Die USA nutzen die Ukraine, um die Spannungen in der Taiwan-Frage anzuheizen
Eine Analyse von Timur Fomenko
Das "Fact Sheet" auf der Webseite des US-Außenministeriums, betreffend die Beziehungen der USA zu Taiwan, wurde kürzlich angepasst. Verweise auf das US-amerikanische Engagement für die Ein-China-Politik, also die Anerkennung, dass Taiwan ein Teil von China ist, wurden entfernt und durch eine Reihe von Einträgen ersetzt, die stattdessen ausführlich die Bedeutung der Beziehungen der USA zu Taiwan als "indopazifischem Partner" preisen. Wenn auch inoffiziell.
Peking verurteilte den Schritt umgehend und beschuldigte die USA, geltende Vereinbarungen zu untergraben. Gleichzeitig wurde in einem Telefongespräch zwischen US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und seinem chinesischen Amtskollegen die "Ein-China-Politik" gemäß dem Gesprächsprotokoll ebenfalls nicht erwähnt, während Taiwans Außenminister Joseph Wu auf Twitter verkündete, der "Zauber von Ein-China" sei gebrochen.
Obwohl dies keine überraschende Entwicklung ist, sehen die Vereinigten Staaten durch den Kontext des Ukraine-Konflikts eine Gelegenheit, die Spannungen in der Taiwan-Frage zu verschärfen und gleichzeitig die eigene Position in dieser Angelegenheit zu stärken. In einem Prozess, den China als "Salami-Taktik" bezeichnet, besteht das Vorgehen der USA zu Taiwan darin, Lippenbekenntnisse zur Ein-China-Politik abzulegen. Gleichzeitig verändern sie hinter den Kulissen jedoch subtil die Messlatte nach unten, indem sie ihre politische, diplomatische und militärische Unterstützung für die Insel verstärken, um damit Pekings Einfluss auf den Wiedervereinigungsprozess zu schwächen.
Ein solches Vorgehen ist natürlich keine ausdrückliche Befürwortung einer "Unabhängigkeit Taiwans", was für China eine rote Linie darstellen würde, dient aber dennoch dazu, Peking de facto daran zu hindern, seine Ambitionen zu verwirklichen. Während dieses Vorgehen bereits unter der Administration von Donald Trump begann, ermöglicht der Konflikt in der Ukraine den USA nun aus mehreren Gründen, dies offener zu tun als bisher.
Wie aber konnte die Situation in der Ukraine zu einer solchen Verschiebung in der Strategie von Washington führen? Erstens rechnen die Vereinigten Staaten damit, dass der Konflikt zwischen Moskau und Kiew die Position von Washington in der Taiwan-Frage gestärkt hat, nachdem man zeigen konnte, dass eine wirksame wirtschaftliche, militärische und politische Abschreckung auch gegen China angewendet werden kann, sollte es zu einer Invasion von Taiwan kommen.
Selbstbewusst behauptet Washington, dass man in Bezug auf Sanktionen und in der geschlossenen Einheit der westlichen Verbündeten bei der Unterstützung der Ukraine an Russland "ein Exempel statuieren" und damit auch Peking die Risiken aufzeigen konnte. Diese Haltung übersieht natürlich bewusst die Realität, dass Chinas Wirtschaft wesentlich größer ist als die von Russland und global auch einen viel größeren Einfluss hat. Zum Beispiel wird nie der Versuch in Betracht gezogen, Chinas Devisenreserven in Höhe von drei Billionen Dollar einzufrieren, weil dies zu einem globalen Zusammenbruch des Finanzsystems führen würde.
