Putin zu Biden oder Trump: "Ein zerstörtes Verhältnis lässt sich nicht weiter verschlechtern"
Seit Bekanntgabe der Wahlergebnisse gaben sich etliche Staatslenker die Klinke in die Hand, um Joe Biden zum Sieg im Rennen um die US-Präsidentschaft zu gratulieren und dies, obwohl der amtierende US-Präsident den Wahlvorgang als eine Farce bezeichnete und umgehend rechtliche Schritte ankündigte.
Seither wird darüber spekuliert, warum nicht auch der russische Präsident Wladimir Putin Biden bereits offiziell zum Wahlsieg gratuliert hat. Hinweise darauf, dass er schlicht enttäuscht über den Wahlausgang sei, da er bevorzugt Donald Trump im Weißen Haus gesehen hätte, durften dabei natürlich nicht fehlen. Schließlich mutmaßte man schon vorher darüber, "Warum Putin auf Trump hofft".
Putin – für den es entscheidend ist, niemals schwach auszusehen – zeigt Biden, dass er sich trotz westlicher Sanktionen und internationaler Isolation nicht scheut, dem künftigen 'Führer der freien Welt' die Stirn zu bieten", hieß es etwa in einem Meinungsbeitrag der Deutschen Welle.
Am Sonntag meldete sich nun der russische Präsident selbst zu Wort.
Wir werden mit jedem zusammenarbeiten, der das Vertrauen des amerikanischen Volkes hat", stellte Putin in einem Interview im russischen Fernsehen klar.
Er ergänzte, dass er noch nicht bereit sei, Joe Biden seine Glückwünsche als Sieger der US-Präsidentschaftswahlen zu übermitteln, da dessen Kontrahent Donald Trump den Sieg des Demokraten noch nicht offiziell anerkannt habe. Zudem sei der Wahlsieg Bidens noch nicht auf "legitime, rechtmäßige Weise anerkannt" worden.
Dies sollte entweder in Übereinstimmung mit der politischen Tradition geschehen, wenn eine der Seiten den Sieg der anderen anerkennt oder wenn das Endergebnis der Abstimmung auf legitime und rechtmäßige Weise anerkannt wurde", erläuterte Putin.
Putin betonte, dass das Zögern der russischen Führung einen rein formalen Hintergrund habe, um möglichen weiteren Mutmaßungen vorzubeugen.
Es gibt keine versteckte Agenda oder irgendetwas, das ungewöhnlich wäre oder das eine Grundlage für eine weitere Verschlechterung unserer Beziehungen darstellen könnte.
Ohnehin könnten die gegenseitigen Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und den USA kaum schlechter werden, als sie ohnehin schon sein.
Ein bereits zerstörtes Verhältnis lässt sich nicht weiter verschlechtern", begründete Putin die Unsinnigkeit von entsprechenden Spekulationen.
Ferner unterstrich der russische Präsident:
Wir haben ein respektvolles Verhältnis zu allen: sowohl zum amtierenden Präsidenten Trump als auch zum Kandidaten für dieses Amt, Herrn Biden. Deshalb haben wir hier keine Probleme.
Zudem erinnerte Putin daran, dass bei den letzten US-Wahlen zunächst Hillary Clinton als klare Siegerin gegolten habe.
Was die anderen angeht, diejenigen, die gratulieren. Es liegt an jedem Einzelnen, alle Beteiligten sind erfahren genug und wissen, was und wie sie es tun", so Putin weiter.
Die russische Führung sei bereit, mit jedem designierten US-Präsidenten zusammenzuarbeiten, aber jetzt sei es zunächst wichtig, abzuwarten, bis die Stimmenauszählung endgültig abgeschlossen und "der innenpolitische Konflikt" in den Vereinigten Staaten beendet sei, fügte Putin hinzu.
Es sei offenkundig, so der russische Präsident weiter, dass das politische Wahlsystem der Vereinigten Staaten "einige Probleme" habe.
Es ist absolut offensichtlich – es ist für jeden in der Welt klar – es scheint mir, dass dies für die Amerikaner klar ist, dass es einige Probleme im US-Wahlsystem gibt. Es geht uns nichts an, ob sie etwas ändern müssen oder nicht. Das ist eine Angelegenheit des amerikanischen Volkes und seiner Vertreter im Parlament und des Präsidenten des amerikanischen Volkes, und wenn sie zufrieden sind – nun, um Gottes willen", stellte Putin fest.
Putin ging dabei ebenfalls auf eine entsprechende potenzielle Schwachstelle des US-Wahlsystems ein:
Es ist auch in der breiten Öffentlichkeit weithin bekannt, dass ein Kandidat, der in einem Staat gewinnt, die Stimmen aller Wahlmänner erhält. Nun, sagen wir, es sind 20 von ihnen. Er gewinnt elf, bekommt aber alle 20. Aber möglicherweise stellt sich heraus, dass hinter diesen Wahlmännern eine geringere Anzahl von Wählern steht. In der Geschichte der USA ist es meiner Ansicht nach dreimal vorgekommen, dass ein Präsident von einer größeren Zahl von Wahlmännern gewählt wird, während hinter ihm eine geringere Zahl von Wählern steht. Ist das demokratisch?
Im Jahr 2016 entfielen auf Donald Trump weniger Stimmen als auf seine Gegnerin Hillary Clinton. Im sogenannten Electoral College stimmten jedoch 306 Wahlmänner für Trump und lediglich 232 für Clinton. Putin betonte, es sei nicht sein Anliegen, das politische System der USA oder deren Wahlsystem zu geißeln.
Dies wurde vor langer Zeit getan. Wie mir ein amerikanischer Kollege zuvor sagte, 'wir haben uns daran gewöhnt'. Das ist die Praxis", so Putin.
Aufgrund der Mängel im eigenen Wahlsystem hätten die USA nicht das Recht, andere Länder für eine nicht perfekte Wahlgesetzgebung zu kritisieren. Putin fügte hinzu, der Wahlprozess in den USA gebe "niemandem das Recht, mit dem Finger auf die Mängel in anderen politischen Systemen zu zeigen, auch nicht in der Wahlgesetzgebung".
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