Das schwierige Verhältnis von EU und Türkei: Lavieren zwischen Flüchtlingsdeal und Inflation

Der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber (CSU) forderte, zwischen der EU und der Türkei "reinen Tisch" zu machen. Einen künftigen EU-Beitritt der Türkei nannte der CSU-Politiker "eine Illusion". Gleichzeitig fliegt eine Delegation der EU in die Türkei.

Die EU spricht mit seinem NATO-Partner Türkei nicht unbedingt immer mit einer Zunge. Während Manfred Weber (CSU) Reiseerleichterungen für türkische Bürger vorläufig eine Absage erteilt hat, reist die Frau, die für ihn den Kommissionspräsidenten-Stuhl bekam, zum türkischen Präsidenten Erdoğan. Vor dem Besuch der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel in Ankara sagte Weber dem Tagesspiegel:

"Es ist derzeit noch zu früh, über Visa-Erleichterungen sowie eine Ausweitung der Zollunion zu sprechen. Visa-Erleichterungen müssten an die Medienfreiheit und den Schutz der Grundrechte geknüpft sein."

Von der Leyen und Michel wollen in Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan beim ersten direkten Treffen von EU-Spitzenvertretern und Erdoğan seit einem Jahr um eine mögliche Verstärkung der Wirtschaftskooperation und Visa-Erleichterungen verhandeln.

Trotz der Bedenken wegen der jüngsten innenpolitischen Entwicklungen in der Türkei hatten die EU-Staats- und Regierungschefs Erdoğan bei einem Gipfeltreffen Ende März eine verstärkte Wirtschaftszusammenarbeit und finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt.

Die Inflation in der Türkei steigt weiter an. Im März habe die Inflationsrate bei 16,2 Prozent gelegen, so das türkische Statistikamt am Montag. Im Februar waren die Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 15,6 Prozent gestiegen. Die Preissteigerungen in der Türkei brechen neue Rekorde. Der ehemalige Notenbankchef hatte zuletzt versucht, mit Zinserhöhungen gegenzuhalten – und wurde daraufhin von Präsident Erdoğan entlassen. 

Deutlich teurer werden nun vor allem Lebensmittel. Die Preise stiegen im März auf Jahresbasis um 17,4 Prozent. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit und einer dritten Corona-Welle, mit der die Türkei wie sehr viele andere Nationen zurzeit kämpft, erschwert das die Situation für die Menschen im Land weiter. Die Lira stürzt ab. 

Unterdessen haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union der Türkei eine Vertiefung der Zusammenarbeit in Aussicht gestellt. Dies solle "schrittweise, verhältnismäßig und umkehrbar" sein, wie es in der vorbereiteten Erklärung des Europäischen Rates hieß. Konkret beziehen sich die Angebote auf die Modernisierung der Zollunion und die Wiederaufnahme ranghoher Dialoge. Allerdings steht dies unter dem Vorbehalt, dass sich die Türkei in den nächsten Monaten konstruktiv verhalte.

Handfeste Entscheidungen sollen erst im Juni fallen. Im Grundsatz einig ist sich der Rat über die weitere Unterstützung der vier Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei. 

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