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Erzwungen durch Russland: Die NATO leidet an Munitionsmangel

Die USA waren gezwungen, ihre Arsenale in Israel und Südkorea zu entsiegeln, um die Munitionsengpässe in der Ukraine auszugleichen. Gleichwohl heißt es in der ausländischen Presse häufig, nicht nur der Westen erlebe einen "Munitionshunger", sondern auch Russland. Ist das wirklich der Fall?
Erzwungen durch Russland: Die NATO leidet an MunitionsmangelQuelle: www.globallookpress.com © Daniel Löb / dpa

Von Darja Wolkowa und Jewgeni Posdnjakow

Kürzlich meldete die New York Times, das Pentagon nutze ein wenig bekanntes, aber umfangreiches US-Munitionslager in Israel, um den Bedarf der Ukraine an Artilleriegeschossen zu decken. Ursprünglich versorgten diese Bestände das Pentagon mit Waffen und Munition für die Konflikte im Nahen Osten.

Es sei betont, dass der Ukraine-Konflikt zu einem Artilleriekrieg geworden ist, in dem jede Seite täglich Tausende Geschosse abfeuert. Die ukrainischen Streitkräfte (AFU) haben keine Munition mehr für die noch vorhandenen sowjetischen Waffen, was zu der Notwendigkeit geführt hat, auf die Verwendung von Geschütz umzustellen, das von den USA und anderen westlichen Verbündeten geliefert wurde.

Die Artillerie bildet das Rückgrat der Feuerkraft von Bodentruppen sowohl der ukrainischen als auch der russischen Streitkräfte. US-Militärexperten zufolge könne der Ausgang des Konflikts durch das bevorstehende Ausbleiben der Munition auf einer der beiden Seiten bestimmt werden. Weil aber die Ressourcen der USA erschöpft sind und die US-Hersteller mit dem Tempo der Kampfhandlungen in der Ukraine nicht mithalten können, hat sich das Pentagon an zwei alternative Lieferanten von Projektilen gewandt.

Der erste ist Südkorea und der zweite Israel. Dieser Umstand war zuvor kein Thema der Öffentlichkeit, stellt die NYT fest. Auf diese Weise wurde der Versand von Hunderttausenden von Artilleriegeschossen aus den beiden Depots zu einem Zeichen für die Grenzen der amerikanischen industriellen Basis. Gleichzeitig wirft die Situation ein Schlaglicht auf die diplomatische Unbeständigkeit von Tel Aviv und Seoul, die öffentlich versprochen hatten, der Ukraine keine militärische Versorgung anzubieten.

Angesichts dieser Tatsache sagte der russische Präsident Wladimir Putin am Dienstag bei einem Treffen zu wirtschaftlichen Fragen, dass "die Rüstungsindustrie einen großen Beitrag zur Dynamik der Verarbeitungssektoren leistet".

"Innerhalb des letzten Jahres hat dieser einen ganz erheblichen Aufschwung erfahren, und die Leistungskapazität wächst weiter an. Die Unternehmen arbeiten in mehreren Schichten, einige fast rund um die Uhr",

wird der Präsident auf der Webseite des Kremls zitiert.

Die Informationsquellen von RIA Nowosti berichten auch, dass "die monatliche russische Produktion der gesamten Palette großkalibriger Geschosse um ein Vielfaches höher ist als die der 155-mm-Geschosse in den USA". Er versicherte, es gebe in der russischen Armee keinen Mangel an Geschossen, und dies sei in Anbetracht der vorhandenen Munitionsvorräte auch nicht absehbar.

Unterdessen versuchen die westlichen Länder, nicht nur die Versorgung der Ukraine mit Waffen, sondern auch mit Treibstoff zu steigern. Gemäß der Zeitung Die Welt hat Bulgarien damit begonnen, intensiv in diese Richtung zu arbeiten. Dabei erfolgt der Ressourcentransfer nicht direkt, sondern über Zwischengesellschaften. Weiter gehen die Lieferungen über Polen, Ungarn und Rumänien.

"Was die Versorgung aus Israel anbelangt, so ist dies tatsächlich möglich. Die USA haben schon früher ähnliche Schritte unternommen, die allerdings in einem großen Skandal endeten. Wenn sich das wiederholt, so wird Israel mit ernsthaften diplomatischen Konsequenzen rechnen müssen",

sagte Simon Tsipis, Experte am Institut für nationale Sicherheitsstudien der Universität Tel Aviv.

