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Wer braucht die NATO? Der Python an Russlands Grenzen

Die NATO, seit dem Zerfall der Sowjetunion und des Ostblocks, auf ständigem Expansionskurs, wird auf dem nächste Woche bevorstehenden Gipfeltreffen in Madrid eine massive Aufstockung der Truppenpräsenz an den Grenzen Russlands beschließen. Eine friedliche Koexistenz ist damit kaum noch möglich, sagt unser Autor.
Wer braucht die NATO? Der Python an Russlands GrenzenQuelle: Sputnik © Karikatur von Witali Podwitskij

von Sergej Strokanj

Zwei Wochen vor dem NATO-Gipfel in Madrid, der vom 28. bis 30. Juni stattfinden soll, machte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Konturen einer neuen Strategie zur Abschreckung Russlands an der Ostflanke kenntlich. Er verlautbarte die Pläne der euro-atlantischen Verbündeten, die Zahl der vorgeschobenen Kampfgruppen in jedem der osteuropäischen Länder von der Bataillons- auf die Brigadeebene zu erhöhen.

Aus den Ausführungen von Jens Stoltenberg geht hervor, dass die NATO mit den Vorbereitungen für eine weitere langfristige Konfrontation mit dem Nachfolgestaat der Sowjetunion beginnt. Bereits mit Gründung der NATO im Jahr 1949 machte sich das Bündnis zur Aufgabe, Europa vor "sowjetischem Einfluss" zu schützen. Heute, mit der neuen Wendung der Geschichte, bleibt der Archetyp des klassischen geopolitischen Konflikts des Kalten Krieges derselbe.

Nun aber ist die Rede von einer imaginären russischen Bedrohung und nicht mehr von einer sowjetischen. Der zweite wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Vorposten für die künftige Eindämmung Moskaus die ehemaligen Ostblockländer sein sollen. Diese sind nach dem Zusammenbruch der UdSSR dem russischen Einfluss entronnen und von der Allianz absorbiert worden, so wie eine Python ihre Beute würgt, verschluckt und verdaut, ohne Aussicht auf Entkommen.

Während einer Pressekonferenz in Brüssel stellte Jens Stoltenberg Betrachtungen darüber an, wie die neuen NATO-Verteidigungspläne im Osten, die noch in der Entwicklung sind, aussehen könnten. Dabei versprach er nicht nur, die Präsenz der Allianz in Osteuropa von der Bataillons- auf die Brigadeebene zu erhöhen, sondern auch schwere Waffen an der russischen Grenze zu stationieren und dort vorgeschobene Kommandozentralen, Munitions- und Treibstoffdepots einzurichten.

Zu behaupten, dass bereits alles vereinbart und genehmigt wurde, ist jetzt noch nicht möglich. Voraussichtlich wird dies auf dem Gipfeltreffen in Madrid geschehen, wo die Teilnehmer eine neue Vorgehensweise für das Bündnis bestimmen werden. Sie wird eine in die Jahre gekommene Strategie ersetzen, die auf dem NATO-Gipfel in Lissabon im November 2010 beschlossen wurde und Russland zum Partner erklärte. Während des Lissabonner Gipfels trat der NATO-Russland-Rat zusammen, an dem auch der damalige russische Präsident Dmitri Medwedew teilnahm.

Doch obwohl es erst 12 Jahre her ist, scheint es, als sei eine ganze Ewigkeit vergangen. Die neue Madrider NATO-Strategie wird Russland nicht mehr als Partner, sondern als Hauptbedrohung bezeichnen (die genaue Definition wird derzeit noch ausgearbeitet). Darüber informierte kürzlich die US-Vertreterin bei der NATO, Julianne Smith.

"Die Ausarbeitung des strategischen Konzepts ist noch nicht abgeschlossen. Doch ich glaube, wir sind uns grundsätzlich einig, dass Russland die erstrangige Herausforderung ist, das die Bedeutung primärer Bedrohung hat, mit der die NATO derzeit konfrontiert ist",

sagte sie. Ihren Worten zufolge befand sich die Nordatlantische Allianz bereits vor der militärischen Spezialoperation in der Ukraine in einem Übergangsstadium einer Neubewertung der Beziehungen zu Russland und entwickelte Pläne zur "Stärkung von Abschreckung und Verteidigung".

