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Westeuropa hat einst die Welt regiert – jetzt sind ehemalige Großmächte nur noch Vasallen der USA

Russland und China gestalten derzeit die Weltpolitik, während die USA ihre Vasallen auf der anderen Seite des Atlantiks beherrschen und sie als bloße Zaungäste zuschauen und bezahlen lassen.
Westeuropa hat einst die Welt regiert – jetzt sind ehemalige Großmächte nur noch Vasallen der USAQuelle: Sputnik © Alexei Maischew / Sputnik

Eine Analyse von Timur Fomenko

Das Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping in Moskau vor rund zehn Tagen, stieß in westlichen Kreisen auf vorhersehbaren Vorwürfe, Moskau werde zunehmend "unterwürfig" oder sogar zu einem "Vasallen" von Peking.

Der Euro-Fanatiker Guy Verhofstadt, ein Abgeordneter des EU-Parlaments und ehemals belgischer Premierminister, spottete auf Twitter: "Putins entsetzliches Vermächtnis umfasst nun, Russland immer mehr in einen chinesischen Vasallen zu verwandeln", ohne dabei die Ironie seiner eigenen Worte zu bemerken. Als die Vereinigten Staaten die Linie vorgaben, Chinas Friedensplan für die Ukraine abzulehnen, und öffentlich die eigenen Bedingungen für eine Beilegung des Konflikts darlegten, war die Europäische Union nirgends zu sehen oder zu hören – oder hatte zumindest nichts Substantielles zu sagen.

Das macht die Äußerungen von Verhofstadt zu einem unübersehbaren Zeichen mangelnder Selbstwahrnehmung. Russland und China legen ihre Vision einer neuen multipolaren Welt offen dar, während die USA dagegen ankämpfen, um ihre hegemoniale Position global zu behaupten. Derweil hat die Europäische Union ihre Rolle auf den Status eines Spielers auf der Ersatzbank reduziert und ist praktisch irrelevant geworden. Das Versäumnis der EU-Staaten, ihren eigenen Willen und ihre eigene Position mitten im großen Geschacher um die Macht abzustecken, sowie ihre völlige Unterwürfigkeit gegenüber den USA haben das Konzept der "strategischen Autonomie", das einst von Emmanuel Macron verfochten wurde, ins Lächerliche gezogen.

"Strategische Autonomie" ist angeblich ein Prinzip der europäischen Integration, wonach die EU ein Akteur in einer multipolaren Welt sein sollte, der seine eigenen Interessen vertritt und seine eigene Agenda verfolgt. Befürworter dieses Prinzips bestehen darauf, dass die EU dem Willen der USA nicht in jeder außenpolitischen Frage blind folgen sollte, sondern proaktiv sein und ihre Rolle auf der Weltbühne stärker wahrnehmen sollte. Daher sollte die EU nicht, wie von Washington gefordert, in Angelegenheiten wie einem neuen "Kalten Krieg" gegen China Partei ergreifen. Der Begriff gewann in den Jahren der Trump-Administration zunehmend an Bedeutung, als die Beziehungen der EU zu den USA aufgrund von Trumps besonderer Interpretation seiner "America first"-Doktrin einen Tiefpunkt erreichten.

Die praktische Realität der "strategischen Autonomie" ist jedoch, dass die EU kein Einheitsstaat ist, sondern eine lockere zwischenstaatliche Organisation von Staaten, die zwar versuchen, gemeinsame Positionen im Sinne eines Prinzips der Einheit zu etablieren, aber keinen echten Mechanismus für eine einheitliche Außenpolitik haben. Die Politik innerhalb der EU als Institution ist oft ein chaotischer Kompromiss und Willenskampf zwischen verschiedenen Akteuren, einschließlich der Staaten selbst, der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments. Dies verbindet sich mit der Realität, dass der Prozess der "europäischen Integration" seit 2008 de facto unterbrochen ist. Herausforderungen wie die Finanzkrise in der Eurozone, der Brexit, COVID-19 und interne Konflikte mit verschiedenen Mitgliedsstaaten wie Polen und Ungarn haben die EU geschwächt und angezählt.

Infolgedessen war die EU nicht in der Lage, sich mit der (trotz medialer Irreführung eindeutig erkennbaren) Quelle des ausländischen Einflusses und der Einmischung gegen sie auseinanderzusetzen – mit den USA. In Washington, D.C. verfügt man über diverse Kanäle, die Kontrolle über die zahlreichen außenpolitischen Akteure der EU ausüben zu können. Erstens nutzten die USA ein breites Netzwerk von staatlich finanzierten Denkfabriken und assoziierten Journalisten, um die öffentliche Meinung zu steuern und die EU-Länder dazu zu bringen, letztlich die Ziele der USA zu unterstützen. Zweitens haben die USA einen außerordentlichen politischen Einfluss auf die Staaten des ehemaligen Sowjetblocks im Osten der EU (mit Ausnahme von Ungarn), den sie nutzen, um einen verstärkten Antagonismus gegen Russland und China zu schüren. Daher untergraben die USA alle Bestrebungen der mächtigsten und am ehesten noch "unabhängigen" Staaten innerhalb der EU – nämlich von Deutschland und Frankreich –, eine versöhnlichere und pragmatischere Außenpolitik zu verfolgen.

Drittens nutzen die USA das Vereinigte Königreich als ihren wichtigsten Einpeitscher (sei es einst innerhalb oder nun außerhalb der EU), um den politischen Willen in Washington auf den alten Kontinent und darüber hinaus zu projizieren und den Willen aller widerspenstigen Mitgliedsstaaten außer Kraft zu setzen. Ein Beispiel dafür ist der BBC World Service, der als massive Propagandamaschine dient, um Narrative in Einklang mit Washingtons Außenpolitik zu bringen. Darüber hinaus haben die USA gezeigt, dass sie in der Lage sind, mit den Geheimdiensten der Mitgliedsstaaten zusammenzuarbeiten und diese sogar gegen die Interessen ihrer eigenen Länder einzusetzen, beispielsweise den dänischen Geheimdienst dazu zu nutzen, um andere europäische Staatschefs auszuspionieren.

Durch all diese Faktoren, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart, gelang es den USA, Europa zu spalten, konfliktreicher und handlungsunfähiger zu machen und zu verhindern, dass die EU eine eigenständige Außenpolitik verfolgt, die tatsächlich den europäischen Interessen anstatt denen der USA entspricht. Dies gipfelte sogar in einem Auswuchs, dass erst die Nord Stream Pipelines zerstört und dann falsche Narrative verbreitet wurden – etwa, dass womöglich die Ukraine dafür verantwortlich sei. Der Ukraine-Krieg hat letztlich nur die Isolation der EU und ihr Versinken in Bedeutungslosigkeit beschleunigt, dagegen den Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes auf dem Kontinent verstärkt, den europäischen Energiesektor untergraben und damit das Konzept der "strategischen Autonomie" in eine Lachnummer verwandelt.

Man könnte sich somit fragen, wer hier wirklich der Vasall ist. Wenn eine neue multipolare Welt entsteht, dann kann man getrost sagen, dass Europa kein Teil davon sein wird. Russland, China und die USA sind die treibenden Akteure der aktuellen Ereignisse – die EU ist nur noch ein zahlender Zaungast.

Übersetzt aus dem Englischen.

Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.

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