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Strikte US-Reformpläne für die Weltgesundheitsorganisation: Gescheitert oder verschoben?

Das Entscheidungsgremium der WHO wollte auf einem Treffen in Genf wegweisende Änderungen bezüglich kommender Gesundheitsnotstände und möglicher Pandemie-Regelungen beschließen. Diese von den USA beantragten Pläne scheiterten vorerst. Vor allem am Widerstand afrikanischer Länder.
Strikte US-Reformpläne für die Weltgesundheitsorganisation: Gescheitert oder verschoben?Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Vasilis Rebapis / Eurokini

Eine Analyse von Bernhard Loyen

Vom 22. bis 28. Mai tagten in Genf die Gesundheitsminister im Rahmen der 75. Weltgesundheitsversammlung (WHA), dem Entscheidungsgremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Im Vorfeld berichteten sehr vereinzelt mehrheitlich alternative Journalisten und Medien über die von der US-Regierung zu Jahresbeginn vorgebrachten Änderungsvorschläge einer eindeutigen Verschärfung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR) und der parallel verlaufenden Ausarbeitung eines internationalen WHO-Pandemievertrags bis 2024.

Die geladenen Mitglieder der WHA setzen sich aus den Gesundheitsministern der knapp 200 Mitgliedsländer der WHO zusammen, so war auch deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor Ort.

Nun wurden erneut über den Wirtschaftsjournalisten Norbert Häring und seinen Blog Geld und mehr erste Ergebnisse des aktuellen Meetings bekannt. Demzufolge seien die ursprünglichen Pläne der US-Regierung und der WHO am "Widerstand afrikanischer und anderer Länder" vorerst gescheitert. Der neue Zeitplan sehe nun vor, dass in einem weiteren Anlauf "bis 2024" verhandelt werden müsse.

Die Meetings der WHA gelten als das Forum, das die Regeln und Richtlinien für aktuelle wie kommende Tätigkeiten sowie auch für Ausführungsrechte der WHO definiert. Im Januar 2022 ließen die US-Vertreter ihre Vorstellungen von zukünftigen Regelungen vorab übermitteln. Das US-Portal America Out Loud fasste Anfang Mai die beabsichtigten Neuerungen für das zurückliegende Treffen wie folgt zusammen:

"Diese Änderungen werden den Generaldirektor der WHO ermächtigen, Gesundheitsnotfälle oder -krisen in jedem Land auszurufen, und zwar einseitig und gegen den Widerstand des betroffenen Landes. Der Generaldirektor wird in der Lage sein, diese Gesundheitskrisen allein aufgrund seiner persönlichen Meinung oder seiner Einschätzung auszurufen, dass eine potenzielle oder mögliche Bedrohung für andere Länder besteht. 

Sollten die von der Biden-Administration vorgeschlagenen Änderungen verabschiedet werden, werden sie allein schon durch ihre Existenz und ihre Absicht die Unabhängigkeit und Souveränität der Vereinigten Staaten drastisch beeinträchtigen. Dieselbe Gefahr droht allen 193 Mitgliedsstaaten der UNO, die alle der WHO angehören und 99,44 % der Weltbevölkerung repräsentieren."

Im America-Out-Loud-Artikel werden zudem die WHO-Mitgliedsländer genannt, die nach Erhalt der US-Vorschläge ihre vorzeitige Zustimmung signalisierten:

"Albanien, Australien, Kanada, Kolumbien, Costa Rica, die Dominikanische Republik, Guatemala, Indien, Jamaika, Japan, Monaco, Montenegro, Norwegen, Peru, die Republik Korea, die Schweiz, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland, Uruguay, die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU)."

Die EU umfasst wiederum 27 Einzelstaaten. Das ZDF stellte der kritischen medialen Hinterfragung noch vor dem Meeting am 19. Mai einen sogenannten "Faktencheck" entgegen. Dieser unterstellt:

"Querdenker und Verschwörungsgläubige machen mit alarmistischen Aussagen Stimmung gegen geplante Reformvorhaben der Weltgesundheitsorganisation ...

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will Konsequenzen aus der Corona-Pandemie ziehen und verhandelt über ein umfangreiches Reformprogramm. Querdenker und Verschwörungsgläubige wittern darin eine neue Weltverschwörung und das Ende der Demokratie."

Für den ZDF-Konsumenten wird erläutert, dass die einzelnen Staaten nach erfolgreichem Beschluss zukünftig "Informationen wie relevante Infektionsfälle schneller melden, die WHO mehr Befugnisse beim Erklären von Notlagen erhalten oder WHO-Experten sich einfacher vor Ort ein Lagebild verschaffen dürfen". Häring | resümiert in seinem aktuellen Artikel zu den jüngsten Ereignissen:

"Selbst wenn man danach suchte, fand man während der Versammlung in Genf praktisch keine gehaltvollen Berichte darüber, wie die Diskussion um die IHR-Reform lief und was dazu beschlossen wurde, weder in den Medien, noch von der WHO. Gerade so, als sei Pandemiepolitik etwas, was die breite Öffentlichkeit nicht interessiert oder nicht zu interessieren hat."

