Französischer Wirtschaftsminister über Verhältnis zu USA: "Europäer müssen die Augen öffnen"
Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire erklärte am Donnerstag gegenüber dem Sender France Info, der U-Boot-Streit zeige, dass die Europäische Union "nicht mehr auf die Vereinigten Staaten zählen kann, wenn es darum geht, ihren strategischen Schutz zu gewährleisten." Er forderte die Europäer auf, "die Augen zu öffnen", was die Beziehungen zu den USA angehe. Gleichzeitig drängte er darauf, das "europäische Verteidigungsprojekt" voranzutreiben. Dieses war aufgrund des Widerstands einiger EU-Länder zuletzt ins Stocken geraten. Le Maire sagte gegenüber France Info:
"Die erste Lehre, die wir aus dieser Episode [U-Boot-Streit, Anm. d. R.] ziehen müssen, ist, dass die Europäische Union ihre strategische Unabhängigkeit ausbauen muss. Der Vorfall in Afghanistan und der Vorfall mit dem U-Boot zeigen, dass wir nicht mehr darauf zählen können, dass die Vereinigten Staaten von Amerika unseren strategischen Schutz garantieren."
Der Politiker ergänzte:
"Die Vereinigten Staaten haben nur noch ein einziges strategisches Anliegen. Nämlich China, und den Aufstieg Chinas einzudämmen."
Le Maire bedaure, dass sowohl der ehemalige US-Präsident Donald Trump als auch Joe Biden glaubten, dass ihre Verbündeten fügsam sein müssen. Er selbst sei hingegen der Meinung, "dass wir unabhängig sein müssen". Und er fügte hinzu:
"Unsere europäischen Partner müssen ihre Augen öffnen."
Le Maire kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Unterstützung Dänemarks für die Vereinigten Staaten in dem U-Boot-Streit mit Frankreich. Die dänische Regierung hatte erklärt, dass sie die Kritik an den USA im Streit über das geplatzte U-Boot-Geschäft zwischen Australien und Frankreich für überzogen hält. Die Äußerungen aus Paris und Brüssel könne sie "keineswegs nachvollziehen", hatte die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen gegenüber der dänischen Zeitung Politiken erklärt. US-Präsident Joe Biden verhalte sich "sehr loyal" gegenüber den transatlantischen Partnern, so die Regierungschefin weiter.
Frederiksen fügte mit Blick auf den chaotischen Truppenabzug aus Afghanistan hinzu, dass zwar auch Dänemark als enger US-Verbündeter nicht mit allen Entscheidungen der Biden-Administration einverstanden sei.
"Aber ich empfinde absolut keine Frustration gegenüber der neuen US-Regierung."
Die dänische Regierungschefin warnte davor, "konkrete Herausforderungen, die es zwischen Verbündeten immer geben wird", überzubewerten. Gleichzeitig würdigte sie die Abkehr der USA vom "isolationistischen" Kurs unter dem früheren Präsidenten Donald Trump. Seit Bidens Amtsantritt übernehme Washington wieder eine globale Führungsrolle, wie sie nur von den USA ausgeübt werden könne, so Frederiksen weiter.
Das sieht Le Maire anders. In seinem Interview mit France Info sagte der französische Wirtschaftsminister:
"Es ist ein Irrtum wie die dänische Staatschefin zu glauben, dass die Vereinigten Staaten uns weiterhin schützen und verteidigen werden, egal was passiert."
Für ihn gelte stattdessen:
"Wir können uns nur auf uns selbst verlassen."
Während die Krise in Frankreich – aber auch in anderen EU-Ländern – die Debatte über die Notwendigkeit einer größeren europäischen Souveränität im Bereich der Verteidigung intensiviert hat, zeugen Frederiksens Äußerungen von der Spaltung, die innerhalb der EU in der Frage des Aufbaus einer unabhängigen europäischen Verteidigung fortbesteht.
Diese Spaltung ist insbesondere auf die starke Zurückhaltung der osteuropäischen Länder zurückzuführen. Aber auch Deutschland hat Bedenken. Im November 2020 hatte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärt, dass "die Illusionen einer europäischen strategischen Autonomie aufhören sollten".
Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU wurden die Gespräche zu diesem Thema zwar wieder aufgenommen. Bisher aber ohne Erfolg. Der französische Präsident hatte sich schon 2018 vergeblich für die Schaffung einer "echten europäischen Armee" ausgesprochen. Und auch die bereits bestehenden Kooperationen laufen nicht so, wie sich Paris das wünscht. Die sogenannte Takuba-Truppe – eine Einheit, die sich zum Teil aus europäischen Spezialkräften zusammensetzt und die französische Präsenz in Mali verringern soll – kommt nur schwer in Gang. Derzeit befindet sie sich immer noch im Stadium eines militärischen Embryos.
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