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Signalschuss für Regime Change? US-Neocons gründen Denkfabrik für "Türkische Demokratie"

In den letzten Jahren haben sich die Beziehungen zwischen den USA und ihrem NATO-Verbündeten, der Türkei, dramatisch verschlechtert. In Ankara ist man der Meinung, dass Washington den Putschversuch von 2016 zumindest passiv duldete. Eine neue US-Denkfabrik widmet sich nun der "türkischen Demokratie".
Signalschuss für Regime Change? US-Neocons gründen Denkfabrik für "Türkische Demokratie"Quelle: AFP © Melissa Sue Gerrits / GETTY IMAGES NORTH AMERICA

Eine Gruppe von neokonservativen US-amerikanischen Politikern, Diplomaten und Akademikern hat eine neue Denkfabrik gegründet, die die Türkei wieder in eine "Demokratie" und einen "zuverlässigen Verbündeten" der Vereinigten Staaten verwandeln will. Obwohl das sogenannte "Türkische Demokratieprojekt" (TDP) nicht zu einem Regimewechsel aufruft, gehören zu den Mitgliedern Neocons, deren Karrieren auf die Propagierung von Regimewechsel aufgebaut sind. Auf ihrer Webseite erklärt die neue Initiative: 

"Für den größten Teil des letzten Jahrhunderts war die Türkei ein zuverlässiger Verbündeter und ein Modell in der Region für liberale Ideale und kulturelle Freiheit. Aber in den letzten Jahren hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Position der Türkei in der internationalen Gemeinschaft und ihren Status als freie und liberale Demokratie dramatisch verändert."

Die Gruppe, deren Webseite am 23. Juni online ging, beschreibt sich selbst als "eine gemeinnützige, überparteiliche, internationale politische Organisation", die "sich (dem) destabilisierenden Verhalten (der Türkei) entgegenstellt, echte demokratische Reformen unterstützt und die Kräfte der Korruption und Unterdrückung innerhalb der Türkei zur Verantwortung zieht". Es bleibt zu fragen, warum diese Aufgabe ausgerechnet einer Gruppe US-amerikanischer Ex-Diplomaten und Akademiker zufallen sollte. 

Die Türkei trat 1952 dem NATO-Bündnis bei. Damit verpflichteten sich die USA, das Land zu verteidigen, sollte es angegriffen werden. Die Türkei war lange Zeit ein wichtiger Partner für die USA in der Region. Das US-Militär unterhält einen großen Luftwaffenstützpunkt in Incirlik, auf dem auch Atomwaffen stationiert sind. Die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ist jedoch in den letzten Jahren mehrfach mit den USA aneinandergeraten, was zu einer Entfremdung zwischen den Verbündeten geführt hat.

Im April traten Sanktionen gegen Ankara in Kraft, weil es russische S-400-Luftabwehrsysteme gekauft hatte. Die USA bezeichneten dies als gefährlich, weil die russischen Systeme angeblich Schwachstellen in den F-35-Tarnkappenflugzeugen, die die Türkei ebenfalls beschaffen wollte, aufdecken könnten. Die Türkei wurde zudem aus dem F-35-Programm hinausgeworfen.

In Syrien und im Irak hat sich die Türkei ebenfalls weitgehend gegen die US-Politik gestellt, insbesondere im Krieg gegen kurdische Milizen, die Ankara als terroristische Gruppen bezeichnet, die aber mit den USA verbündet sind. Die Türkei hat auch die Wiederherstellung des Atomabkommens mit Iran unterstützt, konfrontierte die US-Verbündeten Griechenland, Zypern und Israel wegen Gasförderrechten im Mittelmeer und unterstützte die islamistischen Hamas-Behörden in Gaza. 

Abgesehen von den Sanktionen war ein weiteres wichtiges Zeichen der sich auflösenden Beziehungen zwischen den USA und der Türkei die Anerkennung des armenischen Völkermordes durch die Biden-Regierung.

