Christian, go home – und dreh dich nie wieder um!
Von Marinko Učur
Es scheint, dass die Lage auf dem Balkan noch komplizierter wird, nicht nur im Kosovo, sondern auch in Bosnien und Herzegowina. Der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) beschloss aus seiner Position als Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina und als Leiter des Amts des Hohen Repräsentanten, die Republika Srpska, eine der beiden Entitäten des Landes, zu disziplinieren. Bedenkt man nämlich, dass Schmidt im UN-Sicherheitsrat nicht bestätigt wurde, weil Russland und China, zwei ständige Mitglieder des Sicherheitsrats, mit seiner Ernennung nicht einverstanden waren, erkennen ihn die Behörden der Republika Srpska nicht an und erleben ihn nur als "deutschen Touristen Schmidt".
Nachdem der Deutsche in die Rolle eines Gesetzgebers schlüpfte und gesetzliche Lösungen aufoktroyierte, die in die verfassungsrechtlich Zuständigkeiten der Republika Srpska eingreifen, bildete sich eine starke Front gegen ihn. Es geht so weit, dass ihm mitgeteilt wird: "Herr Schmidt, go home!" In der Stadt Banja Luka sind Transparente aufgetaucht, auf denen der ausländische Gouverneur Schmidt mit seinem Landsmann Adolf Hitler gleichgesetzt wird.
Der Konflikt zwischen Schmidt und der Republika Srpska ist nicht neu. Er schwelt seit dem 1. August 2021, als der deutsche Politiker als Nachfolger des Österreichers Valentin Inzko zum Leiter des Amts des Hohen Repräsentanten (OHR) ernannt wurde. Ihm wird vorgeworfen, dass er die Unterstützung des UN-Sicherheitsrates im verfahrenstechnischen Sinne nicht sichergestellt hat, da alle seine Vorgänger ausnahmslos im Konsens im Sicherheitsrat ernannt worden seien. Die Anmerkungen der Serben wurden jedoch beharrlich ignoriert, und er war in den Augen der Republika Srpska stets der "sogenannte Hoher Repräsentant".
Zur Erinnerung: China und Russland lehnten seine Ernennung grundsätzlich ab, weil diese Länder der Ansicht sind, dass Bosnien und Herzegowina ein Vierteljahrhundert nach dem Bürgerkrieg sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und sich von der internationalen Bevormundung befreien muss. Doch Schmidt präsentiert sich, unterstützt von Brüssel und Washington, weiterhin als "Hoher Repräsentant", der weder von einem ganzen Volk noch von der Hälfte des Landes anerkannt wird. Es ist ihm offensichtlich wichtig, von seinen westlichen Mentoren anerkannt zu werden, und deshalb haben sich die Spannungen zwischen Schmidt und der Republika Srpska verschärft. Aufgrund der tragischen Erfahrungen mit den Deutschen in der Vergangenheit und im Zweiten Weltkrieg stehen Serben den guten Absichten Deutschlands im Allgemeinen misstrauisch gegenüber und serbische Beamte stellen dies oft in den Vordergrund. Dies gilt umso mehr, da sie den deutschen Politiker als Befürworter einer unitaristischen Politik aus Sarajevo wahrnehmen, die die verfassungsmäßige Ordnung der Republika Srpska im Bosnien und Herzegowina von Dayton untergraben will. Das Aufdrängen eines Gesetzes ohne parlamentarisches Verfahren und der Versuch, das Eigentum der Republika Srpska einzuziehen, waren der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und Schmidt zu einer unerwünschten Person in der Republika Srpska machte.
Aus diesem Grund hat der Präsident der Republika Srpska Milorad Dodik eine Strafanzeige gegen Schmidt eingereicht, weil er, wie Dodik feststellt, "sich seit Langem unbefugt mit den Angelegenheiten des Hohen Repräsentanten befasst, mit der Absicht, der Republika Srpska Schaden zuzufügen, indem er sich fälschlicherweise als Beamter ausgibt, obwohl er weiß, dass er nicht in Übereinstimmung mit Anhang 10 des Friedensabkommens von Dayton ernannt wurde". Dodik verweist auf die Artikel 310 und 313 des Strafgesetzbuches der Republika Srpska, die Falschdarstellungen behandeln.