In der Tat reifte diese bedrückende Situation schon seit langem heran - in dem Maße, wie sich die Beziehungen zwischen Moskau und Brüssel immer weiter verschlechterten. Als Reaktion auf die Ausweisung russischer Diplomaten aus Brüssel im vergangenen Oktober ging Moskau sogar so weit, die Beziehungen zum Nordatlantischen Bündnis faktisch abzubrechen.

Das Außenministerium der Russischen Föderation kündigte daraufhin die Schließung der Ständigen Vertretung bei der NATO auf unbestimmte Zeit an. Außerdem wurden zwei NATO-Strukturen in Moskau, nämlich die Militärmission und das Informationsbüro des Bündnisses, aufgelöst.

"Die Handlungen der NATO zeugen von einem mangelnden Interesse an einem gleichberechtigten Dialog und einer Zusammenarbeit zur Deeskalation der militärischen und politischen Spannungen. Die Haltung der Allianz gegenüber unserem Land wird immer aggressiver. 'Die russische Bedrohung' wird aufgebauscht, unter anderem mit dem Ziel, die interne Einigkeit des Bündnisses zu stärken und den Anschein einer 'Gefragtheit' unter den gegenwärtigen geopolitischen Bedingungen zu erwecken",

so das russische Außenministerium. Auf diese Weise nimmt alles seinen rechten Platz ein. Die Ansage von Jens Stoltenberg über die Erhöhung der Zahl vorgeschobener Kampfgruppen in jedem osteuropäischen Land von der Bataillons- auf die Brigadeebene kam nicht aus heiterem Himmel.

Inwieweit ist dies ernst zu nehmen und wie könnte es das Kräfteverhältnis verändern? Beginnen wir mit der Zählung. Ein Bataillon umfasst also 300 bis 1000 Mann, eine Brigade 3000. Die Aufstockung der militärischen Präsenz ist offensichtlich.

Nichts ist gut daran, auch wenn es an sich nicht kritisch ist. Das Unangenehmste an der ganzen Geschichte: Dieses Upgrade der militärischen NATO-Präsenz in Osteuropa signalisiert einen Wendepunkt und eine beängstigende neue Realität in den Beziehungen zwischen Moskau und Brüssel.

Mit ihrem jüngsten Beschluss beerdigt die NATO endgültig die "Grundakte über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit", die vor 25 Jahren, am 27. Mai 1997, unterzeichnet wurde. In ihr wurden die Grundprinzipien der Beziehungen zwischen Russland und den NATO-Staaten ausformuliert und Bereiche der Zusammenarbeit sowie ein Konsultationsmechanismus festgelegt.

Die "Grundakte", die vom damaligen Generalsekretär der NATO, Javier Solana, unterzeichnet wurde, proklamierte eine Abkehr von Konfrontation und aggressiven Maßnahmen gegeneinander. Zudem schloss sie die Möglichkeit derartiger Beschlüsse aus, wie sie diese Woche vom amtierenden NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg angekündigt wurden. Zu diesem Beschluss war das Bündnis im Vorfeld des NATO-Gipfels in Madrid in großer Eile gekommen.

Im Verlauf des Gipfeltreffens der "Bukarester Neun" letzte Woche, zu denen die Länder an der Ostflanke des Bündnisses - Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und die Slowakei - gehören, wurde von der Notwendigkeit gesprochen, die Zahl der NATO-Soldaten in Osteuropa erheblich zu erhöhen.

"Wir setzen uns dafür ein, dass die Enhanced forward presence (Verstärkte Präsenz an vorderster Front), die wir heute an der Ostflanke der NATO haben, nicht nur auf weitere Länder - Bulgarien, Ungarn, Slowakei - ausgedehnt wird. Wir wollen außerdem, dass diese Präsenz in eine Enhanced forward defence (Verstärkte Verteidigung an vorderster Front) umgewandelt wird", sagte der polnische Präsident Andrzej Duda.

Ihm zufolge rufen die "Bukarester Neun" dazu auf, "die bestehenden Bataillonsgruppen in Brigadegruppen umzuwandeln und die Zahl der NATO-Soldaten in einigen Ländern an der Ostflanke des Bündnisses deutlich zu erhöhen".

Kurzum kriecht der nicht mehr ganz so junge Python des Nordatlantiks, mit seinen Muskeln spielend, langsam, aber unaufhaltsam an Russlands Grenzen heran und gerät in dessen Zielfernrohr. Und die Antwort ist bereits gegeben, wer das alles, wer die NATO benötigt.

Übersetzt aus dem Russischen

Sergej Strokanj ist Schriftsteller und Journalist.

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