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Wie viel ist ein Leben wert? Kriminelle verkaufen falsche Tickets für Evakuierungsflüge aus Kabul

Verzweifelte Afghanen suchen nach Möglichkeiten, ihr Land zu verlassen und treffen in den sozialen Medien auf vermeintliche US-Amerikaner, die Tickets für die Evakuierungsflüge verkaufen. Zwei Afghanen berichten RT DE über ihre Wut auf die USA und die Suche nach Fluchtmöglichkeiten.
Wie viel ist ein Leben wert? Kriminelle verkaufen falsche Tickets für Evakuierungsflüge aus KabulQuelle: Reuters © Stringer

Dschawad (Name von der Redaktion geändert), sitzt in Kabul fest. Er gehört zur Minderheit der Hazara und sieht sich daher durch die Taliban besonders bedroht. Zudem hat er im Ausland studiert und unterrichtet in Kabul. Er sitzt in der Hauptstadt fest und sucht gemeinsam mit seiner Familie nach einer Möglichkeit, das Land zu verlassen. Er fürchtet, es bleiben ihm nur einige Tage Zeit, bis alle Ausländer Kabul verlassen haben und solange noch die letzten Maschinen fliegen. Derzeit starten und landen am Kabuler Flughafen nur die Evakuierungsmaschinen. Einen kommerziellen Flugverkehr gibt es nicht. Dabei hätte Dschawad gute Aussichten, in Europa Fuß zu fassen. 

Farhad ist schon seit Jahren in Europa. Er war als Dolmetscher für die US-Amerikaner tätig und nutzte die erste Gelegenheit, seiner kriegsversehrten Heimat den Rücken zuzukehren. Seine Eltern und Geschwister aber sitzen in Afghanistan fest. Bevor die Taliban in die Hauptstadt Kabul einmarschierten, waren sie dorthin geflüchtet. Er kann es nicht glauben, dass die USA seine Heimat an die Taliban verkauft haben. 

Beide Afghanen verbindet, dass sie auf Facebook in Kontakt zu einem vermeintlichen US-Amerikaner kamen, der ihnen oder ihren Angehörigen gegen Bezahlung Hoffnung auf eine Ausreise machte. 

Afghanen als Spielball in einem Spiel der ausländischen Mächte 

Sein Mobiltelefon lädt Dschawad mittels Solarzellen auf. Viel Datenvolumen zur Nutzung des Internets hat er nicht mehr. Gegenüber RT DE schildert er seine Situation am Telefon: 

"Was ihr in den Medien seht, stimmt nicht. Dies ist alles Propaganda für die Taliban. Was jetzt geschieht, ist genau wie das, was vor 20 Jahren passierte. Wir sehen keine Veränderungen."

Die Versprechungen der Taliban, dass sie sich geändert hätten, könne er nicht glauben. Sie suchen gezielt nach Personen, die mit den Ausländern zusammengearbeitet haben. Auf Facebook gebe es Kampagnen der Taliban, in denen sie auch gezielt nach Menschen suchen, die Hilfe brauchen. Sie fragen persönliche Informationen ab. Die Ungebildeten, ohne Verbindungen zum Ausland, können ihrer Arbeit nachgehen und ihre kleinen Geschäfte öffnen. 

Seine Informationen über die Situation erhält Dschawad aus Chat-Gruppen. Sein jüngerer Bruder sei hierfür auch unterwegs und dokumentiere, was draußen abläuft. Seine Frau habe natürlich noch mehr Angst als er selbst. Sie wolle bald ihr Studium beenden. Jetzt sitzt sie zu Hause. Zu groß sei die Angst vor den Taliban. 

"Es ist das Spiel der USA. Wir wissen nicht, was geschehen wird. Was auch immer geschieht, es wird von den Briten und den USA kontrolliert. Das Ausland spielt mit uns. Es ist wie beim Fußball. Wir sind der Ball, den sie irgendwo hinschießen." 

Das Flughafenpersonal des Hauptstadtflughafens ist geflohen. Vor den Toren stehen die Taliban und auf dem Rollfeld die ausländischen Militärs: 

"Heute Morgen (Mittwoch) haben sich wieder Tausende zum Flughafen begeben. Aber sie kommen nicht ins Gebäude. Die Taliban schießen auf die Menschen. Diese Menschen wollen lieber ihr Leben riskieren, als unter der Taliban-Herrschaft zu leben. Man glaubt, es sei ein Hollywood-Film. Aber es ist die Realität." 

Bis ein Visum erteilt werde, könne es Monate dauern. Dschawad schickt Videos, in denen sich horrorartige Szenen abspielen. In Kabul werden Menschen von den Taliban auf der Straße malträtiert, an einem nicht benannten Ort Mädchen ihren schreienden Müttern entrissen und von Taliban-Kämpfern entführt. 

Über Facebook kamen beide in Kontakt mit einem vermeintlichen US-Amerikaner. Auf seinem Profilbild ist er mit seiner Ehefrau zu sehen. Er wirkt wie ein ehemaliger US-Soldat aus dem mittleren Westen der USA. Seine Hilfe hatte er auf einer Facebook-Gruppe als Reaktion auf hilfesuchende Afghanen angeboten. 

Er reagiert schnell auf die Anfrage, und eine Unterhaltung über Messenger beginnt. Farhad erklärt, dass er im Ausland ist und seine Familienangehörigen herausholen will. "Keine Sorge Farhad. Ich freue mich, Dir zu helfen. Keine Sorge". Die Evakuierungsflüge würden nach London oder New York gehen. Ein Dutzend Personen will Farhad ausfliegen lassen. In zwei oder drei Tagen würde die Mission beendet sein. Er fragt das Alter der Kinder ab. Dann aber erklärt er ihm, dass sie 3.000 Dollar pro Erwachsenen nehmen und 1.500 Dollar pro Kind. Die Rechnung müsse mit Kryptowährung beglichen werden. Schließlich könnten die Menschen in Kabul derzeit schlecht Geld abheben. 

"Wie ich schon sagte, Farhad, das Geld ist nicht das Problem. Im Moment ist unser einziges Anliegen das Retten von Leben. Du kannst in zwei Raten bezahlen, wenn Vertrauen das Problem ist. Aber Du musst entscheiden... Um ganz ehrlich zu sein, ich gebe Frauen und Kindern Priorität." 

Beide entschieden sich letztlich, dem "fremden Helfer" nicht zu trauen und blockierten ihn und ihre Familienangehörigen auf Facebook. Trauen könne man niemandem mehr in diesen Tagen. Dschawad hat Visaanträge in Indien gestellt und wartet auf Reaktionen von Botschaften, die er über Freunde im Ausland kontaktieren ließ.

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