Kommentare zu Bidens Luftangriffsbefehl auf Syrien erinnern an seine eigene Kritik an Trump

Joe Biden hat Lob von "Falken" und Heuchelei-Vorwürfe von Kritikern auf sich gezogen – durch seine Billigung des jüngsten US-Luftangriffs auf Syrien und die Erklärung, dass mit der Zerstörung von Objekten einer "vom Iran unterstützten Miliz" deeskaliert werde.

Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden, die ihre Absichten öffentlich machte, zum Atomabkommen von 2015 mit dem Iran zurück- und vom "kriegstreiberischen" Ansatz ihrer Vorgänger abzukehren, wird nun dafür hart kritisiert, dass er anscheinend mit dem jüngsten Luftangriff auf Syrien am Donnerstag ausgerechnet in Donald Trumps Fußstapfen tritt.

Aus dem Pentagon hieß es, dass der Angriff um 18.00 Uhr östlicher Zeit auf Bidens Befehl gestartet wurde und in seinem Verlauf "mehrere Einrichtungen" im Osten Syriens zerstört wurden, von denen angenommen werde, "iranisch unterstützte Milizen" hätten sie betrieben. Es gab bei Fertigstellung dieses Artikels unbestätigte Berichte über Verwundete infolge des Angriffs.

Das Pentagon versuchte, den Luftangriff als "defensiven Präzisionsschlag" zu vermarkten: Er sei als Vergeltung für die jüngsten Raketenangriffe auf die US- und Koalitionstruppen im Irak geflogen worden.

Allerdings scheinen nicht alle der US-Regierung dieses Narrativ abgekauft zu haben.

Als eine der Ersten kritisierte Mary Ellen O'Connell, Professorin der Jura-Fakultät der University of Notre Dame du Lac im US-Bundesstaat Indiana, den US-Angriff als einen Verstoß gegen das Völkerrecht. Sie wird von der US-Nachrichtenagentur Associated Press mit folgenden Worten zitiert, deren komplizierte Formulierung ihren Wahrheitsgehalt keineswegs mindert:

"Die Charta der Vereinten Nationen macht absolut deutlich, dass die Anwendung militärischer Gewalt auf dem Staatsgebiet eines anderen souveränen Staates nur als Reaktion auf einen bewaffneten Angriff auf den verteidigenden Staat rechtmäßig ist, für den der Zielstaat verantwortlich ist. Keines dieser Elemente ist bei dem Angriff in Syrien gegeben."

Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, erweiterte bei ihrer Pressekonferenz die Problematik zudem um die Tatsache, dass es bei Syrien im Falle der Außenpolitik zwischen dem Iran, dem Irak und den USA um einen außenstehenden Drittstaat geht:

"Wir verurteilen diese Handlungen aufs Schärfste und fordern die bedingungslose Achtung der Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Syrischen Arabischen Republik. Wir bekräftigen unsere Ablehnung jeglicher Versuche, das syrische Territorium zu einer Arena für die Austragung geopolitischer Streitigkeiten zu verwandeln."

Russlands Außenminister Sergei Lawrow hatte des Weiteren die nur nominale Befolgung der zur Konfliktvermeidung von Russland und den USA getroffenen Vereinbarungen durch die US-Seite zu bemängeln: Die USA gaben dem russischen Militär in Syrien lediglich vier bis fünf Minuten vor Beginn des Luftangriffs die entsprechende Warnung. Den Zwecken der Konfliktvermeidung ist das überhaupt nicht dienlich, so Russlands Chefdiplomat am Freitag.

Auch Netzbürger waren mit Kritik an Biden und seinen Mitarbeitern schnell bei der Hand. Sie erinnerten an die früheren Aussagen heutiger US-Regierungsmitglieder – hatten sie doch selber, etwa als unter damaligem US-Präsidenten Trump der Marschflugkörper-Angriff auf syrische Militärobjekte erfolgte, derartige Überfälle als gefährliche Eskalationen gewertet, bei denen Syriens Souveränität angegriffen wird.

So gruben die Online-Detektive einen Tweet von Bidens derzeitiger Sprecherin Jen Psaki aus:

"Außerdem: Inwiefern sind die Angriffe rechtlich autorisiert? Assad ist ein brutaler Diktator. Doch Syrien ist ein souveränes Land."

Neben dieser Äußerung von Psaki blieb aber auch folgende Aussage der heutigen US-Vizepräsidentin Kamala Harris zu selbigem Anlass durchaus im Gedächtnis des Internets:

"Ich stehe voll und ganz hinter unseren uniformierten Männern und Frauen, und glaube, dass wir Assad für seinen gewissenlosen Einsatz von Chemiewaffen zur Rechenschaft ziehen müssen. Doch über die juristischen Überlegungen hinter den Angriffen vom letzten Abend bin ich zutiefst besorgt."