Unabhängig davon haben hochrangige Beamte in den USA ihre Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass die Ereignisse in Osteuropa es weniger wahrscheinlich machen, dass China in der Taiwan-Frage zu militärischen Maßnahmen greifen wird, wenn es diese Risiken sieht. Dies ermutigt die USA zusätzlich, strategisch weiter an Pekings rote Linien heranzurücken. Darüber hinaus hat das einseitige westliche Propaganda-Narrativ, mit dem die Ukraine groß und stark geredet wird, die Frage aufgeworfen, ob China Taiwan ohne Weiteres militärisch bezwingen könnte, angesichts der geografischen Lage, bei der es sich um eine gebirgige Insel jenseits einer Meerenge mit tiefer See handelt.
Zweitens hat der Konflikt in der Ukraine den USA eine größere Kontrolle über das internationale Narrativ ermöglicht, indem sie die dortigen Ereignisse in die Begriffe des globalen Kampfes zwischen Demokratie und Autoritarismus einpacken – so wie sie es immer tun, wenn sie ihre Außenpolitik legitimieren wollen. Die USA rechnen eindeutig damit, dass ihre Verbündeten jetzt eher als zuvor bereit wären, sich auf ein militärisches Taiwan-Kontingent einzulassen, und glauben, dass in einem solchen Kontext China effektiv isoliert und Pekings Optionen eingeschränkt werden können.
Gemäß dieser Rechnung glaubt Washington, dass es koordinierte Bemühungen geben würde, westliche Waffen auf ähnliche Weise nach Taiwan zu schaufeln, wie man es derzeit in die Ukraine tut. Dies führt in den Vereinigten Staaten zur Wahrnehmung, dass eine weitere Verschärfung der Spannungen in dieser Region tatsächlich den eigenen strategischen Interessen dient und es möglich sei, international eine solide Front gegen China zu schmieden.
Dies, zusammen mit dem weiter oben genannten Faktor, deutet darauf hin, dass Washington gegenüber einem Konflikt um Taiwan weniger zögerlich gegenübersteht als bisher. Natürlich birgt dies enorme Risiken, insbesondere angesichts der Tatsache, dass ein gewisses Maß an Unklarheit darüber besteht, ob die USA militärisch direkt in den Konflikt eingreifen würden. Dennoch hat die Krise rund um die Ukraine letztendlich einen enormen Hochmut zugunsten der USA erzeugt. Daher beabsichtigen sie, die Messlatte weiter nach unten zu verschieben, in der Annahme, dass dies keine Konsequenzen haben wird.
Dies bedeutet keinesfalls, dass China so dumm sein und jetzt schon zubeißen wird. Für Peking spielt die Zeit vorerst noch zu seinen Gunsten, und man ist dort daher noch relativ entspannt. China verfügt immer noch über wachsende Ressourcen und hat den Spielraum, seine strategischen und militärischen Fähigkeiten zu optimieren, wozu auch der weitere Ausbau der Marine gehört, die in Bezug auf die Anzahl Schiffe aktuell als die weltweit größte Marine gilt.
Die Kehrseite des Ukraine-Konflikts ist, dass er zwar auf militärischer Ebene eine unmittelbar abschreckende Wirkung haben mag, China aber gleichzeitig erlaubt, die Handlungen der USA und ihrer Verbündeten im Fall der Ukraine zu evaluieren und zu bewerten, sich ehrlich den eigenen Schwächen zu stellen und neue Strategien im Hinblick auf die Vermeidung von geostrategischen Fallen der USA zu entwickeln.
Trotz des Lärms, der in der Taiwan-Frage aus den Medien dringt, bleibt abschließend festzuhalten, dass China außenpolitisch letztlich ein Staat ist, der zwar sehr risikoavers agiert, der aber mehr militärische Stärke und "Zähne zeigen" kann, wenn er Hand anlegen möchte. Die Chancen stehen jedoch gut, dass Xi Jinping erst dann den Abzug betätigt, wenn er sich absolut sicher ist, dass die Zeit dafür gekommen ist. Aber vorerst bleibt für ihn Chinas Wirtschaft oberste Priorität.
Übersetzt aus dem Englischen.
Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.
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