"In den 1980er Jahren verschickte Israel auf Ersuchen der USA Waffen, die in den Lagern unseres Landes lagerten, an Militante in Nicaragua. Und obwohl der US-Kongress die direkte Versorgung der rechtsextremen Organisation Contras mit US-Waffen untersagte, wandten sich die Neokonservativen, die ihr eigenes Parlament umgehen wollten, an Israel um Unterstützung",

erklärte der Gesprächspartner.

"Der Mechanismus besteht darin, dass Israel die Waffen aus seinen Depots nach Nicaragua schickt und die Amerikaner diese Bestände wieder auffüllen. Diese List der Vereinigten Staaten hat sich als großer Skandal für Israel herausgestellt",

sagte er und unterstrich:

"Darüber hinaus lieferte Israel auf Ersuchen der USA Waffen an Iran. Während des iranisch-irakischen Krieges lieferte unser Land Waffen an seinen heute offensichtlichsten Feind. Also einem Land, das uns mit Zerstörung droht. Wenn Israel solchen provokativen Handlungen der USA zustimmt, gerät es in Schwierigkeiten."

Tsipis befürchtet einen "großen Reputationsschaden" für Israel, wenn es sich den Vereinigten Staaten anschließt und Waffen an die Ukraine liefert. Er erinnert daran, dass es innerhalb der AFU Einheiten gibt, die "aus ihrer neonazistischen Gesinnung keinen Hehl machen". Darüber hinaus stimmt die Ukraine im UN-Sicherheitsrat gegen Israel und unterstützt alle anti-israelischen Resolutionen.

"Die Länder des Westens irren gewaltig, wenn sie glauben, der Konflikt in der Ukraine werde umso schneller beendet, je mehr Waffen sie liefern. Sie verlängern diesen nur. Außerdem verstrickt sich Israel immer mehr in diesen Konflikt, obwohl es eigentlich nichts damit zu tun hat",

ist Tsipis überzeugt. Zudem würde dies bedeuten, dass man nicht aus eigenen Fehlern lernen könne. Man ruiniere die Beziehungen zu Russland, was langfristige Interessen Israels, das angesichts der Lage in Syrien und im Iran auf Moskaus Verbundenheit und Unterstützung angewiesen ist, damit gefährde.

Das Problem des Mangels an Geschossen ist für die ukrainische Seite sei tatsächlich ein drängendes, meint der Militärexperte Wassili Dandykin. Das Auffüllen der Lagerbestände Kiews ist zu einer ernsten Prüfung für den gesamten Westen geworden. Es habe sich gezeigt, dass die Produktion von Munition in den USA den russischen Kapazitäten in diesem Bereich deutlich unterlegen ist, behauptet Dandykin. 

Selbst mit dem Nachschub der NATO seien die Schwierigkeiten für die AFU äußerst schwer zu überwinden. "In den Werken des Gegners lässt sich nicht nur der Hunger nach Munition feststellen", sondern es gäbe auch rein technische Probleme, so dieser Experte. Die Bestände an sowjetischer Ausrüstung sind in 11 Monaten Luftverteidigung nahezu aufgebraucht worden. Der Westen ist gezwungen, die Hardware im On-Demand-Modus nachzurüsten.

"Selbstverständlich verfügt der Feind über mehr als genug Raketen für Angriffe auf den Donbass. Gemessen an der Gesamtzahl der Artilleriesalven sind wir (Russland - d. Red.) jedoch der AFU auf dem gesamten Frontabschnitt deutlich überlegen. Eine große Menge von Artilleriesystemen fällt in der Ukraine aus. Die Versorgung kann die Verluste nicht vollständig kompensieren",

präzisiert Dandykin. Es sei "gut möglich", dass die Probleme der Munitionsversorgung in der Ukraine das wichtigste Diskussionsthema auf dem Treffen der Vertreter der NATO-Staaten am 20. Januar in Ramstein werden (das Interview fand vor dem 20. Januar statt - d. Red.). Unklar sei, wie man das Problem zu lösen gedenkt, zumal Russland dabei sei, "Munitionsdepots hinter den feindlichen Linien zu zerstören". 