Auch Biden höchstselbst rügte noch im Januar letzten Jahres eine weitere Entscheidung Trumps zu einer Eskapade im Nahen Osten – nämlich die Ermordung des hochgestellten iranischen Generals Qassem Soleimani auf irakischem Staatsgebiet. Er sagte dabei ernsthafte Konsequenzen für die ganze Region voraus – auch dies wurde keineswegs vergessen:

"Niemand in den USA wird Qassem Soleimanis Dahinscheiden betrauern. Er verdiente es, zur Rechenschaft für seine Verbrechen gegen US-Truppen [...] in der Region gezogen zu werden. Doch nichts von alldem negiert die Tatsache, dass dies ein Schritt in Richtung einer massiven Eskalation ist – und das in einer ohnehin schon gefährlichen Region. Die Erklärung der US-Regierung besagt, das Ziel sei es, den Iran von zukünftigen Angriffen abzuschrecken – doch dieser Schritt wird so gut wie garantiert zu einem gegenteiligen Ergebnis führen. [...] Der Iran wird mit Sicherheit darauf antworten. Ein größerer Konflikt im gesamten Nahen Osten könnte uns ins Haus stehen."

Einige wiesen auf die der Erklärung des Pentagons innewohnende unfreiwillige Ironie hin – behauptete man doch dort, dass der Bombenangriff irgendwie darauf abziele, "die Gesamtsituation sowohl in Syrien als auch im Irak zu deeskalieren".

"Sogar der Bombenangriff auf Nordvietnam bei der Operation 'Linebacker' hätte deeskalierend wirken sollen", stichelte einer.

Aus Sicht einiger haben sich die Hoffnungen, dass die USA unter der Biden-Regierung in naher Zukunft dem wegweisenden Atomabkommen mit dem Iran wieder beitreten würden, mit dem Luftangriff gleichsam in Luft aufgelöst:

"Der Iran-Deal wird jede Minute neugestartet, ganz bestimmt!"

Andere, wie etwa die Journalistin der Washington Post und prominente Trump-Gegnerin Jennifer Rubin, sehen den Angriff im Gegenteil als mit dem erklärten Interesse der Biden-Administration am Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan vereinbar.

"Gut, dass Biden sich mit dem Iran in dieser Sache auseinandersetzt und es nicht auf sich beruhen lässt, etwa in der Hoffnung, den Iran wieder an den Verhandlungstisch zu bekommen."

Manche gingen noch weiter – Suzanne Kianpour von der BBC lobte nicht nur ebenfalls den Bombenangriff, sondern argumentierte sogar, er sei Teil einer wehrhaften, robusten Verhandlungstaktik der Biden-Regierung.

Der Schritt wurde auch von Mark Dubowitz gelobt, dem Leiter der nach 9/11 zur Förderung des "Kriegs gegen den Terror"  gegründeten Foundation for Defense of Democracies (FDD), die als eine außenpolitisch aggressive, neokonservative Denkfabrik beschrieben wird.

"Lob an die Biden-Regierung für ihre Reaktion. Hier bei Aggression in der Region ein Auge zuzudrücken und wirtschaftliche Lockerungen anzubieten, wird das Regime im Iran und seine Stellvertreter nur zu noch destruktiverem Verhalten ermutigen", schrieb er auf Twitter.

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Es gab außerdem zahlreiche Kommentare, die das Fehlen grundlegender Unterschiede in der Nahostpolitik der USA unter den verschiedenen Regierungen der letzten Zeit betonen, wobei die jeweilige Oppositionspartei stets martialisches Vorgehen kritisiert, ohne bei dem eigenen Machtantritt selbst mit der aggressiven Außenpolitik zu brechen.

"Die Kriegsmaschine ist zurück. Biden hat gerade Syrien mit einem Raketenangriff getroffen."

"Immer und immer wieder.

*Biden befiehlt Angriff auf Syrien. Trump-Kultisten schreien "Buh!"

*Trump bombardiert Syrien im April 2018. "Resistance"-Bots schreien "Buh!"

*Obama schickt Truppen nach Syrien im April 2016. Angehörige des-Stammes der Republikaner schreien: "Buh!"

Schluss mit den endlosen Kriegen in Nahost, was?"

 

"Das sind nur einige wenige Schlagzeilen aus Trumps Amtszeit. Es gab nie Frieden unter ihm oder irgendeinem  US-Präsidenten der modernen Geschichte. Jeder Präsident hat Drohnenangriffe angeordnet, einschließlich Trump – bei ihm gab's sie sogar tonnenweise."

Während das offizielle Washington behauptete, dass die Angriffe eine Vergeltung für die jüngsten Angriffe auf US-amerikanisches Personal und Personal der US-geführten Koalition im Irak seien, gab man nicht an, für welchen davon genau. Teheran seinerseits bestritt indes jegliche Beteiligung an dem jüngsten Raketenangriff in der Nähe einer US-Militärbasis in Erbil im irakischen Kurdistan am 15. Februar, bei dem ein nicht-US-amerikanischer ziviler Dienstleister getötet und neun weitere Personen, darunter ein US-Soldat, verletzt wurden.

Die Verantwortung für den Angriff übernahm eine schiitische Gruppierung, die sich zu jenem Zeitpunkt Saraja Awlija al-Dam nannte.