Dringende Besorgnis über den Zusammenzug von Truppen und Kriegsgerät der ukrainischen Streitkräfte äußerte Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, am Montag in Anwesenheit von Journalisten. Dies deute auf die Vorbereitung eines baldigen Angriffs hin. Es folgen Zitate durch die russische Nachrichtenagentur TASS:
"Die ukrainische Regierung konzentriert in der Tat eine gigantische Anzahl von Truppen und Gerät an der Kontaktlinie. Die Art dieser Konzentration lässt wirklich auf Vorbereitungen zu Offensivhandlungen schließen. Eine solche Bedrohung besteht in der Tat. Und in der Tat inspiriert jede einzelne Waffe, ob defensiv oder offensiv, [die an die Ukraine geliefert wird oder an die Frontlinie gelangt,] die Hitzköpfe in Kiew nur noch mehr dazu, diese Operation zu beginnen. Dies muss zwingend beunruhigen."
"Es gibt eine Bedrohung, und sie ist jetzt sehr hoch. Sie ist höher als zuvor."
Moskau möchte am liebsten, dass die NATO-Staaten das Kiewer Regime in jeder ihrer neuen Erklärungen auffordern, nicht einmal an die Möglichkeit einer militärischen Lösung des Konflikts im ostukrainischen Donbass zu denken, mahnte Peskow abschließend.
Äußerst besorgt scheint man auch in Weißrussland. Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko kündigte an, dass Minsk aufgrund der jüngsten Entwicklungen "ein ganzes Armeekontingent" in den Süden des Landes an die Grenze mit der Ukraine entsenden müsse:
"Das hat nichts mit einer 'Besatzung' zu tun, wir wollen nur unsere Südgrenze schützen. Wir waren nicht die Ersten.
"Die Ukrainer haben angefangen, dort Truppen zusammenzuziehen. Wozu verstehe ich nicht."
Beurlaubung von Armeepersonal ausgesetzt, Soldaten vorzeitig aus Krankenhäusern entlassen
Als Anzeichen eines baldigen Angriffs deutet man im Präsidium der Volksmiliz der Volksrepublik Donezk konkrete Aufklärungsdaten. Mit Folgendem zitiert die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti den stellvertretenden Leiter Eduard Bassurin:
"Wir haben Vorbereitungen für eine Offensive in den ukrainischen bewaffneten Formationen registriert, die sich in der Zone der sogenannten Operation der vereinten Kräfte befinden."
Ihm zufolge haben die Einheiten der ersten separaten Panzerbrigade, der Panzerbataillone der 53. und 54. mechanisierten Brigade und der 58. separaten motorisierten Infanteriebrigade der ukrainischen Streitkräfte für das gesamte Personal Beurlaubungen ausgesetzt. Zudem wurden alle Kommandeure gesondert angewiesen, an den aktuellen Dislokationsorten zu verbleiben und sich von ihren Einheiten auf keinen Fall zu entfernen. Gegebenenfalls in Krankenhausbehandlung befindliche Fahrer von Panzerfahrzeugen und Richtschützen werden früher als geplant in ihre Einheiten entlassen.
Bereitmachung: Vom Panzer über Minenräumer zum Gefechtsfeld-Raketenwerfer
Die Nachrichtenagentur Donezkoje Agenstwo Nowostej zitiert ihn mit der Information, in die Umgebung der Ortschaften Wolnowacha, Andrejewka und Dobropolje seien Panzerbesatzungen und Artilleriebedienungen abkommandiert worden, die dort ihre Waffen und Fahrzeuge auf einen Kampf vorbereiten.
Aus Brigadekommandostäben seien Prüfungskommissionen bei den Panzerbataillonen eingetroffen, die die Kampfbereitmachung der Waffen und der militärischen Ausrüstung und das Anlegen von Munitions- und Treibstoffvorräten überwachen sowie die Installation der Elemente der Reaktivpanzerung an den Panzern überprüfen sollen, so RIA Nowosti mit Verweis auf Bassurin.
Auch seien selbstfahrende Minenräumsysteme UR-77 an der Kontaktlinie im Donbass eingetroffen und die vorgelagerten Einheiten und Angriffsgruppen mit tragbaren Minenräumern UR-83P verstärkt worden. Beide Typen feuern Raketen ab, die explosive Räumschnüre abwickeln. Hierbei schlagen beide Systeme in Minenfelder Schneisen von sechs bis 14 Metern Breite und bis zu 100 Metern Länge auf 250 bis 400 Metern Entfernung.
Die Verlegung von Einheiten der 28. Brigade von ihrem Dauerstandort in der Region Odessa ins Donezbecken hat ebenfalls begonnen. Ihre Verlegung findet unter dem Vorwand einer planmäßigen taktischen Übung statt.
70 Kilometer Reichweite bis ins Zentrum von Donezk
Die ukrainische Regierung hat schwere Mehrfachraketenwerfersysteme in das Konfliktgebiet verlegt und auch damit begonnen, die Munitionsbestände dafür und für die Artillerie aktiv aufzufüllen. Dies teilte Bassurin am 21. Januar 2020 unter Berufung auf Aufklärungsdaten mit.