Gestützt auf Putins Worte, wonach die russische Rüstungsindustrie "in drei Schichten und ohne Feiertage" arbeite, könne man davon ausgehen, dass der russischen Armee das Problem des Munitionshungers nicht drohe. Abgesehen von der Produktion habe man noch einen großen Lagerbestand an Geschossen aus der Sowjetzeit, unterstreicht Dandykin.

Das russische Verteidigungsministerium sei sich der Bedeutung dieses Themas bewusst. Man sei auch beim Ersatz von Geschützrohren recht erfolgreich, im Gegensatz zur Ukraine. Derweil ist der Schießbetrieb inzwischen sehr intensiv – die Ausrüstung nutzt sich ab, was die Effizienz und Genauigkeit des Beschusses beeinträchtigt. Die AFU sei momentan nicht in der Lage, dieses Problem zeitnah zu lösen, fügt der Experte hinzu. Er resümiert: 

"Natürlich hatten wir zu Beginn der militärischen Spezialoperationen einige Probleme mit der Produktion einer Reihe von Munition, doch diese Schwierigkeiten sind nun beseitigt. Wir orientieren uns an den Worten des Genossen Stalin, dass die Artillerie der Gott des Krieges sei."

Im Allgemeinen kann man mit Sicherheit sagen, dass sich Russland in diesem Bereich recht gut fühlt.

Der Militärexperte Alexander Michailow glaubt, dass die NATO-Staaten äußerst zurückhaltend sind, ihre eigenen Bestände im Rahmen der Versorgung der ukrainischen Streitkräfte abzugeben. Seiner Meinung nach ist der Verbrauch von Waffen im Rahmen des Konflikts enorm. Unter anderem wurden in den vergangenen 11 Monaten 400 Panzer und fast ebenso viele selbstfahrende Artilleriesysteme (SAU) in das Land geliefert, von denen die meisten inzwischen vernichtet worden sind:

"Das Problem ist die schwere Bewaffnung, zu der die Geschosse geliefert werden sollen. An diesen Waffen gibt es immer weniger, und die neuen nationalen Arsenale in Europa sind nicht bereit, sie abzugeben. Wenn beispielsweise morgen Leopard-Panzer in der Ukraine brennen, werden vor allem die deutschen Rüstungskonzerne darunter leiden, weil die Technik in den Augen der globalen Waffenmärkte an Wert verlieren wird. Aber das sind nicht unsere Probleme."

Für Russland sei es einfacher, die Nomenklatur an Geschossen auszuweiten und der Nachfrage zu entsprechen, da es auf russischem Territorium mehrere große Munitionsfabriken gibt. Alle Geschosse seien nach den Standards des heimischen, militärisch-industriellen Komplexes vereinheitlicht, sagt Michailow.

Zusätzlich hat sich der staatliche Verteidigungsauftrag für die Produktion von Munition in Russland seit den 2010er-Jahren, als Sergei Schoigu zum Verteidigungsminister ernannt wurde, dramatisch ausgeweitet. Seitdem werden die Mittel aus dem Haushaltsbudget für diesen Bereich jedes Jahr weiter aufgestockt: zur Produktion von Munition für Panzerfahrzeuge, für schwere Artillerie- und für Mehrfachraketen-Systeme. 

Präsident Putin hat am Mittwoch vor den Arbeitern des Obuchow-Werks in Sankt Petersburg (Teil des Almaz-Antey-Konzerns) betont, dass es Russland nicht an Munition und Raketen mangelt.

"Wir produzieren zum Beispiel an Luftabwehrraketen, die Sie in einem Jahr herstellen, das Dreifache von dem, was die Vereinigten Staaten produzieren",

zitiert TASS den Staatschef.

"Unsere Verteidigungsindustrie produziert pro Jahr insgesamt etwa so viele Flugabwehrraketen für diverse Anwendungen wie alle militärisch-industriellen Betriebe der Welt zusammen. Unsere Produktionskapazität ist mit der Weltproduktion vergleichbar."

Dies wecke das Vertrauen in den Sieg Russlands, fügte der Präsident hinzu.

Übersetzt aus dem RussischenZuerst erschienen bei Wsgljad.

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