Gipfel der Arabischen Liga: Übernimmt Algerien Führungsrolle Saudi-Arabiens in arabischer Welt?
Von Seyed Alireza Mousavi
Die Arabische Liga kam erstmals seit mehr als drei Jahren zu einem Gipfel in Algier zusammen. Ursprünglich sollten die Staats- und Regierungschefs der 22 Mitgliedsstaaten bereits im März in Algier zusammenkommen, aber das Treffen wurde wegen des Ukraine-Kriegs verschoben. Algier hat in letzter Zeit um den Gipfel gekämpft, um seinen Einfluss in der arabischen Welt zu vergrößern.
Dass Algerien derzeit versucht, eine Führungsrolle in der arabischen Welt zu übernehmen, ist kein Zufall. Die Region erlebt seit dem Ukraine-Krieg eine geopolitische Machtverschiebung, zumal Donald Trump, der gute Beziehungen zu den Golfstaaten pflegte, nicht mehr im Amt ist. Dass sich die USA derzeit mehr und mehr aus der Region zurückziehen, ermutigt nun viele arabische Länder wie Saudi-Arabien, sich neu zu orientieren.
Algerien vermittelte vor Kurzem ein Abkommen zwischen den zerstrittenen Palästinenserfraktionen Fatah und Hamas. Die Erklärung von Algier sah vor, die Kluft zwischen der Fatah von Präsident Mahmud Abbas und der Hamas zu überwinden, die bislang die palästinensische Regierung im Gazastreifen vom israelisch besetzten Westjordanland politisch getrennt und die palästinensischen Bestrebungen nach einem eigenen Staat behindert hatte.
Nachdem vier Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga auf Geschäftsbasis ihre Beziehungen zu Israel in Trumps Ära normalisiert hatten – wobei sie keine Rücksicht auf die Palästinenser nahmen –, hat sich Algier ausdrücklich im arabisch-israelischen Konflikt auf die Seite der Palästinenser gestellt. Mit den sogenannten Abraham-Abkommen normalisierten die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain ihre Beziehungen zu Israel, später auch Marokko und Sudan. Algerien und Marokko befinden sich ihrerseits in Nordafrika in einem geopolitischen Konflikt, der auch ideologische Züge trägt.
Marokko beansprucht Westsahara als Teil seines Staatsgebietes. Demgegenüber strebt die Polisario-Front die Unabhängigkeit der Region an. Diese westsaharische Befreiungsbewegung wird ihrerseits von Algerien unterstützt.
Die verstärkte Zusammenarbeit mit Marokko ist unter anderem Teil der israelischen Strategie, um eine gemeinsame Front gegen Iran zu bilden. Iran versucht seinerseits, seine Beziehungen zu Algerien auf der Basis seiner Widerstandsgeschichte gegen den französischen Kolonialismus zu erweitern, um eine neue Front gegen die westliche Politik in Nordafrika zu eröffnen.
Die Arabische Liga trat diesmal am 68. Jahrestag des Beginns des Algerienkrieges zusammen. Präsident Putin kritisierte kürzlich in seiner Grundsatzrede beim jährlichen Treffen "Waldai-Klub" Belagerungen und Putsche in Nahost und Nordafrika durch den Westen. Was aktuell im Hinblick auf den Ukraine-Krieg geschieht, ist für Russland und seine Verbündeten der Gegenentwurf zur westlichen Hegemonie und die Emanzipation der Welt von der westlichen Weltordnung. Algerien nähert sich seither wieder stärker Russland an. So etwa war das Land eines der ersten, die das russische Raketenabwehrsystem S-400 erhielten. Im Bereich der Cyber-Abwehr setzt Algerien seit Jahren ebenfalls auf russische Technologie. Algerien und Russland hielten letzte Woche zudem eine viertägige gemeinsame Militärübung im Mittelmeer ab.
Die 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga plädierten am Mittwoch für einen Verzicht auf Gewalt und eine politische Lösung im Ukraine-Krieg. Die Staaten wollten in dem Konflikt neutral bleiben, wie es in einer Abschlusserklärung hieß. Diese Erklärung war indes eine Ohrfeige für die westlichen Staaten, die behaupten, dass Russland seit dem Ukraine-Krieg isoliert sei.
Dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman dem Gipfel in Algier ferngeblieben, deutet an, dass Saudi-Arabien mit dem diplomatischen Aufstieg Algeriens in der arabischen Welt nicht zufrieden ist. Bin Salman bleibe in Riad, "wegen einer akuten Ohrentzündung", hieß es offiziell. Algerien gelang es allerdings nicht, Syrien nach elf Jahren die Rückkehr in die Liga zu ermöglichen – Saudi-Arabien, Qatar und Ägypten sind dagegen. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ordnet sich die Region wieder neu. Je mehr der Westen sich aus der Region zurückzieht, desto mehr werden antiwestliche Akteure an Einfluss bei Bestimmung des Narrativs in Nordafrika und Nahost gewinnen.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.