Baerbock: Keine Waffen an die Ukraine – wegen Rolle Deutschlands im Zweiten Weltkrieg

Trotz entsprechender Forderungen weigert sich Berlin weiter, Waffen in die Ukraine zu senden. Am Freitag begründete die Außenministerin dies mit der Rolle Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Das BMVg versetzte derweil seine Einheiten in der schnellen Eingreiftruppe der NATO in Alarmbereitschaft.

Die Rüstungsindustrie hat Hochkonjunktur – aus aller Herren NATO-Länder werden derzeit in Europa teils fragwürdige Kämpfer mit schwerem Geschütz ausgestattet. Insbesondere die USA, Großbritannien und die baltischen Staaten sowie die Türkei lieferten bisher Waffen in die Ukraine. Am Freitag erklärten die Niederlande, unter anderem 100 Scharfschützengewehre mit 30.000 Stück Munition, Kampfhelme, Splitterschutzwesten, Radargeräte und Detektoren zum Aufspüren von Land- und Seeminen in das Nachbarland Russlands zu senden. Auch Polen erhält 250 Kampfpanzer des Typs M1A2 Abrams von den USA, wie US-Verteidigungsminister Llyod Austin am Freitag in Warschau ankündigte – ein Deal, der sich inklusive Transportfahrzeugen, Munition und Schulungen auf umgerechnet rund 5,2 Milliarden Euro summieren soll.

Dabei zeigte sich Moskau nach den Worten von Außenminister Sergei Lawrow am Freitag "sehr besorgt" über den zunehmenden Beschuss in der Ostukraine. Es kämen Waffen zum Einsatz, die nach dem Friedensplan von Minsk verboten seien, sagte Lawrow. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stellte vermehrte Verstöße gegen die vereinbarte Waffenruhe fest.

Die vom Westen mit Waffen und Munition ausgerüsteten ukrainischen Regierungstruppen sind bereits seit 2014 schlagkräftig – nach UN-Schätzungen starben bisher mehr als 14.000 Menschen, die meisten von ihnen auf den Gebieten, die ihre Unabhängigkeit von Kiew erklärt hatten. Die Behörden in den nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk teilten am Freitag mit, seit Mitternacht seien mehrere Dutzend Granaten auf ihr Gebiet abgefeuert worden. Gegenüber dem Vortrag sei der Beschuss deutlich intensiviert worden – trotz eines geltenden Waffenstillstands.

Deutschland steht seit längerer Zeit dafür am Pranger, der Ukraine zu wenig Unterstützung zu zeigen, da Berlin die militärischen Hilfen, die der ukrainische Botschafter wiederholt und in nahezu grenellscher Manier von Berlin forderte, bisher ablehnte. Am Freitag bekräftigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erneut, dass Deutschland keine Waffen an die Ukraine liefern werde. Derzeit bestehe "kein Anlass", die Rüstungsexportvorschriften zu ändern, sagte Scholz. Laut den bestehenden Regeln sind Rüstungsexporte in Konfliktgebiete untersagt.

Obwohl Scholz vor einer naiven Einschätzung der Lage warnte und die jüngsten russischen Militärmanöver eine "dramatische Realität" nannte, betonte er nach dem EU-Afrika-Gipfel in Brüssel, dass Waffenlieferungen nicht angemessen seien: "Das wäre jetzt genau der falsche Zeitpunkt."

Bei der jährlichen Münchner Sicherheitskonferenz war neben 30 Staats- und Regierungschefs sowie 80 Ministern auch der ehemalige Schwergewichts-Boxchampion und Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, anwesend. Er nutzte die Gelegenheit, der deutschen Außenministerin Baerbock und ihrem US-Amtskollegen Antony Blinken direkt zu sagen, dass die Ukraine Waffen benötige, um sich zu verteidigen.

Auch Baerbock betonte aber erneut, dass Berlin keine Waffen in die Ukraine schicken werde. Deutschland habe aufgrund seiner Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg die Pflicht, andere Wege zur Friedenssicherung zu suchen. Das Land sei zum Beispiel der größte Geldgeber der Ukraine, so Baerbock in einem Gespräch auf der Sicherheitskonferenz mit ihrem US-Kollegen Antony Blinken. Dieser stimmte Baerbock zu, dass man gemeinsam und koordiniert vorgehe.

"Das ist unsere Stärke – wir stehen alle zusammen, aber wir nutzen unsere unterschiedlichen Rollen der Unterstützung, mit unserer unterschiedlichen Geschichte", so Baerbock.

Bei ihrem Debüt auf der Sicherheitskonferenz rief Baerbock die russische Regierung auf, ihre Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen und erklärte: "Diese Krise ist keine Ukraine-Krise, sondern eine Russland-Krise." Sie sei entschlossen, daran mitzuwirken, das Risiko der Eskalation zu minimieren.

Baerbock sagte, es habe einen "Hoffnungsschimmer" gegeben, als Russland ankündigte, seine Truppen nach den umfangreichen militärischen Übungen in der Nähe der Grenze abzuziehen. Sie mahnte, dass "wir jetzt auch Taten sehen müssen, weil die russische Bedrohung immer noch real ist".

Das Verteidigungsministerium kündigte am Freitag in Berlin an, dass Deutschland seine Truppen in der schnellen Eingreiftruppe der NATO in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen werde, damit sie im Falle einer Eskalation der Spannungen mit Russland schneller zum Schutz der osteuropäischen Verbündeten eingesetzt werden können.

"Die erhöhte Einsatzbereitschaft ermöglicht es der NATO, im Falle einer weiteren Eskalation durch Russland insbesondere unseren osteuropäischen Verbündeten angemessene Sicherheit zu garantieren, um verbündetes Territorium zu schützen", hieß es in der Erklärung, ohne genauer zu benennen, welche Verbündeten damit wie "geschützt" werden sollen. Ein Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages bezüglich der kollektiven Verteidigung im Falle eines Angriffs gilt für NATO-Mitgliedsstaaten, zu denen die Ukraine allerdings nicht zählt.

"Auf Antrag des Supreme Allied Commander Europe (Saceur), General Wolters, und in enger Abstimmung mit den Alliierten wird die Bundesregierung die Reaktionsfähigkeit der in die NATO Response Force eingemeldeten Kräfte der Bundeswehr erhöhen", hieß es seitens des Bundesverteidigungsministeriums.

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