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Warum die Kasachstan-Krise die Beziehungen zwischen China und den USA belasten könnte

Pekings Politik der "Nichteinmischung" in andere Länder wurde durch die Ereignisse in Kasachstan auf die Probe gestellt, nachdem Xi Jinping der kasachischen Regierung die Unterstützung Chinas ausgesprochen hatte. Es ist ein Zeichen für Dinge, die noch kommen werden, mit denen die Beziehung Chinas zu den USA zusätzlich belastet werden.
Warum die Kasachstan-Krise die Beziehungen zwischen China und den USA belasten könnteQuelle: www.globallookpress.com © Sarah Silbiger - Pool via CNP

Eine Analyse von Tom Fowdy

Am Freitag vor einer Woche telefonierte Staatschef Xi Jinping mit Präsident Qassym-Schomart Toqajew und versicherte ihm, dass er ihn und das Land gegen ausländische Einmischung unterstützen werde. Am Montag rief Chinas Außenminister Wang Yi den stellvertretenden kasachischen Premierminister und Außenminister Muchtar Tileuberdi an und versprach "der kasachischen Seite jede notwendige Unterstützung und Hilfe". Ein Leitartikel in der Global Times vom Wochenende machte auch deutlich, dass "China eine Koordinierung mit den Nachbarländern betreffend der Sicherheit in Kasachstan benötigt. Die Stabilität des zentralasiatischen Staates ist aufgrund seiner zentralen Rolle in Chinas Belt & Road-Initiative und seiner Importe von Energie aus Kasachstan ein wichtiges Thema".

Während Russland in Bezug auf die Krise in Kasachstan die Führung übernommen hat, besteht in Peking Einigkeit darüber, dass China nicht abseitsstehen und zulassen kann, dass eine potenziell feindliche Regierung in einem strategisch wichtigen Nachbarland die Macht übernimmt. Dies stellt Chinas jahrzehntealte Politik der "Nichteinmischung" auf die Probe und eröffnet eine neue Dynamik in den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. In der Ära nach Mao hat China strikt eine Politik der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder verfolgt. Diese Politik, die in Chinas eigenen historischen Erfahrungen verwurzelt ist, macht die nationale Souveränität zu einem Schlüsselprinzip in internationalen Angelegenheiten.

China akzeptiert keine Einmischung in seine eigenen Angelegenheiten und greift auch nicht in die Angelegenheiten anderer Staaten ein. Durch diese Politik hat Peking unter den Staaten des globalen Südens beträchtliche Sympathien gewonnen, wurde aber in den vergangenen Jahrzehnten auch durch sein Bedürfnis nach stabilen Beziehungen zu den USA und deren Verbündeten motiviert, wodurch ideologischer und geopolitischer Wettbewerb abgelehnt wird. China hat die Notwendigkeit, formelle Allianzen zu bilden, stets verneint, mit der einzigen Ausnahme von Nordkorea, das während des größten Teils der jüngeren Geschichte der einzige Staat war, den Peking zu stützen bereit war. Als die UdSSR zusammenbrach und sich der Ostblock vom Kommunismus entfernte, akzeptierte China öffentlich die Entscheidungen dieser Staaten. Kurz gesagt, Peking will im Gegensatz zu den USA im Prinzip vermeiden, anderen sein politisches System oder seine Werte aufzuzwingen.

Rückblickend war dies eine erfolgreiche Politik, insofern es China ermöglichte, pragmatische und vorteilhafte Partnerschaften mit Ländern aufzubauen, mit sehr unterschiedlichen Dispositionen wie Pakistan oder Saudi-Arabien.

Allerdings verändert sich die Welt. Chinas Politik der "Nichteinmischung" wird unter Druck gesetzt, ob es ihm nun gefällt oder nicht. Die USA engagieren sich in Konkurrenz dagegen und versuchen, das globale geopolitische Umfeld in ein ideologisches Schlachtfeld zu verwandeln. Dies hat die unvermeidliche Folge, dass es für China schwieriger wird, mit Demokratien zusammenzuarbeiten, die anfälliger für amerikanischen Einfluss sind. Darüber hinaus wollen die USA im Rahmen ihrer "Indopazifik-Strategie" China mit feindlich gesinnten Staaten umgeben, so wie sie es mit Russland an seiner Westgrenze tun.

Dies schafft ein strategisches Dilemma. China – das verständlicherweise gegenüber Einkreisungen empfindlich ist – wird gezwungen sein, in bestimmten Situationen zu handeln, wenn eine Änderung der Innenpolitik benachbarter Länder ein inakzeptables Risiko für seine eigene nationale Sicherheit entstehen lässt. Dies spiegelt wider, wie die USA Lateinamerika im Rahmen ihrer "Monroe-Doktrin" behandeln. Wie also kann China die ganze Zeit über neutral bleiben?

