G20 – Westen sät sinnlos Zwietracht im globalen Süden zum Erhalt "regelbasierter" Weltordnung
Von Dmitri Jewstafjew
Der zu Ende gegangene G20-Gipfel wird vor allem deshalb in den Köpfen bleiben, weil er den Zwischenstand der internationalen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen veranschaulicht hat. Die Zeit wenn nicht der Dominanz des Westens, dann der Grundstimmung der Jasagerei ihm gegenüber, wie sie vor nicht allzu langer Zeit die Durchsetzung antirussischer Resolutionen ermöglichte, ist bereits jetzt vorbei. Und das sieht man nicht nur und auch nicht einmal so sehr an dem Mangel an direkter Unterstützung für die Ukraine.
Allerdings erklang auf dem Gipfel auch die Idee des Aufbaus einer neuen Welt – einer Welt souveräner Staaten, die auf dem BRICS-Gipfel in Johannesburg verkündet wurde – nicht in voller Lautstärke: Sie stieß auf den erbitterten Widerstand der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten.
Wir sollten jedoch drei wichtige Umstände beachten, die auf dem Gipfel zutage traten
- Der G20-Gipfel hat den Vorrang des Völkerrechts als Grundlage der zwischenstaatlichen Beziehungen bestätigt. Darin lag die wichtigste Niederlage des "geeinten Westens": Er hat keine Chancen mehr, das Modell einer "regelbasierten Weltordnung" zu legalisieren. Einer Weltordnung gegründet auf "Regeln", die von Washington je nach politischen Zielen ad hoc und willkürlich mittels jeder internationalen Struktur, in der die USA nicht unmittelbar alles dominieren (wie etwa die NATO), geschaffen und aktualisiert werden. Diese "Welt der Regeln" ist nunmehr zu einem Verhaltensmodell verkommen, das nur für die westlichen Länder und ihre Satelliten gilt.
- Es gibt einen auffälligen Widerspruch: Die Abschlusserklärung der Organisation, die ihren Schwerpunkt auf die Lösung wirtschaftlicher Probleme legt, besteht größtenteils aus politisch bedeutsamen Aussagen. Durchaus verständlich, denn die moderne Welt ist in das Zeitalter der Untrennbarkeit wirtschaftlicher Fragen von politischen eingetreten. Vor der gleichen Herausforderung stehen auch die BRICS-Staaten.
- Die Stimmung auf dem G20-Gipfel war von der Furcht vor einer Verschlechterung der Weltwirtschaftslage geprägt. In den Ländern des "Nicht-Westens", selbst in denen, die am stärksten in die Weltwirtschaft integriert sind, herrscht die Überzeugung: Der kollektive Westen, angeführt von den Vereinigten Staaten, ist zu allem bereit, um sein Überleben zu sichern, das er heute weitestgehend mit einem "Sieg" über Russland verknüpft. Und dergestalt des gesunden Menschenverstandes verlustiggehend ist er in der Lage, auch eine globale Wirtschaftskrise zu provozieren.
Vielleicht sogar absichtlich.
Der westliche Mangel an Bereitschaft, auch nur einen halben Schritt vom Abgrund der weltwirtschaftlichen Katastrophe zurückzutreten (falls jemand das Offensichtliche übersehen haben sollte: Sie wird global einschlagen, da Weltwirtschaft) und beispielsweise den Welternährungshandel zu normalisieren, hat anscheinend viele Teilnehmer des Gipfels beeindruckt.
Besonders wichtig war aber das Hauptthema des G20-Gipfels in Neu-Delhi, wie auch beim BRICS-Gipfel in Johannesburg – nämlich der Kampf um Einfluss im globalen Süden. Verfrüht wäre der Glaube, dass die USA und der Westen ihre Niederlage im Kampf um Einfluss in dieser Weltregion eingestanden haben: Trotz einiger schmerzhafter Rückschläge gelang es den USA, auf dem G20-Gipfel die Unterzeichnung eines Memorandums über die Schaffung des Wirtschaftskorridors IMEC (Indien-Mittlerer Osten-Europa) durchzupeitschen, der nach Ansicht Washingtons eine Alternative sowohl zur Großen Seidenstraße als auch zum Nord-Süd-Korridor darstellen soll. Klar, von einer politischen Erklärung, die von den USA, der EU, Saudi-Arabien und Indien unterzeichnet wurde, bis zur praktischen Umsetzung des Konzepts ist es noch ein weiter Weg.
Dafür tritt hierdurch der Wunsch umso deutlicher zutage, unter Ausnutzung der Widersprüche zwischen verschiedenen Ländern, vor allem China und Indien, die Einheit der Herangehensweisen des globalen Südens an die eigene Entwicklung zu zerstören.
Und hier zeigt sich die Hauptlinie der modernen US-Diplomatie: den Rückgang des politischen Einflusses durch Manipulation und das Ausspielen einiger Länder gegen andere zu kompensieren.
Und schließlich hat der G20-Gipfel in Delhi auch gezeigt, dass ohne Russland und sein wirtschaftliches, militärisches und politisches Potenzial, ohne seine Fähigkeit, die Vereinigten Staaten auf der Ebene der (wie man im Westen zu sagen pflegt) Narrative, der Visionen von der Zukunft der Welt, zu konfrontieren – ohne das alles kann der Aufstieg des Globalen Südens leicht ausarten. Im besten Fall zu einem Propagandarummel mit minimalen praktischen Ergebnissen, und im schlimmsten Fall zu einer Konfrontation zwischen verschiedenen Kräften, die die Führung beanspruchen.
Übersetzt aus dem Russischen.
Dmitri Jewstafjew ist ein russischer Politologe (Amerikanist). Er ist Doktor der Politikwissenschaften und lehrt am Institut für Medien der Wirtschaftshochschule Moskau. Jewstafjews Spezialisierung sind militärpolitische Fragen der nationalen Sicherheit Russlands, der Außen- und der Militärpolitik der USA und der regionalen Probleme der Kernwaffen-Nichtverbreitung. Er ist Koautor wissenschaftlicher Monographien und zahlreicher Artikel.
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