Selbst der als sehr mitteilungsbedürftig bekannte und Social-Media-affine Gesundheitsminister Lauterbach veröffentlichte bis dato keinerlei Mitteilung zu den Ergebnissen des sechstägigen Treffens. Eine allgemein gehaltener Tweet vom 24. Mai ohne informativen Wert lautete lediglich:

"Gemeinsam können wir eine Menge erreichen. Neue Pandemien können verhindert werden, wenn wir die Menschen darüber aufklären, wie das möglich ist. Die WHO stellt sich dieser Herausforderung."

Härings Hinweis auf die Ablehnung der US-Pläne vor allem durch afrikanische Delegierte beim WHA-Meeting bestätigt sich über einen Artikel der Seite Health Policy Watch (HPW) vom 28. Mai. Das Online-Magazin wird laut Häring vom "in der Gesundheitspolitik extrem einflussreichen Wellcome Trust" sowie "einer Reihe von anderen Stiftungen/Philanthropien, Berufsverbänden und akademischen Einrichtungen sowie einigen begrenzten Werbeeinnahmen" finanziert, so die Eigenauskunft des Magazins.

Im HPW-Artikel heißt es, dass der Vertreter der US-Delegation, Colin McIff, beim Meeting darauf Wert legte zu betonen, dass "Änderungen an den Internationalen Gesundheitsvorschriften einen Pandemievertrag ergänzen und nicht ersetzen" würden. Das klingt "nicht wirklich wesentlich" für den parallel verlaufenden Prozess zum Pandemievertrag. An einer anderen Stelle im Artikel heißt es dann jedoch:

"Der Schritt ist Teil eines hochtechnischen Maßnahmenpakets der USA, das als praktischster Weg zur Ankurbelung des Reformprozesses bei der Pandemiebekämpfung Unterstützung fand. Kurz nachdem einer der Hauptausschüsse der Versammlung die Resolution angenommen hatte, brach breiter Beifall aus."

Zur final abgelehnten gesamten Beschlusslage der US-Vorschläge heißt es dann:

"Auch wenn diese Bedenken von der Versammlung nicht direkt angesprochen wurden, haben die in dieser Woche gefassten Beschlüsse einen Prozess zur Aktualisierung der vagen und oft indirekten IHR-Regeln aus dem Jahr 2005 in Gang gesetzt, während die Verhandlungen über einen umfassenderen Pandemievertrag weitergehen. 

Zu Beginn der Woche stieß diese verfahrensorientierte Resolution auf unerwarteten Widerstand einiger Länder, darunter die afrikanische Gruppe, die befürchtete, dass Änderungen an den IHR ohne ausreichende Prüfung oder Beteiligung vorgenommen werden könnten."

Häring vermutet, dass der Grund des vorläufigen Scheiterns der "Widerstand der ärmeren und schwächeren Länder, die sich keine sie entmachtende Reform bieten lassen wollten, ohne überhaupt am Reformprozess beteiligt worden zu sein", sein könnte. In einem Blog-Artikel der Journalistin Shabnam Palesa Mohamed findet sich die erläuternde Erklärung für die Ablehnung:

"Die afrikanische #WHA75-Delegation äußerte Vorbehalte gegen diese IHR-Änderungen und erklärte, alle Reformen sollten zu einem späteren Zeitpunkt als Teil eines "ganzheitlichen Pakets" angegangen werden.

"Die afrikanische Region teilt die Ansicht, dass der Prozess nicht überstürzt werden sollte", sagte Moses Keetile, stellvertretender Staatssekretär im Gesundheitsministerium von Botswana, am Dienstag im Namen der afrikanischen Region vor der Versammlung."

Der beschlossene und vereinbarte "Zeitplan für das Vorantreiben der IHR-Reform" nach Beendigung des WHA-Meetings sieht nun vor, dass bis 30. September 2022 alle Länder ihre eigenen Reformvorschläge vorstellen dürfen, über die bis Januar 2023 ein entsprechender Bericht beim Exekutivrat der WHO verfasst werden soll.

Im Verlauf des kommenden Jahres wird dann verhandelt, damit ein neu geschaffener IHR-Reformausschuss eigene Vorschläge formuliert, heißt es im Health-Policy-Watch-Artikel. Ein "hochrangiger US-Beamter" wird mit der Sorge zitiert:

"Es sei ein heikler Balanceakt, den es zu beachten gelte, sagte der US-Beamte und bezog sich dabei auf Bedenken, die in den Gesprächen mit der afrikanischen Gruppe und anderen Staaten in der vergangenen Woche aufgekommen waren."

Der US-Beamte wies zudem, je nach Blickwinkel als schlichter Hinweis oder bedenkliche Ankündigung, darauf hin:

"Ehrlich gesagt handelt es sich dabei aber auch um technisch komplexe Themen, die nicht nur in der Exekutive, sondern auch in der Legislative der Regierungen viele Herausforderungen mit sich bringen. Wir müssen also auch diese Themen gebührend berücksichtigen." 

2024 käme es dann zur endgültigen Entscheidung wie auch zu einem geplanten potenziell neuen und modifizierten Pandemieplan der WHO.

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