Am 7. April 2018 beschuldigten die sogenannten "Weißhelme" die syrische Armee, in Duma einen Chemiewaffenangriff verübt zu haben, der über 40 Menschen das Leben kostete. Der Westen machte schnell Damaskus für die Tat verantwortlich. Die syrische Regierung dementierte die Anschuldigungen und forderte seinerzeit eine Untersuchung durch OPCW-Inspekteure, die sich dann auf den Weg machten. Als "Vergeltung" flogen jedoch die USA, Frankreich und Großbritannien eine Woche später Luftangriffe auf syrische Einrichtungen.
Im März 2019 veröffentlichte die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) ihren Abschlussbericht, laut dem es "angemessene Gründe" für die Annahme gibt, dass in Duma Chlorgas zum Einsatz kam. Dieses soll aus zwei Zylindern ausgeströmt sein, die aus der Luft abgeworfen wurden – was eine Täterschaft der syrischen Luftwaffe impliziert.
Im Mai 2019 gelangte dann ein technisches Gutachten aus den Reihen der OPCW an die Öffentlichkeit, laut dem die Zylinder höchstwahrscheinlich per Hand platziert wurden – was in der Konsequenz bedeutet, dass es sich bei dem Giftgas-Vorfall um eine Inszenierung der islamistischen Aufständischen handelte.
In Folge wandten sich verschiedene Whistleblower aus den Reihen der OPCW an die Öffentlichkeit. Ihr Vorwurf: Die OPCW hat entscheidende Fakten, die von den Ermittlern vor Ort zusammengetragen wurden, in ihrem Abschlussbericht nicht berücksichtigt. Dieser sei manipuliert worden, um die syrische Regierung verantwortlich machen zu können. Die Whistleblower sprechen von Einschüchterungsversuchen. OPCW-Chef Fernando Arias bezeichnete sie daraufhin als "abtrünnige" Inspektoren, die bei den Ermittlungen keine wichtige Rolle gespielt hätten.
Interne OPCW-Dokumente, die der investigative Journalist Aaron Maté auf Grayzone veröffentlichte, überführten den OPCW-Chef jedoch der Lüge. Am Freitag legte Maté seine umfassenden Recherchen vor den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates dar und bekräftigte die Behauptung, dass die OPCW die Ergebnisse der Untersuchung nachträglich manipuliert habe und zu diesem Zweck das ursprüngliche Untersuchungsteam vorsätzlich aus dem Verkehr gezogen worden sei.
Die Ausführungen des Journalisten fanden im "Arria-Formel"-Rahmen statt, einem informellen Treffen von Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates, das von einem Mitglied des Rates – in diesem Fall Russland – einberufen werden muss.
Die OPCW-Führung behauptet, dass der größte Teil der analytischen Arbeit in den "letzten sechs Monaten" der Untersuchung durchgeführt wurde, als das ursprüngliche Team, das eine Täterschaft der Aufständischen nahelegt, daran "unbeteiligt" gewesen sei. Vor dem UN-Sicherheitsrat legte Maté dar, dass der Großteil der Untersuchungsarbeit tatsächlich vom ursprünglichen Team vor Ort durchgeführt wurde. Die spätere "analytische Arbeit" sei dagegen "von geringem Umfang und voller Täuschungen sowie und unbegründeten Schlussfolgerungen".
"Die tatsächlichen Inspektoren, die nach Duma reisten, kamen nicht zu der Schlussfolgerung, die von der OPCW später aufgestellt wurde. Und sie fanden keine Beweise für einen chemischen Angriff in Duma. Sie spekulierten nicht, was wirklich geschehen war, aber sie sagten, dass es keine Beweise für einen chemischen Angriff gibt."
Nachdem das OPCW-Ermittler-Team seinen Bericht nach einem internen Peer-Review zur Veröffentlichung angefertigt hatte, sei "etwas sehr Seltsames" passiert, führt Maté aus.
Der Hauptautor des Textes hat demnach herausgefunden, dass ein höher-rangiger OPCW-Mitarbeiter versucht hat, den Bericht zu fälschen. "Sie nahmen den Originalbericht, entfernten dann alle wesentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse und packten in den Bericht unbelegte Schlussfolgerungen rein, einschließlich der Spekulation, dass wahrscheinlich Chlorgas in Duma eingesetzt wurde", so Maté.
Maté fragte die anwesenden UN-Botschafter Großbritanniens und der USA, ob sie die Forderung einer Petition unterstützen, die von Prominenten wie Noam Chomsky und fünf ehemaligen OPCW-Mitarbeitern unterzeichnet wurde, wonach ein "neutrales Forum" die von den Duma-Inspektoren erhobenen Vorwürfe überprüfen soll. Beide Botschafter reagierten nicht auf die Frage.
Der britische Botschafter Thomas Phipps lieferte sich jedoch im Anschluss einen verbalen Schlagabtausch mit Maté auf Twitter. Doch in der entscheidenden Frage, ob die OPW ihren Duma-Bericht manipuliert hat, hatte er dem Journalisten argumentativ nichts entgegenzusetzen und wich allen Fragen dazu aus.
Im Oktober 2020 hatten sich die westlichen Staaten geweigert, eine Rede des ehemaligen OPCW-Generaldirektor José Bustani im UN-Sicherheitsrat über den angeblichen Chemiewaffeneinsatz in Duma anzuhören. Bustani unterstrich darin, dass der Ruf der OPCW gefährdet sei und viele ihrer Untersuchungen unter politischem Druck durchgeführt würden. Er forderte den amtierenden Generaldirektor Arias auf, die unterdrückten Beweise auf transparente Weise bekannt zu machen.
"Unabhängig davon, ob die Bedenken hinsichtlich des Verhaltens der OPCW in der Duma-Untersuchung begründet sind oder nicht, wäre es ein wichtiger erster Schritt, den geschädigten Ruf der Organisation zu verbessern, wenn Sie sich anhören, was Ihre eigenen Inspektoren zu sagen haben", betonte Bustani damals.
Bei dem 25. Konferenz der OPCW-Mitgliedsstaaten, die am Dienstag beginnt und bis Donnerstag andauert, dürfte der umstrittene Duma-Bericht erneut zum Thema werden.
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