Russland und die USA haben eine Einigung erzielt, ihre Gespräche über die Lage im Osten der Ukraine fortzusetzen. Mehr noch: Beide Parteien sind sich einig, dass Kiew die Minsker Vereinbarungen umsetzen muss, um Frieden in die Region zu bringen. Dazu gehöre vor allem, der Region einen besonderen Autonomiestatus gesetzlich zuzugestehen, wie die Vereinbarungen dies vorsehen.
Das hat der stellvertretende Stabschef des Kremls, Dmitri Kosak, nach einem Treffen mit der US-Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten, Victoria Nuland, in Moskau gegenüber den Medien bekannt gegeben. Nuland traf sich im Rahmen ihres dreitägigen Arbeitsbesuchs in Moskau bereits mit dem stellvertretenden russischen Außenminister Sergei Rjabkow und dem stellvertretenden russischen Verteidigungsminister Alexander Fomin.
Russland hatte Nuland zuvor im Rahmen von Gegensanktionen gegen Washington mit einem Einreiseverbot belegt. Der Kreml stimmte jedoch zu, sie von der schwarzen Liste zu streichen, um ihren Kurzbesuch zu ermöglichen. Kosak hatte der russischen Tageszeitung Kommersant zu vermelden:
"Es fand ein gründlicher und konstruktiver Dialog [mit Victoria Nuland] über die Beilegung des Konflikts in der Südostukraine statt."
"Es wurde bestätigt, dass die einzige Grundlage für eine Beilegung des Konflikts die Minsker Vereinbarungen sind. [...] Während der Gespräche wurde der [bereits] in Genf verlautbarte Standpunkt der USA bekräftigt, dass ohne eine Einigung über die künftigen Parameter der Autonomie – oder, anders ausgedrückt, des Sonderstatus – des Donbass jeglicher wesentliche Fortschritt bei der Beilegung des Konflikts kaum möglich ist. Mit anderen Worten: Die Region soll einen Sonderstatus innerhalb der Ukraine erhalten."
Nuland ihrerseits bezeichnete die Gespräche im Kreml als "produktiv" und "nützlich". Dabei ist die US-Spitzendiplomatin weltweit vor allem dafür bekannt, dass sie Ende 2013 den Schauplatz der Maidan-Proteste in Kiew aufsuchte und beim Verteilen von Plätzchen an Demonstranten gesehen wurde. Dies sorgte in Moskau für Aufsehen, das darin eine Demonstration der offenen Unterstützung des offiziellen Washington für die Bewegung sah, die nur wenig später in einen Staatsstreich umschlagen und die Abspaltung der Krim sowie den Konflikt im Südosten der Ukraine anstoßen sollte. Die Ereignisse auf dem Maidan führten dazu, dass die beiden selbsternannten Republiken Donezk (DVR oder DNR) und Lugansk (LVR oder LNR) ihre Unabhängigkeit erklärten, was bisher allerdings weder von Moskau noch von Kiew anerkannt wurde. Die Regionen Donezk und Lugansk liegen beide im Osten der Ukraine, an der russischen Grenze.
Am 5. September 2014 unterzeichneten Vertreter der Ukraine, Russlands, der DNR und der LNR unter Vermittlung des französischen Präsidenten François Hollande und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel das sogenannte Minsker Protokoll. Neben einem Waffenstillstandsdokument enthielt das Abkommen auch einen Fahrplan für die Zukunft der Region des Donezbeckens, der die Dezentralisierung der Macht weg von Kiew und insbesondere einen Autonomiestatus für den Donbass vorsieht.
EU den Worten nach für Umsetzung der Minsker Abkommen – Pläne einer Militärmission in die Ukraine lassen zweifeln
Nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij am Dienstag erklärte auch die Vorsitzende der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, dass die EU ihrerseits ebenfalls die Umsetzung des Minsker Protokolls unterstütze. Doch diese Aussage erscheint nicht gänzlich glaubwürdig, erwägt doch dieselbe Europäische Union eine militärische Mission in die Ukraine zwecks Ausbildung dortiger Offiziere, wie die Welt Anfang Oktober mit Verweis auf ein "internes Dokument" zu berichten wusste. Die Zeitung schrieb:
"Insbesondere die drei baltischen EU-Länder drängen ebenso wie Polen, Rumänien und die Slowakei auf eine eigenständige militärische Ausbildungsmission. Sie werden dabei von Schweden und Finnland unterstützt. Ende Juli hatten die ukrainischen Außen- und Verteidigungsminister in einem vertraulichen Brief an EU-Chefdiplomat Borrell um eine militärische Ausbildungsmission seitens der EU gebeten."
