Ukraine erklärt kritische Journalistin zur Staatsfeindin
Die ukrainische Journalistin Sonja Lukaschowa ist auf der berüchtigten Webseite Mirotworez ("Friedensstifter") gelandet, nachdem sie einen brisanten Artikel verfasst hatte. Im Artikel behauptete sie, dass die meisten Vergewaltigungsvorwürfe, die von der ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten des Landes, Ljudmila Denisowa, gegen das russische Militär erhoben wurden, falsch seien. Mirotworez, das mutmaßlich vom ukrainischen Sicherheitsdienst (SBU) betrieben wird, listet Personen auf, die als "Feinde der Ukraine" gelten.
Die bahnbrechende Enthüllung wurde am Montag von der Zeitung Ukrainskaja Prawda veröffentlicht. Laut dem Artikel, der sich auf verschiedene offizielle Quellen beruft, ist die überwiegende Mehrheit der Behauptungen über "sexuelle Gräueltaten", die angeblich von russischen Truppen während des Konflikts begangen wurden, falsch. Die Behauptungen wurden von der Menschenrechtsbeauftragten Denisowa verbreitet, die Ende Mai nach einem Misstrauensvotum abgesetzt wurde. Sie hatte versäumt, humanitäre Korridore und einen Gefangenenaustausch zu organisieren, und konzentrierte sich vielmehr auf die Verbreitung unbestätigter und unbegründeter Behauptungen.
Dem Bericht zufolge versuchten ukrainische Strafverfolgungsbeamte, Denisowas Behauptungen zu untersuchen, fanden aber keine Beweise für deren Untermauerung. Nach mehreren Verhören Denisowas fanden die Beamten heraus, dass die Menschenrechtsbeauftragte all ihre brisanten Enthüllungen von ihrer Tochter Alexandra Kwitko "beim Tee" erhalten hatte. Letztere leitete eine "psychologische Hotline" für Opfer von Kriegsgewalt, die von Denisowas Büro in Zusammenarbeit mit dem UNICEF eingerichtet wurde.
Der Hotline fehlte es an Transparenz: Während Kwitko den Ermittlern angeblich erzählte, sie habe in nur eineinhalb Monaten über 1.000 Anrufe erhalten, von denen etwa 450 die Vergewaltigung von Minderjährigen betrafen, gingen laut den Protokollen der Hotline nur 92 Anrufe ein. Auch die genaue Art der Anrufe blieb unklar, da Kwitko dem Ermittlungsbericht zufolge keine Angaben zu den angeblichen Opfern machte.
Mehrere ukrainische Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verurteilten die Enthüllungen Lukaschowas und betonten, dass die Berichterstattung über die Aktivitäten der in Ungnade gefallenen Menschenrechtsbeauftragten und ihrer Tochter Russland helfen würde. Der politische Kommentator und prominente Unterstützer von Ex-Präsident Petro Poroschenko, Taras Beresovez, beschuldigte die Reporterin beispielsweise unverblümt, erstklassiges Material für "russische Propaganda" zu produzieren. In einem Social-Media-Post schrieb der Kommentator:
"Die Autorin der Denisowa-Untersuchung, Sonja Lukaschowa, die die ehemalige Menschenrechtsbeauftragte beschuldigte, zahlreiche Fälschungen über die Vergewaltigung ukrainischer Kinder erstellt zu haben, landete in der Datenbank von Mirotworez. Lukaschowas Material wurde von der russischen Propaganda sehr (häufig) zitiert."
Der Mirotworez-Eintrag für Lukaschowa besagt, dass die Aktivitäten der Reporterin in irgendeiner Weise "mit der journalistischen Ethik unvereinbar" seien. Der Journalistin wird vorgeworfen, sich aktiv an "speziellen Informationsoperationen der russischen Aggression gegen die Ukraine" zu beteiligen und "öffentlich bedeutsame Informationen zu manipulieren". Der von der Zeitung veröffentlichte Bericht laufe darauf hinaus, "Beweise für Verbrechen zu verschleiern", die angeblich vom russischen Militär begangen worden seien, so Mirotworez.
Die Mirotworez-Webseite wurde 2014 als öffentliche Datenbank von "pro-russischen Terroristen, Separatisten, Söldnern, Kriegsverbrechern und Mördern" eingerichtet. Die Webseite enthält Links zu Konten in sozialen Medien und persönliche Informationen wie Privatadressen, Telefonnummern und E-Mails. Im Laufe der Jahre sind zahlreiche hochrangige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Politiker auf der Mirotworez-Liste gelandet, weil sie als "anti-ukrainisch" eingestuft wurden. Ungarns Premierminister Viktor Orbán und der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger gehören zu den jüngsten Neuzugängen in der Datenbank.
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