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Ministerium: Russland stellt zwei neue Armeen auf

Bis Ende des Jahres will Russland zwei neue Armeen, zwei Wehrkreise und einen Marinedistrikt bilden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Experten vermuten die Vorbereitung auf eine längere Konfrontation mit der NATO und erklären, wie die Aufstellung der neuen Verbände bewältigt werden kann.
Ministerium: Russland stellt zwei neue Armeen aufQuelle: Sputnik © Konstantin Michaltschewski

Eine Analyse von Andrei Restschikow

Im laufenden Jahr sollen in Russland eine allgemeine und eine Luftarmee, ein Armeekorps, fünf Divisionen und 26 Brigaden aufgestellt und der Asowsche Marinedistrikt sowie die Wehrkreise Moskau und Leningrad eingerichtet werden. Dies schrieb der stellvertretende Generalstabschef Russlands, Generaloberst Jewgeni Burdinski, in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift des Verteidigungsministeriums Wojennyje komissariaty Rossii (Militärkommissariate Russlands).

Dem Generaloberst zufolge erfordern die Pläne zur Vergrößerung der Streitkräfte einen organisierten Aufbau von Personal, dessen Unterbringung und Versorgung. Diese Maßnahmen sollen synchronisiert werden mit der Übergabe der Hauptbewaffnung, des Militärgeräts, der Spezialtechnik und anderer materieller Mittel. Darüber hinaus erlaubte die Teilmobilmachung die Aufstellung von über 280 Einheiten und Verbänden.

"Die Aufstockung des Personals sollte mit dem Aufbau neuer Einheiten und ihres Kommandosystems einhergehen. Um diesen Beschluss auszuführen, verkündete die Hauptverwaltung des Generalstabs für Organisation und Mobilisation, dass entsprechende Strukturen gebildet werden", erklärte der Chefredakteur der Zeitschrift Natsionalnaja oborona (Nationale Verteidigung), Igor Korotschenko.

Ihm zufolge sollen die neuen Einheiten in einen entsprechenden Führungskreis eingegliedert werden. "Daher kommt die neue Organisationsstruktur, die Bildung von zwei neuen Wehrkreisen – Moskau und Leningrad, die zuvor abgeschafft worden waren. Heute wurde unter Berücksichtigung der Entstehung neuer Risiken und Bedrohungen die Entscheidung getroffen, dass jeder der neuen Wehrkreise einen entsprechenden Abschnitt decken und bereit sein wird, Kämpfe am entsprechenden Kriegsschauplatz zu führen", fügte Korotschenko hinzu.

"Berichtigung der Fehler der Vergangenheit"

Die Bildung der Wehrkreise Moskau und Leningrad hatte der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu noch Ende vergangenen Jahres angekündigt. Diese Notwendigkeit begründete er mit dem Bestreben der NATO, ihr militärisches Potential in der Nähe der russischen Grenzen zu steigern und die Allianz um Finnland und Schweden auszuweiten. Der Minister schlug außerdem vor, ein Armeekorps in Karelien aufzustellen.

Dabei werden die Personalstärke der neuen Verbände, ihre Bewaffnung und andere Parameter von dem Zuständigkeitsbereich abhängen, die der Oberbefehlshaber und der Generalstab bestimmen werden. "Zunächst muss man prüfen, woher die Ressourcen für diese Armee kommen werden, wenn man unter anderem die im Krieg gebundenen Ressourcen miteinbezieht. Dies ist ein sehr komplizierter Prozess im Hinblick auf die Aufstellung, Unterbringung und Bewaffnung neuer Verbände", erklärte der ehemalige Befehlshaber der Luftabwehr-Raketentruppen zur besonderen Verfügung, Oberst a. D. Sergei Chatylew.

Der Experte bezeichnete die Bildung der Wehrkreise Moskau und Leningrad als eine Berichtigung der Fehler von vor zehn Jahren, "als ein gedankenloser Abbau von Militärverbänden stattfand". Chatylew betonte:

"Die Erfahrung des Kriegs in Syrien und der Kämpfe im Rahmen der speziellen Militäroperation zeigt, dass die Wehrkreise Moskau und Leningrad bedeutende und effektive Verbände sind."

Freistellung der Schwarzmeerflotte

Was die Bildung des Asowschen Marinedistrikts angehe, so werde er Kampfboote und Minensuchboote umfassen, die Küsten werden mit Artillerie- und Raketenbatterien aufgerüstet. Die Hauptaufgabe dieser Struktur bestehe darin, die Stationierung der Flottenkräfte zu gewährleisten und einen günstigen operativen Betrieb in der entsprechenden Zone aufrechtzuerhalten.

