Terror gegen die Zivilbevölkerung: Ukraine beschießt Einkaufszentren in Donezk und Melitopol
Von Anton Gentzen
Donnerstagmittag gingen schreckliche Bilder und Videoaufnahmen aus Donezk und Melitopol um die Welt. Die journalistische Ethik verbietet es, diese Aufnahmen in Gänze zu veröffentlichen: Die über den Bürgersteig verteilten Leichenteile, das, was von einem 14-jährigen Jungen übriggeblieben ist, die leblosen Körper inmitten des Metallgewirrs, das soeben noch ein Linienbus war. Doch kann es überhaupt richtig sein, dem Leser die ganze Brutalität vorzuenthalten, die für die Einwohner der Städte des Donbass seit acht Jahren und seit März dieses Jahres auch in der Südukraine Alltag geworden ist? Besteht die journalistische Pflicht nicht gerade darin, dem im Westen ahnungslosen und vom Mainstream in die Irre geführten Normalverbraucher die Augen zu öffnen, ihn wachzurütteln?
Der "Krytyj Rynok", übersetzt "Überdachter Markt", befindet sich mitten in der City von Donezk. Das Angebot an Lebensmitteln, Waren des täglichen Bedarfs, Andenken und Nippes lässt keine Wünsche offen. Die Preise sind im Vergleich zu Supermarktketten niedrig, und so ist es ein beliebter Ort für den Einkauf und den Bummel für jedermann. Für die Rentner mit ihren niedrigen Pensionen, die Schüler mit ihrem Taschengeld, die Arbeiterfamilien, die auch auf jede Kopeke achten müssen, aber auch für die wohlhabendere Mittelklasse, der es um die Frische und Naturbelassenheit der Lebensmittel geht. Jeder, der Donezk besucht hat, war schon einmal da: Es ist der Ort, an dem man sich trifft, mit vielen guten Restaurants und Cafés in der Umgebung oder dem billigeren Snack für Zwischendurch an einem der Stände. Hier gibt es alles. Fast alles. Denn eines gibt es hier weit und breit nicht: Militärobjekte.
Zwei ukrainische Raketen schlugen in der Mittagszeit ein. Um die Mittagszeit ist der Markt besonders voll. Eine Rakete schlug auf der Straße zwischen Blumengeschäften und frisch sanierten Straßenbahnschienen ein. Die Kassette mit der tödlichen Fracht breitete ihren Inhalt über die gesamte Straßenbreite aus: in die Blumenstände hinein, auf den Bürgersteig und auf die Fahrbahn. Auf der Fahrbahn war gerade ein Linienbus unterwegs, gelb, das Linienschild trägt die Nummer "38". Die todbringenden Elemente trafen den Fahrer und mehrere der Fahrgäste, die Reifen explodierten, der Bus kam von der Fahrbahn ab und blieb auf den Straßenbahnschienen stehen.
Auf dem Bürgersteig kamen auch Passanten ums Leben: Eine Mutter, die gerade ihren Kleinwagen mit drei Kindern darin am Straßenrand abgestellt hatte, um eine Besorgung zu erledigen. Ein 14-jähriger Junge. Ein Mann mittleren Alters. Bisheriger Todeszoll allein dieses Treffers: 6 Tote, 4 Verletzte.
In Melitopol, einer der zwei russisch kontrollierten Großstädte der Region Saporoschje, war es ein Bombenanschlag, der gegen 10 Uhr Ortszeit den Zentralen Markt erschütterte. Ort und Zeit wurden perfide gewählt: Der Sprengsatz war in einem sogenannten Familiengeschäft platziert: Hier holen Mütter die Babynahrung für ihre Neugeborenen, für die ganz Kleinen, und das macht man gewöhnlich am Vormittag, kombiniert mit einem Spaziergang oder einem Pflichtbesuch in der Poliklinik.
Wie durch ein Wunder gab es hier keine Toten. Sechs Verletzte meldet die Nachrichtenagentur RIA Nowosti, drei mussten mit "mittelschweren" Verletzungen hospitalisiert werden.
In beiden Fällen haben Ermittler inzwischen ihre Arbeit aufgenommen. Und während die deutsche Presse wieder einmal den ukrainischen Bomben- und Raketenterror entweder ignoriert oder so tut, als hätten sich "die Russen" wieder einmal selbst beschossen, zeigen die ersten Ergebnisse der Ermittlungen, dass in Donezk auch heute wieder das NATO-Kaliber 155 mm zum Einsatz kam.
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Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.