Ukraine den Einsatz westlicher Waffen für Angriffe auf russisches Territorium gestatten.
"Ich weiß nicht, warum Stoltenberg so etwas gesagt hat, ich denke, wir müssen sehr vorsichtig sein", sagte Meloni am Sonntag gegenüber dem italienischen Fernsehsender Rai 3. Die Ministerpräsidentin betonte zwar, dass "die NATO standhaft bleiben und nicht das Signal geben muss, dass sie nachgibt", riet aber zu "größerer Vorsicht".
"Es gibt viele fragwürdige Äußerungen", fügte Meloni hinzu und erinnerte daran, wie sie den französischen Präsidenten Emmanuel Macron wegen seiner Äußerungen zur möglichen Entsendung von Truppen in die Ukraine gerügt hatte.
Unterdessen erklärte der stellvertretende Ministerpräsident und Verkehrsminister Matteo Salvini auf einer Wahlkampfveranstaltung am Sonntag, dass Stoltenberg "nicht im Namen des italienischen Volkes sprechen" könne.
"Die NATO kann uns nicht zwingen, in Russland zu töten, noch kann uns jemand zwingen, italienische Soldaten in die Ukraine zu schicken, um dort zu kämpfen oder zu sterben", sagte Salvini und argumentierte, dass Rom Kiew nur Waffen schicke, "um sich zu verteidigen", nicht aber, um "außerhalb seines Territoriums zu kämpfen, zuzuschlagen und zu töten."
An die Adresse Stoltenbergs gerichtet, sagte Salvini:
"Dieser Herr sollte entweder um Vergebung bitten, seine Äußerungen korrigieren oder zurücktreten."
Auch Außenminister Antonio Tajani betonte, dass die Waffen, die Italien nach Kiew schicke, nur "innerhalb der Ukraine" eingesetzt werden dürften.
Ruf nach Angriffen auf Russland wird lauter – Druck auf Biden und Scholz wächst
Doch im Westen wird der Ruf nach einem Einsatz der eigenen Waffen gegen Ziele in Russland immer lauter – beispielhaft dafür ist die heute auf der Frühjahrstagung der Parlamentarischen Versammlung der NATO angenommene Abschlusserklärung, die es Kiew erlaubt, Ziele auf russischem Gebiet mit NATO-Waffen anzugreifen.
Auch in den USA wächst der Druck auf Präsident Joe Biden, einer Verwendung etwa von ATACMS-Marschflugkörpern gegen Ziele in Russland zuzustimmen. So sagte der Sprecher des US-Repräsentantenhauses Mike Johnson am vergangenen Mittwoch, Kiew müsse es erlaubt sein, Ziele auf russischem Gebiet mit von den USA gelieferten Waffen anzugreifen. Washington sollte "der Ukraine erlauben, den Krieg so zu führen, wie sie es für richtig hält", so der Republikaner.
Zwei Tage zuvor hatte eine parteiübergreifende Gruppe von Kongressabgeordneten das Pentagon aufgefordert, die Beschränkung aufzuheben, da sie die Ukrainer daran hindere, "sich selbst zu verteidigen".
In Deutschland ist es vor allem der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, der den Einsatz deutscher Waffen wie dem Taurus-Marschflugkörper gegen Ziele tief in russischem Gebiet befürwortet. Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte er am Wochenende:
"Das Völkerrecht erlaubt es einem angegriffenen Staat, militärische Ziele im Land des Aggressors zu attackieren."
Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt den Einsatz deutscher Waffen gegen russisches Gebiet ab. Aber weniger aus rechtlichen Erwägungen, sondern vielmehr aus der begründeten Furcht vor einer massiven Eskalation – im Rahmen derer dann Deutschland von Moskau als Kriegspartei betrachtet würde.
Bei einem Bürgergespräch am Sonntag auf dem Demokratiefest in Berlin sagte Scholz dazu:
"Für die Waffenlieferungen, die wir bisher geleistet haben, haben wir klare Regeln, die mit der Ukraine vereinbart sind. Und die funktionieren."
Wegen seines Bemühens, Deutschland nicht direkt in den Ukraine-Konflikt zu verwickeln, hatte Hofreiter dem Kanzler vor einer Woche faktisch unterstellt, ein Agent Russlands zu sein, der Teil einer "Hidden Agenda" – also einer "verborgenen Agenda" – sei.
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