Eklat beim Gipfel? Warum Schwedens NATO-Beitritt höchst ungewiss ist
Von Rainer Rupp
US-Zeitungsberichten zufolge will Biden mit der NATO-Erweiterung um Finnland und Schweden ein Vermächtnis schaffen. Daher tue er alles, um am 11. und 12. Juli beim Gipfel in Vilnius die Aufnahme Schwedens in die NATO durchzusetzen. Dazu habe Biden laut Washington Post vom 3. Juli eine Reihe von Treffen gehabt und weitere seien geplant. Schließlich gehe es auch in Vilnius darum, möglichst "viele Länder in den Kampf gegen Russland noch stärker einzubinden" und die NATO in ihrer Rolle bei der Unterstützung der Ukraine als vollkommen geeint zu präsentieren.
"Im Kern geht es um die Frage, ob er die Türkei und Ungarn davon überzeugen kann, ihre Einwände gegen die Aufnahme Schwedens in das mächtigste Verteidigungsbündnis der Welt fallen zu lassen",
schrieb die Washingtoner Hauspostille des Biden-Kriegstreiber-Clans.
Mit der Beschreibung "mächtigstes Verteidigungsbündnis der Welt" erweisen sich die Schreiberlinge der einst respektablen Zeitung Washington Post als mediale Traumtänzer, die offensichtlich immer noch nicht erkannt haben, dass nicht nur die Ukraine, sondern auch die NATO in der Ukraine in ihrem Stellvertreterkrieg von Russland weitgehend entwaffnet und in der konventionellen Kriegsführung als Papiertiger entlarvt worden ist.
Gleichwohl begrüßte Biden am Mittwoch, dem 5. Juli, den schwedischen Premierminister Ulf Kristersson im Oval Office. Dazu hatte das Weiße Haus verlautbaren lassen, dass Biden bei dieser Gelegenheit "Amerikas begeisterte Unterstützung für die Aufnahme Stockholms in die NATO so schnell wie möglich" bekräftigt habe. Tatsächlich aber dürfte die Welt eher darauf gespannt gewesen sein, mit welchem unsinnigen Gebrabbel oder verwirrtem Auftreten der senile US-Präsident diesmal von sich reden machen würde.
Einen Tag zuvor, am Dienstag, war Joe Biden bei den öffentlichen Feierlichkeiten zum 4. Juli verloren auf der Bühne herumgewandert, nachdem er sich mühsam durch seine Teleprompter-Rede gestottert hatte. Als es dann Zeit für Onkel Joe war, wieder ins Bett zu gehen, passierte es erneut. Mit dem Rücken zum Publikum, einer unsichtbaren Person zugewandt, die offensichtlich nur in seiner Einbildung existierte, sagte er:
"Ich nicht, Mann! Ich möchte ihm 'Hallo' sagen."
Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu:
"Du versuchst mich von der Bühne zu holen, Du hast Angst, ich würde anfangen zu singen."
Was die geplante Aufnahme Schwedens Anfang nächster Woche betrifft, haben die Amerikaner und ihre Top-Vasallen in Europa jedoch ein Problem, denn alle 31 NATO-Mitglieder müssen die Aufnahme eines jeden neuen Mitglieds genehmigen. Dabei ist zu bedenken, dass das zentrale Beistandsversprechen des Blocks in Artikel 5 der NATO-Charta weitreichende und unabsehbare Folgen für jedes Mitglied haben kann.
Finnland mit seiner über 1.000 Kilometer langen Grenze mit Russland ist bereits im April dem Block beigetreten. Damit hat Helsinki seine langjährige, politisch und wirtschaftlich sehr erfolgreiche Neutralitätspolitik aufgegeben und gegen die Mitgliedschaft in der Nord-Atlantischen-Terror-Organisation eingetauscht, die in der Ukraine einen politisch, wirtschaftlich und militärisch zunehmend selbstzerstörerischen Krieg gegen Finnlands Nachbarn Russland führt. Dass dies keine besonders kluge Entscheidung war, liegt auf der Hand. Angesichts des unabwendbaren Niedergangs des US/NATO-Blocks dürfte der Beitritt zur NATO schon in wenigen Jahren in Helsinki als Fehler von historischer Tragweite eingeordnet werden.