Als Begründung wurden "'fortlaufende militärische Aktivitäten Russlands an der Grenze [zur Ukraine]" angeführt. Die geplante Ausbildungsmission der EU-Militärs in die Ukraine würde gegebenenfalls als "EU Military Advisory and Training Mission Ukraine" firmieren, oder abgekürzt EUATM. Sie wäre zu unterscheiden von der bereits laufenden EUAM, die als Beratungsmission im Bereich der zivilen Sicherheit positioniert wird – deren Erweiterung um eine militärische Ausbildungs- und Trainingskomponente jedoch laut Welt ebenfalls in der EU in Betracht gezogen werde, nämlich als Alternative zur eigenständigen EUATM.
Die Befürchtung liegt nämlich nicht fern, mit einer solchen Mission würde die EU das offizielle Kiew noch weiter dazu ermutigen, die Umsetzung des Minsker Abkommens zu sabotieren: Setzen ukrainische bewaffnete Formierungen doch bereits jetzt nahezu täglich Zivilisten und Infrastrukturobjekte in den beiden nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk Beschüssen aus. Nur die Angst vor einem Eingriff des russischen Militärs hindert das offizielle Kiew an einer weiteren Eskalation des Konflikts – und genau diese Angst würde eine Trainingsmission der EU für ukrainische Offiziere ein Stück weit dämpfen.
Derartige Bedenken müssen Moskau bewogen haben, Kiew und Brüssel von der überstürzten Entsendung einer militärischen Ausbildungsmission der EU in die Ukraine dringend abzuraten. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa gab eine dahingehende Adressierung bei einem Pressebriefing am Donnerstag bekannt. Von der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti wird die russische Außenamtssprecherin wie folgt zitiert:
"Besorgnis ruft natürlich die Erwägung seitens Brüssels hervor, eine militärische Ausbildungsmission der EU in die Ukraine zu entsenden."
Sie sieht diese Initiative im direkten Widerspruch zu den Minsker Vereinbarungen und als Beitrag zu einer Eskalation der Spannungen im Donbass:
"Die Umsetzung dieses Vorstoßes – und er widerspricht im Übrigen unmittelbar den Minsker Abkommen – wird die Militarisierung der Ukraine und Eskalation der Spannungen im Donbass begünstigen. Auch wird sie die Machthaber in Kiew zu weiterer Sabotage des Minsker Maßnahmenpakets [zur Konfliktbeilegung im Donbass] ermutigen."
"Und in diesem Zusammenhang rufen wir dringend dazu auf, von diesem, gelinde gesagt, unüberlegten Schritt abzusehen", schloss Sacharowa ab.
Rückpfiff von hinter dem großen Teich für Kiew
Stattdessen sei für die Ukraine eine Besinnung darauf, die Minsker Abkommen endlich umzusetzen (wofür, erinnert der Direktor des Ukrainischen Instituts für Politik Ruslan Bortnik, zu einem weiten Teil sogar schon gesetzliche Grundlagen bestehen, die lediglich von den Kiewer Falken "auf Eis gelegt" worden seien), heute aktueller denn je, erinnerte Sacharowa live beim TV-Sender Swesda (Zitat nach RIA Nowosti):
"Wenn zuvor, vor zwei Jahren noch, das Thema einer angeblichen Überholtheit der Minsker Abkommen, ihrer angeblichen Nichtrealisierbarkeit in Verbindung mit verändertem historischen Kontext, oder wegen einer [angeblichen] Notwendigkeit, neue auszuarbeiten, oder dem Auftauchen irgendwelcher hybrider Vereinbarungen [lediglich] inoffiziell verlautbart und eingeworfen wurde, so sehen wir dies in [den letzten etwa zwölf Monaten] als offizielle Position Kiews und der ganzen ukrainischen Staatsführung."
"Die wiederholte Bestätigung [der Minsker Abkommen] durch die USA ihrerseits, dieses, ich hoffe, in Kiew erhörte Signal von ihrer unmittelbaren Betreuerin Victoria Nuland – das hat Aktualität im jetzigen Moment, denke ich."
Mehr zum Thema – AfD-Fraktion: Deutsche Außenpolitik setzt zunehmend auf Konfrontation mit Russland