Insbesondere wurden nach seinen Angaben insgesamt acht Mehrfachraketenwerfer – zwei des Typs "Uragan" und sechs des Typs "Smertsch" – samt Streumunition am Bahnhof in Krasnoarmeisk entladen. Darüber hinaus füllt das ukrainische Militär seine Feldartilleriedepots im gesamten Operationsgebiet sowie speziell das Munitionsdepot in der Umgebung der Stadt Dobropolje nördlich von Krasnoarmeisk mit Munition auf.
Ein Blick auf die Landkarte offenbart: Von Karsnoarmeisk, in der Ukraine auch Pokrowsk genannt, sind bis zum Stadtzentrum von Donezk etwa 50 Kilometer Luftlinie. Smertsch-Mehrfachraketenwerfer haben in der klassischen, noch sowjetischen Ausführung und mit entsprechender Munition eine Reichweite von 70 Kilometern. Die Salve nur eines Werfers deckt eine Fläche von etwa 70 Hektar, die Zerstörungskraft von sechs Werfern ist laut Experten ohne weiteres mit der eines taktischen Nuklearsprengkopfes zu vergleichen.
Kommandotruppen – Provokationen mit Chemiewaffen als Streichholz am Pulverfass
Nicht zuletzt sind laut einer Meldung der Donezker Volksmiliz vom 21. Januar Einheiten des neonazistischen "Rechten Sektors" und Scharfschützen aus dem 74. Aufklärungsbataillon und der SBU-Sondereinheit "Alfa" an die Kontaktlinie im Donbass verlegt worden. Am 24. kamen weitere Elitetruppen hinzu, und zwar nach Awdejewka:
"Wir haben zuverlässige Informationen über die Ankunft von vierzig Soldaten des Dritten separaten Spezialregiments in die Umgebung von Awdejewka erhalten, die zuvor unter Anleitung von Ausbildern aus Großbritannien im 142. Übungs-und Ausbildungszentrum eine Kampfvorbereitung absolvierten. Diese sollen dort Provokationen durchführen."
Awdejewka, eine Stadt unter Kiewer Kontrolle wenige Kilometer von Donezk entfernt, ist hierbei nicht zufällig gewählt. Noch im Herbst 2021 wurden mehrere Lieferungen des Nervengifts Botulotoxin in abschuss- oder abwurfbereiten Behältern im Format von 40-Millimeter-Granaten in die Ukraine bestätigt. Ende des Jahres wurden sie in die Ortschaften Krasny Liman und Awdejewka verbracht, erinnerte Bassurin in der Meldung vom 21. Januar. Gleichzeitig werden in jüngster Zeit NBC-Schutz-Einheiten intensivem Training unterzogen:
"Auf dem Übungsgelände Anadol des Stützpunktes der 25. Brigade der ukrainischen Streitkräfte wird eine intensive Übung von NBC-Schutzeinheiten durchgeführt. In diesem Zusammenhang bleibt eine Wahrscheinlichkeit gegnerischer Provokationen unter Einsatz von Chemikalien bestehen, die Ende 2021 in die Ortschaften Awdejewka und Krasny Liman verbracht wurden."
Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu hatte Ende 2021 ebenfalls vor Provokationen mit Chemikalien gewarnt, die vom ukrainischen Militär verübt werden könnten.
Irreparabler Schaden für die ukrainische Armee im Fall des Angriffs
Der stellvertretende Leiter des Befehlsstabs der Volksmiliz Donezk ermahnte Kiew abschließend:
"Das Kommando der Volksmiliz der DVR rät dem Gegner eindringlich, von seinen verbrecherischen Plänen abzusehen. Die ukrainischen Aggressionsakte gegen die Volksrepubliken Donezk und Lugansk werden nicht ohne Reaktion bleiben. Die ukrainische Armee wird einen irreparablen Schaden erleiden, von dem sie sich nicht mehr erholen kann."
Bei dieser Aussage hat er nicht nur die Sicherheitskräfte der beiden Volksrepubliken hinter sich, sondern auch Russland. Daran erinnerte Konstantin Gawrilow, Leiter der russischen Delegation bei den vor kurzem stattgefundenen Wiener Verhandlungen über militärische Sicherheit und Rüstungskontrolle, am Sonntag auf dem Youtube-Kanal Isolenta live. Der Diplomat erklärte, dass in den beiden Volksrepubliken Donezk und Lugansk mittlerweile fast eine Million Menschen die russische Staatsbürgerschaft und Russland ihnen gegenüber eine Schutzverantwortung hat. Gawrilow wörtlich:
"Wurde in der Presse nicht ausführlich darüber berichtet? Es wurde alles deutlich gemacht, erklärt und gewarnt. Wir werden es nicht dulden, wenn unsere Bürger angegriffen werden."
Leere Drohungen wird es laut des Diplomaten von russischer Seite jedenfalls nicht geben.
Sowohl in westlichen Ländern als auch in Kiew gab es in den vergangenen Monaten Behauptungen über eine angeblich geplante Invasion Russlands in die Ukraine. Kremlsprecher Peskow bezeichnete diese Informationen als eine unbegründete Eskalation der Spannungen. Er betonte, dass Russland keine Bedrohung für irgendjemanden darstelle. Gleichzeitig schloss Peskow die Möglichkeit von Provokationen zur Rechtfertigung solcher Behauptungen nicht aus. Er warnte, dass jegliche Versuche, die Krise in der Südostukraine mit Gewalt zu lösen, schwerste Folgen haben würden.
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