Schwellenländer wie Brasilien, Türkei und Ägypten leiden unter hohen US-Anleihezinsen
Seit dem Beginn dieses Jahres sind die US-Renditen wieder stark gestiegen. Analysten sehen sie sogar noch weiter steigen – und die Kurse entsprechend fallen. Am US-Anleihemarkt ist in eine Phase des Ausverkaufs geraten. Verursacht wurde das durch die positiven Erwartungen hinsichtlich der US-amerikanischen Wirtschaft. Indirekt Leidtragende sind die Schwellenländer, denn die Kapitalzuflüsse dorthin haben sich seit Jahresbeginn deutlich abgeschwächt. Im März flossen dorthin lediglich 10,1 Milliarden US-Dollar in Aktien und Anleihemärkte, davon 8,8 Milliarden US-Dollar nach China. Zum Vergleich: Im vierten Quartal 2020 waren noch 230 Milliarden US-Dollar in diese Regionen außerhalb der USA gelangt.
In anderen Ländern galoppiert außerdem die Inflation: Die türkische Währung hat in wenigen Wochen 13 Prozent ihres Wertes gegenüber dem US-Dollar verloren. Der Chefvolkswirt Robin Brooks des Internationalen Bankenverbands (Institute of International Finance IIF) in Washington, D.C. sieht im Handelsblatt den Renditeanstieg in den USA als Auslöser auch der Krise für die türkische Lira.
Insgesamt habe sich die Stimmung gegenüber den Schwellenländern durch den Renditeanstieg am US-Anleihemarkt und den starken Dollar eingetrübt. Es bestehe nun die Gefahr, dass auch andere Länder Probleme bekommen, wenn es den USA wieder besser geht.
Brooks warnt schon seit einiger Zeit vor einer Wiederholung des Effekts von 2013, genannt "Taper tantrum" (Papierflut), als Investoren im Rahmen der "Quantitativen Lockerung" und Niedrigzinspolitik abrupt Kapital aus den Schwellenländern abzogen und damit deren Währungen einbrechen ließen.
Ägypten hält Brooks beispielsweise – samt dessen Währung – für labil. Die Notenbank dort habe zuletzt immer wieder interveniert, um den Kurs des ägyptischen Pfunds zum US-Dollar stabilisieren zu können. Dadurch seien aber nun die Devisenreserven dort niedrig. Zudem sei die Währung im Vergleich zu denen anderer Schwellenländer überbewertet, was der heimischen Wirtschaft eher schadet.
Auch die japanische Investmentbank Nomura und die britische Großbank HSBC haben unabhängig voneinander die Verwundbarkeit von Schwellenländern untersucht. Auch Nomura schätzt das Risiko für Ägypten als besonders hoch ein.
Ägypten ist neben der Türkei das einzige Land, das im Ranking dieser Bank auf einen Wert von über 100 Punkten kommt, was als Warnsignal für eine drohende Währungskrise in den nächsten zwölf Monaten gilt. Dahinter erscheinen knapp unterhalb dieser Schwelle Rumänien, gefolgt von Sri Lanka und Kenia.
Die Nomura stützt sich in ihrem Ranking auf acht Kriterien. Es fließen dabei unter anderem die kurzfristigen Auslandsschulden und die Devisenreserven ein, ebenso der Saldo im Haushalt sowie in der Leistungsbilanz, also im Handel von Waren und Dienstleistungen mit dem Ausland.
Länder mit einem Defizit in der Leistungsbilanz geben mehr Kapital für Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland aus, als sie durch ihre Exporte dorthin einnehmen. Das macht sie anfällig. Um das Defizit auszugleichen, sind sie auf Kapitalzuflüsse aus dem Ausland angewiesen.
Unter "normalen" Umständen ist dies kein Problem. In einer Krise kann es aber zu einem plötzlichen Stopp der Zuflüsse kommen. Einige Schwellenländer haben sich zudem stark in US-Dollar verschuldet. Steigen die Anleiherenditen – wie jetzt in den USA – und der Außenwert des US-Dollars, so nimmt die Last ihrer Schulden quasi automatisch zu, und die künftigen Finanzierungskonditionen verschlechtern sich.
Ägypten verzeichnete 2020 ein Leistungsbilanzdefizit von 3,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung und ein Finanzdefizit von geschätzt 7,5 Prozent. Kritisch wird auch Rumänien gesehen, nämlich mit seinem Leistungsbilanzdefizit von 5,3 Prozent und einem Finanzdefizit von 9,6 Prozent. Weitere gewichtige Probleme Ägyptens und Rumäniens sind deren relativ niedrige Devisenreserven.
Die britische HSBC zählt bei den Schwellenländern auch Brasilien, Indonesien, Mexiko und Südafrika zu den auffälligsten Kandidaten. Auch Polen schneidet relativ schlecht ab. Die HSBC beurteilt stärker den Anteil ausländischer Investoren am lokalen Anleihemarkt.
Dahinter steht die Überlegung, dass nicht nur die Schulden in fremden Währungen für Schwellenländer zu einem Problem werden können, wenn der Kurs des US-Dollar steigt. Die Gefahr ist dann, dass Investoren schlagartig ihr Kapital abziehen. Das kann auch Staaten hart treffen, die sich "nur" in ihrer eigenen Währung verschuldet haben, wie etwa Mexiko. Fremdländische Investoren machen am Anleihemarkt in Mexiko 46 Prozent aus, in Brasilien sind es 44,7 Prozent, in Südafrika gut 30 Prozent.
Viele Schwellenländer haben während des Herunterfahrens ihrer Wirtschaft zugleich ihre Leistungsbilanzen verbessert. Es wird allerdings erwartet, dass sich das teilweise wieder umkehrt, wenn die Beschränkungen wegfallen werden.
Hinsichtlich der Devisenreserven schneiden die Türkei und Malaysia besonders schlecht ab, wenn man diese ins Verhältnis zu ihren kurzfristigen Auslandsschulden setzt. Vergleichsweise hohe Leistungsbilanzdefizite verzeichneten im langfristigen Vergleich Südafrika und Kolumbien.
Geringe Risiken unter den Schwellenländern sehen Analysten dagegen in China, Südkorea und Thailand. Diese Länder verzeichneten zuletzt teilweise sogar in Phasen der Unsicherheit Kapitalzuflüsse. Beispielsweise sind chinesische Anleihen weiterhin sehr gefragt. Thailand erzielt seit Jahren hohe Leistungsbilanzüberschüsse.
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