Kasachstan ist in dieser Hinsicht eine der ersten großen Prüfungen für Peking. Es ist ein strategisch entscheidender Staat, an Chinas Westgrenze liegend, der ein zentraler Bestandteil der Belt & Road-Initiative zur Anbindung an Europa und wichtig für Chinas eigene Energiesicherheit ist. Peking kann also nicht einfach nichts tun und zulassen, dass die Regierung von Toqajew fällt. China hat zwar keine Notwendigkeit, dem Land seine "Ideologie" aufzuzwingen, aber es liegt eindeutig in seinem Interesse, zu verhindern, dass sich ein islamistisch-radikalistisch motiviertes Anti-China-Regime durchsetzt, das die Stabilität der sensiblen, nebenan liegenden Region Xinjiang gefährden würde. Chinas Politik der Nichteinmischung wird also deutlich auf die Probe gestellt.

Was kann Peking über die rein verbale Unterstützung hinaus tun, um Kasachstan zu helfen? Da Russland aufgrund seiner Zugehörigkeit zum OVKS-Block militärisch die Führung übernahm, muss China nicht direkt zu dieser Option greifen. Peking könnte jedoch möglicherweise dazu übergehen, das Land mit Ausrüstung, Überwachungstechnologie und Polizeiausbildung zu versorgen, um somit die Sicherheitsressourcen des kasachischen Staates zu stärken, so wie es China kürzlich auf den Salomonen getan hat, nachdem Taiwan und die USA im vergangenen Jahr dort anti-chinesische Unruhen angezettelt hatten.

Auf wirtschaftlicher Ebene könnte China geneigt sein, auf mehr Stabilität im Land zu drängen, indem es Hilfe und andere wachstumsbasierte Anreize gewährt. Wie ein Experte in der Global Times schrieb: "Während die von Russland geführte OVKS Kasachstan direkte Unterstützung bieten konnte, um die Ordnung und Stabilität wieder herzustellen, könnte China dem Land nachhaltige Unterstützung bieten, um eine langfristige wirtschaftliche Entwicklung in Gang zu setzen und effektive Reformen voranzutreiben, damit grundlegende Probleme gelöst werden können, die möglicherweise zu erneuten Unruhen führen könnten."

Neben Kasachstan sind wahrscheinlich Kambodscha, Vietnam, Pakistan, Myanmar, Thailand und Laos weitere Länder, in denen Peking sich zunehmend geneigt fühlt, zur Aufrechterhaltung des Status quo beizutragen. Tatsächlich fällt so ziemlich jedes Land an Chinas Peripherie, das derzeit kein Verbündeter der USA ist und in dem ein Aufstand gegen China oder ein Regimewechsel angezettelt werden könnte, in diese Kategorie – obwohl abzuwarten bleibt, wie weit Peking bereit wäre zu gehen.

In vielerlei Hinsicht würde Chinas potenzielle "Einmischung" darauf abzielen, diese Staaten vor der Beeinflussung durch andere ausländische Staaten zu schützen. Peking versucht schließlich nicht, Revolutionen zu seinen eigenen Gunsten zu initiieren – wie dies während der Ära Mao der Fall war – und es ist unwahrscheinlich, dass es versuchen würde, einen pro-chinesischen Regimewechsel in bestehenden, mit den USA verbündeten Staaten in seiner Nähe zu verfolgen, zum Beispiel in Japan. Taiwan gilt als innere Angelegenheit und ist als solche eine Ausnahme von der Richtlinie der Nichteinmischung. Aber der Trend ist unverkennbar. In einem Szenario des Kalten Krieges wird es als strategisch katastrophal angesehen, einem Gegner zu erlauben, in einem Land vor der eigenen Haustür politisch Fuß zu fassen, und es wäre gefährlich für Peking, dies zuzulassen.

Während China keinen Kreuzzug in Bezug auf seine eigene Ideologie verfolgen wird, so wie dies der Westen tut, und wahrscheinlich nicht die aggressive militaristische Haltung der USA annehmen wird, ist Nichtstun keine Option mehr. China neigt zunehmend dazu, mehr zur Unterstützung von Staaten beizutragen, die seine eigenen Interessen ergänzen. Man könnte es als "Nichteinmischung mit chinesischen Merkmalen" bezeichnen.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Übersetzt aus dem Englischen.

Tom Fowdy ist ein britischer Autor und Analytiker für Politik und internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Ostasien. Er twittert unter @Tom_Fowdy

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