Was den Beitritt Schwedens betrifft, so hoffen die USA weiterhin, dass Ankara und Budapest im letzten Augenblick doch noch ihren Widerstand gegen die Aufnahme Schwedens fallen lassen, sodass der Block in Vilnius Einheit demonstrieren kann.
"Der Präsident ist sehr optimistisch, dass sie es tun werden, und wir freuen uns darauf, die Schweden in der Allianz willkommen zu heißen", sagte John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, am 26. Juni. "Die Gespräche zwischen Schweden und der Türkei gehen weiter. Wir fördern diesen Dialog."
Aber der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan winkte ab und verwies darauf, dass Schweden noch nicht genug getan hat, um gegen Gruppen vorzugehen, die er als Sicherheitsbedrohung ansehe, einschließlich der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), die zwar offiziell von den USA und Europa als Terrororganisation eingestuft, von ihnen aber indirekt über die Kurden-Organisation in Nord-Ost-Syrien mit Waffen und Geld unterstützt würden.
Zugleich forderte Erdoğan, dass Schweden auch mehr gegen Einzelpersonen und Gruppen unternimmt, wie zum Beispiel gegen die Güllen-Bewegung, die er beschuldigt, den blutigen, aber gescheiterten Putsch gegen ihn im Jahr 2016 organisiert und unterstützt zu haben.
In der vergangenen Woche hat Erdoğan auch im Ausland lebende Mitglieder von türkischen Oppositionsbewegungen mit einem Protest gegen Koranverbrennungen in Stockholm in Verbindung gebracht. Diese antiislamische Provokation war aus Gründen der Meinungsfreiheit amtlich genehmigt worden und hatte unter dem Schutz der schwedischen Polizei stattgefunden. Das alles geschah kurz nachdem die Türkei und Schweden vereinbart hatten, ihre Differenzen zu erörtern, mit dem Ziel eine Lösung zu finden.
Da war es kein Wunder, dass die Wogen der Empörung in der Türkei hochschlugen:
"Diejenigen, die dies unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit zulassen und die Augen vor dieser Bösartigkeit verschließen, sowie diejenigen, die dieses Verbrechen begangen haben, werden ihre Ziele nicht erreichen",
erklärte Erdoğan.
Im US-Außenministerium verurteilte der Sprecher Matt Miller am Donnerstag letzter Woche die Koranverbrennung, unterstützte jedoch zugleich das Recht, im Rahmen der Meinungsfreiheit den Koran zu verbrennen. Dann belehrte er die Türkei, es sei an der Zeit, dass sie ihren Widerstand aufgebe. Gegenüber Reportern sagte Miller:
"Schweden hat eine Reihe bedeutender und wichtiger Schritte unternommen, um auf die von der Türkei geäußerten Bedenken zu reagieren. […] Wir glauben, dass diese Schritte ausreichen sollten, um diese Bedenken auszuräumen, und dass es an der Zeit ist, Schweden zum vollständigen NATO-Beitritt zu bewegen."
Auch der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Jake Sullivan, telefonierte letzte Woche mit einem hochrangigen Erdogan-Berater und forderte ihn auf, Schweden "so schnell wie möglich zuzulassen". Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist mit von der Partie, um Druck auf die Türkei auszuüben. Für Donnerstag, den 6. Juli, hat er angekündigt, hochrangige Beamte aus der Türkei, Schweden und Finnland zu Gesprächen zusammenbringen, um die Sackgasse zu überwinden.
Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán steht der Mitgliedschaft Schwedens im Weg. Das ungarische Parlament hat kürzlich eine Abstimmung über die NATO-Mitgliedschaft Schwedens auf ihre Herbst-Legislaturperiode verschoben. Derweil hat Orbán schwedische Regierungsbeamte beschuldigt, "eklatante Lügen über Ungarn zu verbreiten", offenbar ein Hinweis auf die Kritik des angeblichen "demokratischen Rückfalls" Ungarns. Ein Vorwurf, mit dem die demokratisch nicht gewählten Eurokraten in Brüssel Stimmung gegen den ungarischen Präsidenten machen, nur weil der die Interessen des ungarischen Volkes über die der EU-Bürokraten setzt.
So hat Ungarn Anfang Juni gemeinsam mit Griechenland das elfte Paket von EU-Sanktionen gegen die Russische Föderation blockiert und gefordert, die Liste der sanktionierten Unternehmen zu reduzieren. Ende letzten Monats habe die Orbán-Regierung erneut eine Tranche der EU-Militärhilfe für die Ukraine blockiert, berichtete Reuters am 26. Juni. Fairerweise verwies die britische Nachrichtenagentur auch auf die Gründe für die berechtigte Verärgerung in Budapest hin. Die größte ungarische Bank (OTP) wurde von der Selenskij-Regierung auf die Liste der sogenannten "Internationalen Sponsoren des Krieges" gesetzt und entsprechend sanktioniert, nur weil diese Bank weiterhin Ungarns Handelsgeschäfte mit Russland abwickelt.
Mehr als nur verärgert ist der ungarische Staatschef auch darüber, dass die rechtsextremen ukrainischen Nationalisten und Faschisten die ungarische Minderheit von 200.000 Menschen in den Karpaten an der Grenze zu Ungarn genauso wie die Russisch sprechenden Menschen im Donbass als Bürger zweiter Klasse behandeln. Auch der ungarischen Minderheit hat Kiew per Gesetz unter anderem die Benutzung ihrer eigenen Sprache unter Strafe verboten. Zugleich aber werden die jungen Männer der Region von Greiftrupps der ukrainischen Armee mit Gewalt zwangsrekrutiert, um sie dann an den gefährlichsten Stellen der Front gegen Russland zu verheizen.
Zu einem weiteren Eklat kam es am 29. Juni beim EU-Gipfel der Staatschefs und Präsidenten in Brüssel. Dort sprach sich Orbán gegen den Plan der EU-Kommission aus, die Ukraine mit weiteren 50 Milliarden Euro finanziell zu unterstützen. Allerdings hatte die EU ihr Haushalts-Budget mit den bereits sehr großzügig geleisteten Militär- und Finanzhilfen an den korrupten Selenskij-Klan geleert und forderte von den Mitgliedsländern die Überweisung von Abermilliarden Euro in die EU-Kasse, um so die Ukraine weiter über Wasser zu halten. Diese Forderung der Brüsseler Eurokraten beantwortete Orbán wie folgt:
"Eines ist klar, wir Ungarn … werden der Ukraine kein mehr Geld geben, solange sie nicht offengelegt haben, wohin die bereits gezahlten 70 Milliarden Euro geflossen sind."
Zugleich betonte er sein Unverständnis für diese absurde Forderung aus Brüssel, denn die Ungarn zustehenden Gelder aus den EU-Fonds werden von den Eurokraten blockiert, weil Ungarn angeblich nicht demokratisch genug sei. Zugleich aber würden diese demokratisch nicht gewählten Demokratie-Wächter in Brüssel verlangen, dass Ungarn Milliarden Euro in einen EU-Fonds einzahle, um damit die faschistoide Ukraine zu unterstützen, in der die Selenskij-Regierung sämtliche Oppositionsparteien verboten und viele Oppositions-Politiker, die sich nicht rechtzeitig ins Exil retten konnten, ins Gefängnis geworfen habe.
Wie wir sehen, ist die Demokratie, die vom US/NATO-Block in der Ukraine gegen die Russen verteidigt wird, auch bei den Eurokraten in Brüssel in guten Händen.
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