Trümmer von chinesischer Rakete im Anflug – wen treffen sie?

Eine Trägerrakete hatte den ersten Teil von Chinas Raumstation ins All gebracht. Die Station soll "um 2022" fertiggestellt werden. Nun stürzt eine 20 Tonnen schwere Raketenstufe unkontrolliert zurück zur Erde. Wo die Trümmer genau herunterkommen werden, ist derzeit noch ungewiss.

Trümmerteile einer für den Bau von Chinas neuer Raumstation verwendeten Trägerrakete drohen in den nächsten Tagen auf die Erde zu stürzen. Raumfahrtexperten warnen vor einem "unkontrollierten" Wiedereintritt eines 20 Tonnen schweren Teils in die Erdatmosphäre. Die Rakete hatte am Donnerstag das Kernmodul "Tianhe" ("Himmlische Harmonie") ins All gebracht. Damit begann China den Bau einer eigenen Raumstation.

Grund für den unkontrollierten Wiedereintritt sei das Design der Rakete vom Typ "Langer Marsch 5B". Der Hauptteil lasse sich nicht steuern und habe auch keine derartige Flugbahn, dass er an einem vorbestimmten Punkt ins Meer fallen wird. "Wir wissen nicht, wo", sagte der Astrophysiker Jonathan McDowell vom Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics (Cambridge, US-Bundesstaat Massachusetts) am Dienstag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Beijing. "Im schlimmsten Fall wird es wie der Absturz eines kleinen Flugzeuges, der sich aber über Hunderte Kilometer verteilt." Es sei ungewiss, wie viele Bruchstücke nach dem Wiedereintritt übrig bleiben werden. "Aber genug, um Schaden anzurichten."

Da die Hauptstufe der Trägerrakete etwa alle 90 Minuten die Erde im Orbit umrundet, sei ungewiss, wann und wo genau sie schließlich in die dichtere Atmosphäre eintreten und dort teilweise verglühen werde, hieß es. "Der wahrscheinlichste Vorgang sieht so aus, dass Trümmer, die die starke Hitze des Wiedereintritts überstehen, ins Meer oder auf unbewohnte Gegenden fallen – aber das Risiko besteht, dass es Schaden für Menschen oder Eigentum gibt", schrieb auch der Experte Andrew Jones auf spacenews.com.

Deutschland trifft es vermutlich nicht

Laut Experten werden die Trümmerteile voraussichtlich nicht auf Deutschland fallen. Die Risikozone umfasse jeden Teil der Erdoberfläche zwischen dem 41. Grad nördlicher und dem 41. Grad südlicher Breite, teilte das Büro für Raumfahrtrückstände der Europäischen Raumfahrtagentur ESA mit Sitz in Darmstadt am Dienstag mit. Deutschland liegt etwa zwischen dem 47. und 55. Breitengrad weiter nördlich dieses Gürtels um den Äquator. In Südeuropa überdeckt das Risikogebiet unter anderem Teile von Spanien, Italien oder Griechenland. Wind oder andere Kräfte seien nicht in der Lage, den angegebenen Breitengrad-Bereich wesentlich zu ändern, hieß es. Die ESA rechnet mit einem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre um den wahrscheinlichsten Zeitpunkt am 9. Mai um 19.23 Uhr deutscher Zeit – allerdings mit einer Unsicherheit plus/minus 26 Stunden und 26 Minuten früher oder später.

Es sei aktuell praktisch unmöglich, Vorhersagen darüber zu treffen, welche Teile den Wiedereintritt wahrscheinlich ohne zu verglühen überstehen werden, hieß es weiter. Materialien mit hohen Schmelztemperaturen – wie etwa Motor- oder Tankkonstruktionen – stellten ein besonderes Risiko dar. Im Allgemeinen verglühten die meisten Objekte während des Wiedereintritts vollständig in der Atmosphäre, so die Experten. Dennoch sei es aber nicht möglich, eine detailliertere Risikobewertung vorzunehmen. Da ein Großteil der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt ist und weite Teile der Erde außerdem unbewohnt sind, sei das Risiko für den Einzelnen deutlich geringer als bei allgemeinen täglichen Risiken wie etwa beim Autofahren.

Schon sechs Tage nach dem Erstflug des neuen chinesischen Typs von Schwerlastraketen "Langer Marsch 5B" am 5. Mai 2020 waren Trümmer in der westafrikanischen Elfenbeinküste niedergegangen und hatten mehrere Häuser in Dörfern beschädigt. Es war das größte Teil, das seit dem US-Raumlabor Skylab 1979 auf die Erde gestürzt war. Die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA hatte den Vorgang damals als "sehr gefährlich" beschrieben. Die Raketenstufe hatte kurz zuvor noch über die USA überflogen.

Zum Bau der neuen Raumstation sind erneute Starts der "Langer Marsch 5B" geplant. So sollen zwei weitere Module ins All gebracht und angebaut werden. Die Station soll "um 2022" fertiggestellt werden und dann "Tiangong" ("Himmelspalast") heißen. Wenn die technisch veraltete internationale Raumstation ISS wie geplant in den kommenden Jahren ihren Dienst einstellt, wäre China danach die einzige Nation, die einen ständigen Außenposten im Weltraum betreibt.

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(rt de/dpa)