Die Bildung des Marinedistrikts werde mit Sicherheit einen Wiederaufbau der Häfen von Mariupol und Berdjansk erfordern. "Das Asowsche Meer ist nun Russlands Binnenmeer, und dort muss ein Verband der russischen Marine erscheinen. Berücksichtigt man die Nähe der Krim, können bei Bedarf im neuen Marinedistrikt küstengestützte Raketenverbände aufgestellt werden", erklärte Kapitän zur See Wassili Dandykin.

Darüber hinaus könne die Bildung des Asowschen Marinedistrikts als eine Absicht betrachtet werden, den Zuständigkeitsbereich der Schwarzmeerflotte zu verkleinern, um deren Kräfte an den Schlüsselrichtungen – der ukrainischen und mediterranen – zu konzentrieren, wo eine steigende Aktivität der NATO-Marine zu verzeichnen ist.

"Aus diesen Plänen lässt sich schlussfolgern, dass wir uns auf eine längere Konfrontation mit der NATO bei möglicher Verschlimmerung der Lage vorbereiten. Parallel zur ukrainischen Bedrohung werden andere Spannungspunkte entstehen. Darin liegt die Strategie der NATO – eine ständige Überlastung des ganzen Systems Russlands nach dem Prinzip des Dauertests", fügte der Militärexperte Aleksandr Artamonow hinzu.

Zur Lösung dieser Aufgaben gehöre auch der Plan der Aufstellung einer allgemeinen Armee und eines Armeekorps, welches mehrere Brigaden umfassen wird. "Eine allgemeine Armee besteht aus mehreren Korps. Zu ihr gehören unterschiedliche Waffengattungen. Sie kann Kampfhandlungen an bestimmten Abschnitten führen und strategische komplexe Aufgaben lösen", bemerkte er.

Sergei Lipowoj, Generalmajor der Luftstreitkräfte und Held der Russischen Föderation, fügte hinzu, dass um Russland herum eine Ansammlung zahlreicher NATO-Truppen zu verzeichnen sei, einschließlich ihrer Luftfahrzeuge. "Truppen und Militärgerät kommen nicht nur aus Europa, sondern auch vom amerikanischen Kontinent. Es ist unschwer zu erraten, dass eine ernste Provokation vorbereitet wird", erklärte Lipowoj.

"Luftarmee der Zukunft"

Lipowoj zufolge sollte bei der Bildung der neuen Luftarmee in erster Linie der Aufstellung von Jagdbomberdivisionen, die zur Deckung der strategischen Bereiche eingesetzt werden, Aufmerksamkeit zukommen.

"Die gestellte Aufgabe ist kolossal, sowohl dem Umfang als auch den Fristen nach. Tatsächlich brauchen die russischen Streitkräfte neue Kräfte, neue Militärverbände, neues Personal, neue Technik, und das alles in großer Menge", schrieben in diesem Zusammenhang die Autoren des Telegramkanals Wsgljad tscheloweka w lampassach.

Für eine einzige Luftarmee werden fünf bis sechs Luftregimenter zu je 20 bis 30 Maschinen benötigt. "Am ehesten wird es eine gemischte Armee – Bomber, Jäger, Transportflugzeuge, Hubschrauber. Somit wird es vermutlich etwa 150 Maschinen geben, von denen etwa die Hälfte Hubschrauber sein werden, sowie außerdem etwa 200 Besatzungen. Darüber hinaus werden tausende Personen an technischem Personal für Hilfsdienste, Transport, Bewachung und Versorgung benötigt. Mit anderen Worten: Eine Luftarmee ist ungeheuerlich groß", so der Telegram-Beitrag weiter.

Dabei könne der Ausbildungsstand des Flugpersonals der neuen Luftarmee nicht sofort ein hohes Niveau erreichen. "Dieser Ausbildungsstand muss erst noch erreicht werden, weshalb diese Luftarmee sehr intensiv fliegen und nach den Plänen der Kampfausbildung trainieren muss, und dies für mehrere Jahre. Das Kommandopersonal der neuen Luftregimenter werden zweifellos erfahrene Piloten mit Erfahrung aus der Militäroperation stellen, doch der Rest wird lange und sorgfältig ausgebildet werden müssen", fügen die Analysten hinzu.

Anders gesagt, denke das russische Verteidigungsministerium jetzt schon darüber nach, was nach der Militäroperation passieren werde, vermuten Experten. "Von der neuen Luftarmee werden daran höchstens einzelne Besatzungen teilnehmen. Die neue Luftarmee muss zu einer Armee der Zukunft werden. Sie wird bestenfalls in fünf Jahren vollständig kampffähig sein, wenn sie intensiv fliegen und sich vorbereiten wird. Zu diesem Moment werden hoffentlich auch die Ziele der Militäroperation erreicht", schlussfolgerten die Experten.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad.

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