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Bloß ein Scherz aus Dnjepropetrowsk? Bürgermeister gegen sowjetisch-russische Neujahrsgerichte

Ob ernst gemeint oder nicht: Nun sollen auch typisch sowjetische oder russische Festgerichte aus dem Speiseplan der Ukraine verschwinden. Jedenfalls meint dies der Bürgermeister von Dnjepropetrowsk. Oder ist ihm nach zu viel gutem Essen der Wodka (Verzeihung: "Horilka" muss es natürlich auf Ukrainisch heißen) nicht bekommen? Allerdings schreckte der Politiker schon früher nicht vor Geschmacklosigkeiten zurück.
Bloß ein Scherz aus Dnjepropetrowsk? Bürgermeister gegen sowjetisch-russische NeujahrsgerichteQuelle: Sputnik © Наталья Селиверстова/РИА Новости

Die typischen und beliebten Olivier- und Schuba- ("Hering im Pelzmantel") Salate, die in vielen Ländern der ehemaligen Sowjetunion traditionell zum Neujahrsfest gegessen werden, sollten nach Ansicht des Bürgermeisters von Dnjepropetrowsk, Boris Filatow, von den Tischen der Ukrainer verschwinden. Der Jurist, Journalist, Unternehmer und Politiker, Jahrgang 1972, ist seit 2015 Bürgermeister der annähernd eine Million Einwohner zählenden einstigen Industriemetropole, die seit der ukrainischen "Entkommunisierung" auf Ukrainisch nur noch "Dnipro" ("Dnjepr" auf Russisch) genannt werden will.

"Um die Wahrheit zu sagen, kann ich diese ganzen Oliviers und Schubas nicht mehr sehen [essen], weil es schon der dritte Tag des neuen Jahres ist",

schrieb er am gestrigen Montag auf seinem Telegram-Kanal.

"Deshalb gibt es einen Vorschlag. Lasst uns allmählich diese sowjetischen Gewohnheiten aufgeben. Und um ehrlich und offen zu sein: 'Weg mit Moskau'",

fügte Filatow hinzu. Der Bürgermeister sagte jedoch, er habe kein Problem mit einem anderen russischen Gericht – Cholodez oder Sülzfleisch – und würde dafür "seine Seele hergeben", vor allem, wenn es mit Mostrich serviert wird.

Der in ukrainischer Sprache verfasste Beitrag, der offenbar als Scherz gemeint war, sorgte in den russischen Medien für Schlagzeilen. Der Bürgermeister der viertgrößten Stadt der Ukraine reagierte auf die Berichterstattung mit einer Nachricht auf Russisch, in der er die Journalisten als "dumm und ohne Sinn für Humor" bezeichnete. Sein eigenartiges Verständnis von Spaß demonstrierte Filatow mit der folgenden Bemerkung:

"Außerdem wird die Sülze, die wir essen, aus orthodoxen Kleinkindern hergestellt."

Filatow ist in den vergangenen Jahren bereits mehrfach durch Grenzüberschreitungen aufgefallen. Erinnert sei daran, dass Filatow, der vor seiner Zeit als Bürgermeister zwei Jahre Parlamentsabgeordneter in der Werchowna Rada war, nach dem Putsch 2014 über die widerspenstigen Donbass-Bewohner sagte:

"Wir müssen dem Abschaum solche Versprechen, Garantien und Zugeständnisse machen. Und hängen ... Wir werden sie später hängen."

Doch zurück zu den kulinarischen Traditionen: Man nimmt an, dass der ursprüngliche Olivier-Salat in den 1860er Jahren von Lucien Olivier erfunden wurde, einem Küchenchef in einem der damaligen Moskauer Spitzenrestaurants, dem "Hermitage". Er enthielt Schneehuhn, Kalbszunge, Kapern, Kaviar und Flusskrebse sowie andere saisonale Zutaten.

Das ursprüngliche Rezept wurde jedoch im Laufe der Jahre verändert und vereinfacht, sodass der Olivier-Salat heute meist aus Fleisch, Schinken oder Wurst, Kartoffeln, Essiggurken, Erbsen, Eiern und Mayonnaise besteht. Das Gericht ist inzwischen weltweit bekannt und wird gemeinhin als russischer Salat bezeichnet.

Was den "Hering im Mantel" angeht, wird angenommen, dass der Schuba-Salat erstmals 1919 von einem Kaufmann namens Anastas Bogomolow serviert wurde, der in Moskau eine Restaurantkette betrieb. Er besteht aus Schichten von Hering, Zwiebeln, Kartoffeln, Karotten und Roter Bete, die mit Mayonnaise gebunden sind. Es heißt, Bogomolow habe ein Gericht kreieren wollen, das die Menschen nach der bolschewistischen Revolution vereinen sollte, und der Schuba-Salat sei ein Akronym für "Chauvinismus, Dekadenz, Boykott und Anathema". Einige Forscher weisen diese Theorie jedoch zurück und glauben, dass der Salat skandinavische Wurzeln hat.

Mehrere Restaurants in Kiew hatten die russischen Gerichte bereits vor der Empfehlung des Dnjepropetrowsker Bürgermeisters von ihren Silvestermenüs gestrichen, wie Medien berichteten. Ausgerechnet die Chefin eines bekannten Kiewer Edel-Restaurants in der Nähe der Andreaskirche, das nach einer beliebten sowjetisch-ukrainischen Filmkomödie von 1961 ("Sa dwumja saizami", auf Deutsch etwa: "Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen") benannt ist, meinte nun auch kulinarischen Nationalismus einfordern zu müssen:

"Wir müssen das Blatt wenden. Was in unserem Land geschieht, wirkt sich auch auf unsere Beziehungen zur Welt aus, und wir müssen modern sein",

so Tatjana Mitrofanowa gegenüber der Presseagentur AFP. Mit "modern" ist offenbar die Übertragung der US-amerikanischen "Cancel Culture" auf die ukrainische Alltags- und Festkultur gemeint.

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