Heiko Maas: Stopp von Nord Stream 2 würde Konflikt mit Russland eskalieren lassen

Heiko Maas hält plötzlich nichts mehr davon, Nord Stream 2 als Sanktionsmittel zu nutzen. Jetzt lenkt er die Aufmerksamkeit der Amerikaner auf die Ukraine. Bis vor Kurzem tat er gar nichts gegen verschiedenste US-Versuche, das deutsch-russische Erdgas-Projekt zu verhindern.

Jetzt fordert Heiko Maas von Russland den Abzug der zusammengezogenen Truppen an der Grenze zur Ukraine. Damit mildert er seinen bisherigen Kurs in Sachen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 als Sanktionsmittel gegen Moskau. Nun sei er skeptisch, dass ein Stopp die Lage deeskalieren würde, sagte er in der ARD. Maas: "Ich glaube eher, das Gegenteil wäre zu befürchten." 

Während der Außenministerkonferenz in Brüssel am 25. März 2021 sprach er mit dem neuen US-Außenminister Antony Blinken. Die USA fordern den Stopp des Projektes Nord Stream 2. Maas blieb in der Sache überraschend ruhig. Immerhin hatte er doch schon im Dezember 2019 die USA zaghaft daran erinnert, dass die europäische Energiepolitik in Europa entschieden werde, nicht in den USA.

Eingriffe von außen und Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung lehnte er damals ab. Dann folgten US-Sanktionen, gegen die er nichts unternahm.

Für die USA ist das Pipeline-Projekt zwischen Deutschland und Russland bereits vor der neuen US-Regierung ein Dorn im Auge gewesen. Nord Stream 2 beschreibt eine Pipeline an der Ostsee mit Leitungssträngen von rund 1.230 Kilometer, welche in Zukunft 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr von Russland nach Deutschland transportieren sollen. Das Projekt befindet sich in seiner Endphase und ist zu 90 Prozent fertiggestellt.

Die US-Regierung begründet ihre Ablehnung von Nord Stream 2 mit der Aussicht, dass Deutschland sich zu sehr von russischem Gas abhängig mache. Sie verhängte bereits im Januar Sanktionen gegen die beteiligten Unternehmen. Befürworter der Gaspipeline meinen, die USA fürchten, weniger Aufträge an Flüssiggas-Lieferungen aus Deutschland zu erhalten.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte sich zuvor offen für ein Moratorium des Baus der fast fertiggestellten Pipeline gezeigt, also für einen vorübergehenden Baustopp. "Diese Frage kann man sich stellen", hatte sie nach ihrem Treffen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Berlin gesagt. Für den Fall, dass die Pipeline zwischen Russland und Deutschland durch die Ostsee fertiggestellt werden sollte, plädierte Kramp-Karrenbauer dafür, den Betrieb vom Verhalten Russlands abhängig zu machen. Aber sie ist nicht Außenministerin.

Nord Stream 2 zählt seit Jahren zu den Hauptstreitpunkten in der deutsch-amerikanischen Beziehung. Daran hat auch der Regierungswechsel in Washington Anfang des Jahres nichts geändert. Die USA befürchten eine zu starke Abhängigkeit Europas von russischem Gas und wollen das Projekt mit Sanktionen wie wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen gegen Betreiberfirmen in den USA stoppen. Befürworter der Pipeline halten den Amerikanern entgegen, sie seien nur auf bessere Absatzchancen für ihr Flüssiggas in Europa aus.

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