Zwergplanet Quaoar: Größtes Ringsystem des Sonnensystems gibt Rätsel auf
Astronomen haben ein neues Ringsystem in unserem Sonnensystem aufgespürt. Es befindet sich um einen neu entdeckten Zwergplaneten namens Quaoar, der etwa halb so groß wie Pluto ist und die Sonne jenseits von Neptun im Kuipergürtel, einem ringförmigen Gebilde aus felsigen und eisigen Trümmern im äußeren Sonnensystem, umkreist. Die Entdeckung wurde von einem internationalen Astronomenteam mit HiPERCAM gemacht, einer extrem empfindlichen Hochgeschwindigkeitskamera, die von Wissenschaftlern der Universität Sheffield entwickelt wurde. Sie ist am größten optischen Teleskop der Welt, dem Gran Telescopio Canarias, auf La Palma angebracht.
Der Ring wurde während der Beobachtung einer Reihe von Bedeckungen, im Wesentlichen Verfinsterungen, entdeckt, als Quaoar zwischen der Erde und mehreren weiter entfernten, aber viel helleren Sternen vorbeizog. Bei einer Bedeckung verdunkelt sich das Licht des Hintergrundsterns vorübergehend. Dieser Effekt ist nur für sehr empfindliche Teleskope sichtbar und wird häufig genutzt, um Exoplaneten aufzuspüren, die Sterne in unserer Milchstraßengalaxie umkreisen. Als die Astronomen die während der Beobachtung aufgezeichneten Daten analysierten, stellten sie fest, dass sie neben dem Hauptabfall in der Helligkeit der Hintergrundsterne noch zwei kleinere Einbrüche feststellen konnten. Da die Tropfen jeweils vor und nach der Hauptbedeckung auftraten, vermuteten die Forscher, dass Quaoar von einem Ring umgeben sein muss.
Das allein wäre noch nicht so besonders. Vom Gasriesen Saturn ist bekannt, dass er eine ganze Reihe von Ringen besitzt, in denen sich feste Partikel ansammeln und den Himmelskörper umkreisen. Auch Jupiter, Neptun und Uranus haben welche. Ebenso zwei Kleinplaneten namens Chariklo und Haumea. Was genau macht den Ring von Quaoar nun also so besonders? Während alle anderen Ringe im Sonnensystem innerhalb oder in der Nähe eines mathematisch bestimmten Abstands zu ihren Mutterkörpern liegen, ist der Ring von Quaoar hingegen viel weiter entfernt.
"Dass der Ring von Quaoar außerhalb dieser Grenze liegt, ist sehr, sehr seltsam", wird Giovanni Bruno, Astronom am italienischen Nationalen Institut für Astrophysik (INAF) und einer der Autoren der Studie, in einer Erklärung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) zitiert. Denn der Ring von Quaoar befindet sich in einem sehr ungewöhnlichen Abstand zu seinem Mutterkörper. Den an der Studie beteiligten Astronomen zufolge ist das Ringsystem um Quaoar deshalb so bemerkenswert, weil es sich in einer Entfernung von mehr als sieben Planetenradien befindet – doppelt so weit entfernt wie das, was man bisher für die Obergrenze hielt – die sogenannte "Roche-Grenze", an der man glaubte, dass Ringsysteme überleben könnten.
Bisher glaubten die Wissenschaftler, dass Material, das einen Planeten über einen bestimmten Punkt hinaus umkreist, einen Mond bilden würde. Wenn sich dieser Mond dann zu nahe an den Planeten heran bewegt – eine Linie, die als "Roche-Grenze" bekannt ist –, wird er von den Gezeitenkräften des Planeten zerrissen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse muss die allgemeine Vorstellung, dass Ringe nur innerhalb der Roche-Grenze überleben, nun völlig revidiert werden, erklärten die Astronomen.
Mit einem Radius von etwa 3.885 Kilometern vom Zentrum Quaoars ist sein Ring nämlich so weit von dem Zwergplaneten entfernt, dass seine Schwerkraft nicht mehr in der Lage sein sollte, das ringbildende Material zu zerstreuen. Stattdessen sollte es unter seiner eigenen Schwerkraft zusammenwachsen und einen Mond bilden. Da dies nicht geschehen ist, hat der Ring die von den Astronomen als Roche-Grenze bezeichnete Grenze durchbrochen – der erste bekannte Ring um einen Himmelskörper, dem dies gelungen ist. Daher hat die Entdeckung nun ein Umdenken bei den Theorien zur Ringbildung erzwungen.
Um das Quaoar-System zu erklären, beobachteten Bruno und seine Kollegen daraufhin andere kleine Ringobjekte. Sie stellten fest, dass sowohl die Ringe von Haumea als auch jene des Asteroiden Chariklo in der Nähe von Regionen liegen, in denen die Ringpartikel eine Umlaufbahn pro drei Umdrehungen des Mutterkörpers vollziehen. Die unregelmäßige Struktur dieser Planetoiden – in einer ellipsoiden Form – könnte zu Gravitationsstörungen an diesen Stellen führen, die verhindern, dass sich das Ringmaterial vergrößert.
So fallen bei Haumea und Chariklo die sogenannten "Bahnresonanzen" in der Nähe ihrer Roche-Grenzen zusammen. Eine Bahnresonanz liegt vor, wenn zwei oder mehrere Himmelskörper periodisch wiederkehrenden gravitativen Einflüssen unterliegen. Bei Quaoar hingegen tritt die Resonanz weit jenseits der Roche-Entfernung auf, sehr nahe an der entdeckten Ringposition. Eine weitere Resonanz, die durch die Schwerkraft des Quaoar Mondes Weywot verursacht wird, tritt in der gleichen Region auf.
Die Forscher führten auch Simulationen durch, um zu erklären, wie jene Begebenheiten eventuell dazu führen könnten, dass sich das Ringmaterial nicht zu einem weiteren Trabanten zusammensetzt. "Als Ergebnis unserer Beobachtungen muss die klassische Vorstellung, dass dichte Ringe nur innerhalb der Roche-Grenze eines planetarischen Körpers überleben, gründlich revidiert werden", so Bruno. Denn die ersten Beobachtungen und Untersuchungen des Planeten werfen bereits ein Licht auf die Frage, weshalb sich das Ringsystem hält. Demnach könnten die eisigen Temperaturen auf dem Ringplaneten verhindern, dass die Eispartikel im Ring zusammenkleben.
Zur endgültigen Klärung wollen die Wissenschaftler nun weitere Untersuchungen durchführen. Bis neue Ergebnisse vorliegen, müssen die Astronomen einstweilen jedoch entweder die Roche-Grenze überdenken oder sich eine andere Erklärung für die Existenz des Ringes um Quaoar einfallen lassen. Die Studie wurde am Mittwoch in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.
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