Was die EU-Strategie für LNG gefährdet: Hohe Spotpreise und Volatilität
Teil 1 finden Sie hier.
Eine Analyse von Alexander Männer
Spätestens mit der europäischen Energiekrise wurde erneut deutlich, dass das Geschäft mit dem verflüssigten Erdgas (LNG) ein kostspieliges Unterfangen ist. Trotz der Tatsache, dass die Nachfrage nach Flüssiggas normalerweise erst im Winter ihren Höhepunkt erreicht, haben die LNG-Preise in Europa auch im Sommer weit über dem Durchschnitt gelegen.
Angesichts der Begrenzung der Gaseinfuhren aus Russland sehen die EU-Länder außer dem problematischen LNG-Import offenbar kaum Alternativen, um die fehlenden russischen Lieferungen zu ersetzen.
Neben der Tatsache, dass das weltweite Angebot für Flüssiggas (noch) sehr begrenzt ist, spielt auch die Preisentwicklung auf den LNG-Märkten eine große Rolle. Deren hohe Volatilität etwa kann zur Folge haben, dass eine sichere und ökonomisch vertretbare Gasversorgung eines Landes vor allem inmitten der globalen Krisen und geopolitischen Spannungen gefährdet ist. Und weil sich die Europäer offenkundig damit schwer tun, langfristige Verträge an Land zu ziehen, stellen die hohen Preise auf dem Spotmarkt sowie die Preisschwankungen für die nicht an langfristige Lieferverträge gebundene LNG-Kontingente ein weiteres Problem für den erfolgreichen Umstieg der EU von russischem Pipelinegas auf verflüssigtes Erdgas dar.
Preise auf dem Spotmarkt
Ein Grundproblem für die EU-Länder ist der Umstand, dass sie momentan nur das LNG bekommen können, das auf dem Spotmarkt beziehungsweise dem ''Hier-und-jetzt''-Markt zu deutlich höheren Preisen gehandelt wird. Wegen des eher knappen Angebots bekommt die Ware derjenige, der dafür am meisten zu zahlen bereit ist, weswegen es oft zu kontinuierlichen Preisralleys zwischen den Abnehmern kommt.
Ungeachtet dessen befinden sich die Flüssiggaspreise, die etwa in Asien in den vergangenen Jahren fast um das Zehnfache gestiegen sind, auch so schon weit über dem Durchschnitt. Wie Bloomberg berichtete, seien die Preise auf dem asiatischen Spotmarkt in der zweiten Novemberhälfte um 20 Prozent auf den höchsten Stand seit Anfang Oktober gestiegen und sollen für die Dezember-Features des JKM-Index (JKM ist ''Benchmark'' für Asien und spiegelt somit den Spotmarktwert für das nach Japan, Südkorea und China gelieferte LNG wider) 34,24 US-Dollar je eine Million britische Thermaleinheiten (MMBtu) betragen. Das entspricht nach Umrechnung etwa 900 Dollar für tausend Kubikmeter Gas.
Was den europäischen Spotmarkt angeht, so liegen die LNG-Preise für den Dezember dort sogar noch höher. Laut Angaben des Portals Global LNG Hub musste man für die niederländischen TTF-Gas-Futures, die in Europa als Benchmark gelten, 39,2 Dollar je MMBtu zahlen, was im Vergleich zu der August-Höchstmarke von 94,4 Dollar je MMBtu beziehungsweise 2.500 Dollar je tausend Kubikmeter noch recht moderat erscheint.
Kein Wunder, dass Europa angesichts solcher Preishöhen zu einer regelrechten Goldgrube für Exporteure geworden ist, während Asien im Jahresverlauf einen Preisrückgang verzeichnete. Damit konnten sie zum ersten Mal Rekordumsätze auf dem europäischen Markt erzielen, und sie hatten sich Ende 2021 auch schleunigst daran gemacht, ihre Lieferungen, die ursprünglich nach Asien gehen sollten, umzuleiten.
Dies verleitet zu der Annahme, dass die EU-Länder nur bei hohen LNG-Preisen konkurrenzfähig sind. Momentan sieht es ganz danach aus, und aus finanzieller Sicht ist das keine gute Nachricht, denn damit die Tankschiffe auch weiterhin nach Europa gehen, müssten die Preise permanent oben bleiben.
Russische Analysten prognostizieren diesbezüglich, dass die Spotpreise frühestens in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 sinken könnten, wobei sie die gewöhnliche Marke von 400 Dollar je Tausend Kubikmeter nicht vor 2025 erreichen würden. Und das nur bei einem Rückgang der Gasnachfrage in der Welt und vor allem in Asien, was eher unwahrscheinlich ist.
Hohe Volatilität
Hinzu kommt, dass das Flüssiggas als ein Rohstoff mit extrem volatilen Preisen gilt. Dies stellt für Importländer ein immenses Problem dar, denn die Preisschwankungen sind aus ökonomischer Sicht zweifelsfrei unvorteilhaft.
Wirtschaftlich ist jede Preisschwankung um den Mittelwert grundsätzlich als Risiko zu betrachten. Eine hohe Volatilität – wobei der Grad der Preisschwankung an den Abständen zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Preis in einer Periode gemessen wird – bedeutet eine größere Unsicherheit für das Geschäft. Dieses Geschäft ist folglich schwieriger zu kalkulieren, weshalb beispielsweise eine langfristige Planung dann schwieriger umzusetzen ist.
Das Problem mit der Volatilität auf den LNG-Märkten ist, dass der Preis höchst unbeständig ist und auf alle möglichen Signale reagieren kann. Das können etwa politische Spannungen in oder zwischen den Gasfördelädern sein, bestimmte Wetterbedingungen, Unsicherheiten im Energiebereich wie zum Beispiel Lieferunterbrechungen oder schlechte Nachfrageprognosen in den importierenden Ländern. In dem Magazin Der Freitag wurde es folgendermaßen verdeutlicht: ''In Frankreich müssen Atomreaktoren abgestellt werden: Der Preis steigt. Aus den USA kommen verstärkt [...] Flüssiggas-Lieferungen nach Europa: Der Preis fällt. Mehrere LNG-Tanker biegen ab und steuern nach China, weil dort mehr gezahlt wird: Der Preis steigt. In Nordamerika gibt es Schneestürme: Der Preis steigt weiter. Biden trifft Putin, es soll verhandelt werden, der Preis fällt; Russland findet, es gebe nichts mehr zu verhandeln, der Preis steigt wieder an.''
Außerdem kann der Gaspreis auch deshalb schwanken, weil die Preisbildung – ungeachtet aller Regeln – von Gerüchten und externen Gründen beeinflusst wird, die den Spekulanten auf den Märkten in die Hände spielen. So können selbst Fake News oder unbestätigte Aussagen von Politikern oder Unternehmen einen enormen Einfluss auf den Preis haben.
Insofern bleibt davon auszugehen, dass die Preise auf dem Spotmarkt aufgrund des anhaltenden Ukraine-Krieges, der Russland-Sanktionen und der Energiekrise in Europa in naher Zukunft einerseits hoch bleiben und andererseits kaum zu stabilisieren sein werden. Damit bleibt eine sichere und ökonomisch vertretbare Versorgung der EU mit Flüssiggas weiterhin sehr problematisch.
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