Die heutige Situation der Türkei erinnert an jene einiger früherer Verbündeter der USA, die ausrangiert wurden, nachdem sie sich für die US-Außenpolitik nicht mehr als nützlich erwiesen, wie etwa der langjährige irakische Führer Saddam Hussein. Nach der Islamischen Revolution in Iran 1979 startete Hussein eine Invasion Irans und die USA unterstützten seine Kriegsanstrengungen – obwohl sie auch heimlich Waffen an Teheran lieferten und obwohl der Irak bereits in der sowjetischen Sphäre war. Doch als der Krieg vorbei war und Hussein in Kuwait einmarschierte, wurde seine Regierung zu einem Hindernis für die US-Politik in der Region und Washington begann, seinen Sturz zu planen, der 2003 erfolgte.

Diese Agenda wurde weitgehend von einer Gruppe von Neokonservativen festgelegt, die im Jahr 1997 die Denkfabrik "Project for a New American Century" (PNAC) gegründet hatten. Diese Gruppe entwarf Pläne für die Beschleunigung der Interventionspolitik, um eine Reihe ehemaliger sowjetischer Klientenstaaten zu zerstören und sicherzustellen, dass die weltweite Hegemonie der USA auf der ganzen Welt unangefochten bleibt.

Mehrere Mitglieder des TDP sind ehemalige Mitglieder des PNAC, darunter Jeb Bush, der ehemalige Gouverneur von Florida und der Bruder des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush, sowie John Bolton, der Unterstaatssekretär und UN-Botschafter unter Bush war, bevor er zum Nationalen Sicherheitsberater des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump wurde. Bolton twitterte am 23. Juni:

"Es ist an der Zeit, bei der Türkei Alarm zu schlagen. Unter einem autoritären Führer, ein einst zuverlässiger NATO-Verbündeter wendet sich von der Demokratie ab und umarmt Russland. Ich freue mich, dem TDP-Beirat beizutreten, um Licht in die sich verdunkelnde Situation zu bringen." 

Bush gab eine ähnliche Botschaft heraus und twitterte am selben Tag, dass "eine demokratische Türkei für unsere Sicherheit unerlässlich ist, aber die türkische Freiheit und Freiheit verblasst. Der autoritäre Führer der Türkei ist darauf bedacht, freiheitsliebende Stimmen zum Schweigen zu bringen".

Der Geschäftsführer des Turkish Democracy Project ist Mark Wallace, der mehrere Ämter in der Bush-Regierung innehatte und später Geschäftsführer der Pro-Regime-Change-Gruppe "United Against Nuclear Iran" (UANI) wurde. Der Vorsitzende von UANI ist der ehemalige US-Senator und Vizepräsidentschaftskandidat Joe Lieberman, der auch im Beirat von TDP sitzt, ebenso wie ein weiterer hochrangiger UANI-Funktionär, Norman Roule.

Robert Richer, ein ehemaliger stellvertretender Direktor für Operationen des US-Geheimdienstes CIA und ehemaliger Vizepräsident für Intelligenz bei der Söldnerfirma Blackwater, und Frances Townsend, ein ehemaliger Bush-Berater für Innere Sicherheit und Terrorismusbekämpfung, sind ebenfalls im Beirat. 

Türkische Kritiker bezeichneten das TDP als Teil der Gülen-Bewegung, einer Oppositionsbewegung, die angeblich von Fethullah Gülen geleitet wird, einem türkischen muslimischen Geistlichen, der seit 1999 im selbstauferlegten Exil in den USA lebt. Die türkische Regierung wirft Gülen vor, hinter dem missglückten Putschversuch von 2016 zu stehen, was dieser allerdings bestritt. Resul Kurt, ein Vorstandsmitglied der türkischen Regierungspartei AKP, schrieb auf Twitter: 

"Der Kriegstreiber Bolton, der inkompetente Bruder von Bush und die Überreste der FETÖ-Terrororganisation sollen der Türkei die Demokratie bringen, indem sie mit den YPG/PKK-Terroristen zusammenhalten." 

FETÖ steht für die Fethullah-Terror-Organisation, die Bezeichnung der türkischen Regierung für die Gülen-Bewegung. YPG und PKK sind kurdische Milizen, die von Ankara als terroristische Gruppen angesehen werden. Kurt fügte hinzu:

"Kommt schon, das Blut von Millionen von Unschuldigen tropft von euren Händen."

Die regierungsnahe Zeitung Daily Sabah bezeichnete das Turkish Democracy Project als "Plattform für Anti-Türkei-Propaganda".

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