"Es ist unbestreitbar, dass der Hohe Repräsentant ein Auslöser von Konflikten und Missverständnissen in Bosnien und Herzegowina ist. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass er kein gesetzliches Amt innehat. Den einschlägigen Entschließungen des UN-Sicherheitsrates zufolge existiert in BIH kein Hoher Repräsentant. Dennoch gelang es mächtigen Ländern, Schmidt in das Amt des Hohen Repräsentanten zu installieren, ungeachtet der Tatsache, dass er über keine Rechtsgrundlage verfügt. Deshalb kommt es zu zyklischen Wiederholungen von Krisen. Das Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina ist zudem die einzige Institution, die nicht auf den Grundlagen Daytons beruht – dem Konsens zweier Einheiten und drei Völker. Dort dominieren drei Ausländer, die zusammen mit zwei Bosniaken die Serben und Kroaten überstimmen. Das ist die Ursache aller Probleme", sagt der Sprecher des Parlaments der Republika Srpska Nenad Stevandić und befürchtet, "dass es ein verstecktes Ziel gibt, über die geopolitische Achse – hier vertreten durch die US-Amerikaner und Briten, das OHR und die ausländischen Richter – eine Vormachtstellung der Bosniaken auszuhandeln. Aber das kann und wird nicht auf Kosten der anderen beiden Völker geschehen und kann nur mit Gewalt geschehen."
Man hat den Eindruck, dass BIH in eine schwere Krise gerät, insbesondere nachdem die Nationalversammlung der Republika Srpska zwei Gesetze erlassen hat, mit denen sie die auferlegten Entscheidungen des Hohen Repräsentanten und des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina abgewiesen hat. Beide Gesetze wurden von Christian Schmidt außer Kraft gesetzt, doch das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Als nicht gewählter und unbestätigter internationaler Beamter ordnete Schmidt an, dass seine Entscheidungen im "Amtsblatt" der Republika Srpska veröffentlicht werden, um rechtskräftig zu werden und Vorrang vor den Gesetzen der Republika Srpska zu haben. Natürlich akzeptierten die Entitätsbehörden dies nicht, sondern veröffentlichten im vorgenannten Amtsblatt einen Erlass des Präsidenten der Republik, durch welche die parlamentarischen Gesetze über die Ungültigkeit der Entscheidungen von Schmidt rechtskräftig wurden.
Jetzt ist ein Nervenspiel im Gange, und beide Seiten versuchen, ihre Vormachtstellung in einem solchen Spiel zu beweisen, das Bosnien und Herzegowina als internationales Protektorat darstellt, das nicht in der Lage ist, seine Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Nicht nur im Fall Schmidt, sondern auch im Fall des gesamtstaatlichen Verfassungsgerichts, an dem ausländische Richter mit einem Drittel der Stimmen teilnehmen und häufig kontroverse Entscheidungen treffen, gegen die die Republika Srpska grundsätzlich Einwände hat. Oftmals wurden Entscheidungen durch Überstimmen getroffen, im Prinzip mit Serben und Kroaten auf der einen Seite und Bosniaken und Ausländern auf der anderen Seite.
So kam es dazu, dass Bosnien und Herzegowina 28 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs auf der Stelle tritt.
Russland hat als Unterzeichner des Friedensabkommens von 1995 bisher immer wieder auf die Notwendigkeit der Befreiung Bosnien-Herzegowinas von Ausländern hingewiesen und sich grundsätzlich für die Schließung des OHR-Büros und für die Überlassung der Entscheidungsfindung über ihre eigene Zukunft an inländische Politiker ausgesprochen. Aber bisher blieb Russland mit diesen Vorschlägen meist allein, und heute haben wir eine Lage, in der Ausländer Sarajevo Entscheidungen und Lösungen aufdrängen, die nicht den Bedürfnissen und Erwartungen aller Völker des Dreiländerstaats entsprechen.
Schmidt war früher auch in der Bundesregierung oft "Freischütz" gewesen und hatte Entscheidungen umgesetzt, die im Widerspruch zur Politik seiner damaligen Chefin Angela Merkel standen. In Erinnerung bleibt seine autoritäre Aussage, dass "wer seine Entscheidungen nicht selbst trifft, niemandem gegenüber einen Groll hegt". Deshalb wurden Schmidts Temperament und seine kontroversen Entscheidungen in der Republika Srpska aufs Schärfste angegriffen, und deshalb erschienen in der größten Stadt der Republika Srpska, Banja Luka, Transparente mit dem Gleichheitszeichen zwischen Schmidt und Hitler. Christian, go home, so hilfst du diesem Land und seinen Völkern und Bürgern am besten!
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