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Rainer Rupp: Plant Kiew bereits die nächste Frühjahrsoffensive?

Was steckt hinter den Gerüchten über eine neue Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte im Jahr 2024? Auch in deutschen Zeitungen geistern entsprechende Berichte von "Experten" herum. Das Fazit unseres Autors Rainer Rupp: Ein müdes Lächeln.
Rainer Rupp: Plant Kiew bereits die nächste Frühjahrsoffensive?Quelle: Gettyimages.ru © Oleksii Chumachenko/SOPA Images/LightRocket

Von Rainer Rupp

Plant die Ukraine für das kommende Jahr bereits die nächste Frühjahrsoffensive? Derzeit gibt es keine offiziellen Stellungnahmen zu diesem Thema – weder von der politischen Führung der Ukraine noch von der NATO-Führung noch von den Anführern des "kollektiven Westens". Selbst die Führung der ukrainischen Streitkräfte hat zu diesem Thema bisher nichts Konkretes gesagt. Mit anderen Worten: Die meisten Informationen über eine angebliche neue ukrainische Offensive im nächsten Frühling sind Gerüchte, die in den westlichen Kriegstreibern nahestehenden Medien als Wunschdenken verbreitet werden.

Die Aussagen ukrainischer Vertreter beschränken sich im Allgemeinen auf Forderungen nach neuen Waffenlieferungen und auf Beschwerden, über akute Mangel an Munitionsvorräten, weil der Westen mit den versprochenen Lieferungen nicht nachkommt. Die Kommunikation aus Kiew an den Westen lässt sich auf folgende Aussage reduzieren: "Wir würden ja gerne weiter angreifen, aber wir haben nicht genug Material." Und dann folgt eine lange Liste von Waffen und militärischer Ausrüstung.

Angesichts des starken Rückgangs der militärischen Lieferungen aus Europa, des aktuellen Stopps ebendieser aus den USA – wahrscheinlich bis Februar nächsten Jahres – und gestiegener Unsicherheit über eine Wiederaufnahme der massiven Unterstützung Washingtons für die Monate danach ist es schwierig, über die Aussichten neuer Offensivpläne der ukrainischen Streitkräfte im Jahr 2024 zu bewerten.

Woher kommen die Berichte über angeblich neue ukrainische Gegenoffensivpläne? In der Regel handelt es sich dabei um private Meinungen von angeblichen "Experten" und Journalisten, die zunehmend verzweifelt den US/NATO-Stellvertreterkrieg mit neuem Elan wieder anheizen wollen.

In der deutsche Tageszeitung Die Welt bespielsweise argumentiert der Sicherheits- und Krisenexperte Alfred Hackensberger in seinem Artikel vom 15.12.2023 unter dem Titel "Ukraine-Krieg: 95 Prozent unbenutzte Waffen – kann Kiew den Krieg noch gewinnen?", dass die Ukraine wahrscheinlich (!) Ressourcen für eine neue Gegenoffensive im nächsten Jahr sammelt. Die ukrainische Gegenoffensive der vergangenen fünf Monate sei zwar "klar zum Stillstand gekommen und der Westen zögert mit seiner Unterstützung. Doch ist die Lage an der Front wirklich so hoffnungslos? Nicht unbedingt. Es deutet sich an, dass Kiew einen Plan vorbereitet."

Worauf stützt sich eine solche Meinung? Eigentlich nur auf heiße Luft. In dem Artikel werden hypothetische Militäroptionen der Ukraine beschrieben, wie eine neue Gegenoffensive aussehen könnte, und welche Bedingungen dazu erfüllt sein müssten, damit sie erfolgreich wäre.

Als Quellen gibt Hackensberger Daten an, die auf der proukrainischen Open-Source-Webseite Oryx veröffentlicht wurden. Es waren diese komplett verzerrten Oryx-Daten, auf die sich westliche Mainstream-Medien und Thinktanks (Denkfabriken) im Bereich Verteidigung und Sicherheit maßgeblich gestützt hatten, als sie Anfang 2023 den absolut sicheren Sieg der Ukraine und die Eroberung der Krim-Halbinsel im Rahmen der geplanten Frühlings-Offensive voraussagten. Wegen vieler Probleme kam diese aber erst mit dreimonatiger Verspätung im Verlauf des Sommers und des Herbstes zustande.

Es waren diese, absichtlich jenseits jeglicher Realität manipulierte OSINT-Daten, die in Erwartung der Offensive der ukrainischen Streitkräfte die Politiker und Presstituierten des kollektiven Westens in einen Kriegs- und Siegesrausch versetzten. Dabei hätte diese Offensive bei einer realistischen Einschätzung der Lage nie stattfinden dürfen. Denn trotz unvorstellbaren ukrainischen Verlusten an Menschen und Material konnte die ukrainische Führung weder ihre militärischen noch ihre politischen Ziele auch nur annähernd erreichen.

Auch für den Westen ist die komplett gescheiterte ukrainische Offensive, die man bestenfalls als "dynamischen militärischen Stillstand" beschreibt, eine einzige politische Katastrophe. Gleiches gilt für das technologische Prestige der eingesetzten westlichen Wunderwaffen, die keine der in sie gesetzten Erwartungen erfüllten, weil die Russen entweder bereits die Gegenmittel hatten oder diese in kürzester Zeit, oft innerhalb von Tagen, entwickelten.

Und dennoch haben die medialen Kriegstreiber nichts dazu gelernt. Sie nutzen weiterhin die fake-OSINT-Daten und verbreiten die Bellingcat-Narrative über erfundene Riesenverluste der russischen Streitkräfte und deren mangelnde Kampfbereitschaft, während gleichzeitig die ukrainischen Soldaten und ganz allgemein die Kampffähigkeiten der Streitkräfte der Ukraine maßlos überschätzt werden. Diese Herangehensweise hat sich jedoch als zweischneidiges Schwert erwiesen. Bereits im Juni 2023 konnten sich diese falschen Narrative angesichts der Realität, nämlich der erfolgreichen Operationen der russischen Streitkräfte, nicht länger halten, wodurch gelinde gesagt die Glaubhaftigkeit westlicher Medien und Politiker hauptsächlich in der nicht westlichen Öffentlichkeit stark gelitten hat.

Bemerkenswert ist, dass unmittelbar nach dem Scheitern der ukrainischen "Gegenoffensive" das Oryx-Projekt hastig geschlossen und alle Veröffentlichungen auf dem respektiven Twitter-Account mit den Informationen über die angeblich tollen Erfolge der ukrainischen Offensive gelöscht wurden. Zuvor hatte das vom britischen Geheimdienst gesteuerte Projekt immer wieder mit wahnhaften Aussagen über das Versagen der Russen geglänzt, die von westlichen, auch deutschen Presstituierten, folgsam verbreitet wurden.

Vor diesem Hintergrund kann man über Gerüchte von einer "zweiten ukrainischen Offensive" nur müde lächeln. Tatsächlich herrscht aktuell im westlichen Medienzirkus Chaos, verursacht sowohl durch die Unsicherheit über das zukünftige Schicksal des Regimes in Kiew und der Ukraine als Ganzes als auch durch einen kritischen Mangel an verlässlichen Daten, die offen proukrainische Quellen bisher nicht geliefert haben und auch sicherlich in Zukunft nicht liefern werden.

Mehr zum Thema - Was ist "Rechts" und was ist "Links", Teil I; Teil II

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