Britisch finanzierte Propaganda – Kinder mit Trickfilmen und Comics gegen Assad indoktrinieren
von Kit Klarenberg
Durchgesickerten Dokumenten zufolge gab das britische Amt für Auswärtiges und Commonwealth (Foreign and Commonwealth Office: FCO) Millionen für den Aufbau eines geheimen Netzwerks zur Produktion von Propaganda gegen Baschar al-Assad aus. Ein Großteil davon zielte auf die Indoktrinierung der Herzen und Hirne von Kindern ab.
Einige durchgesickerte interne Akten des FCO geben Einblick in eine Reihe von Methoden, mit denen die Regierung in London verdeckt durch eine ausgedehnte, lang andauernde Informationskampagne im In- und Ausland versuchte, mittels Propaganda syrische Kinder sowohl selbst zu indoktrinieren und sie zugleich auch noch in einer an die Völkergemeinschaft gerichteten Medienkampagne zu instrumentalisieren.
Diese Dokumente sind nur ein Teil der hochbrisanten Materialien, die durch Cyberaktivisten ("Hacktivisten") von "Anonymous" herausgegeben wurden. Darin wird eine Vielzahl von zerstörerischen Nacht-und-Nebel-Aktionen skizziert, die von der britischen Regierung über viele Jahre hinweg gegen den syrischen Staat unternommen wurden.
Das vorrangige Ziel hinter all dem war, die Regierung von Baschar al-Assad zu destabilisieren, gleichzeitig Syrer, Bürger in westlichen Staaten, ausländische Regierungen und internationale Gremien davon zu überzeugen, dass die Freie Syrische Armee (FSA) eine legitime Alternative sei, und die Medienlandschaft weltweit mit Propaganda im Dienste der syrischen Regierungsgegner zu überschwemmen.
In einer Reihe dieser Pläne spielten Kinder eine wichtige Rolle, und zwar in mehrfacher Hinsicht. ARK, ein Schattenunternehmen unter der Leitung des altgedienten Mitarbeiters des britischen Außenamtes Alistair Harris, agierte als Zentrum in vielen dieser verdeckten Projekte, die das Auswärtige Amt insgesamt viele Millionen Pfund gekostet haben dürften.
Legitimität der rechtmäßigen Regierung Syriens untergraben
In einer Datei gibt das Unternehmen ARK einen Überblick über die Preise für Propagandamaterial, einschließlich "Public Service Announcement Animations" (umgerechnet 5.110 Euro), "Politische Cartoons" (etwa 1.300 Euro) und "Comic-Bücher (24 farbige Seiten)" (etwa 33.800 Euro).
Ein separates Angebot wurde dem britischen Außenamt von der Kommunikationsfirma Albany vorgelegt. Es beschreibt Möglichkeiten der verdeckten Unterstützung für "oppositionelle Medienaktivisten an der Basis". Das Unternehmen führte zahlreiche Operationen der psychologischen Kriegsführung in Syrien durch – darunter auch das Kommunikationsmanagement der sogenannten Nationalen Koalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte während der zweiten Friedenskonferenz in Genf im Jahr 2014 – und arbeitete dabei umfassend mit ARK zusammen.
Die Erschaffung von "fiktionalem Material" – wie Hörspielen und "digitalen Comicstrips für das Einstellen im Internet" – wurde als eine der wichtigsten Möglichkeiten genannt, mit denen die Firma "die Werte und den Ruf der syrischen Opposition stärken" und die "Kernaussagen und Legitimität der Regierung untergraben" könnte.
Welche Projekte – wenn überhaupt – aus diesen Angeboten am Ende hervorgingen, geht aus den Akten selbst nicht hervor. Jedoch enthüllte im Mai der Journalist Ian Cobain, dass Hentawi, ein periodisch im Web erscheinender Comic, der sich an 9- bis 15-jährige Syrer richtet, insgeheim vom Foreign Office in Auftrag gegeben wurde – und dass der Seriengründer Naji Jerf in einer vom Außenamt beauftragten Firma angestellt war.
Aus den von Anonymous-Aktivisten veröffentlichten Akten geht hervor, dass es sich bei der erwähnten Firma um ARK handelte, die auch Jerfs Lebenslauf zur Verfügung stellte – aus diesem Dokument geht hervor, dass er in den Jahren 2006 bis 2007 Herausgeber einer in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässigen Zeitschrift war: Attfal Al Yaom (Children of Today: Kinder von heute).
Diese Erfahrung half zweifellos bei der Produktion von Hentawi, das sehr eingängige Comicstrips publizierte, welche auf raffinierte Weise Demokratie, Gleichheit und andere humanistische Werte hochlobten und auch Rätsel und Spiele sowie inspirierende Geschichten von Sportlern, Berühmtheiten und Ähnlichem anbot.
Cobain enthüllte auch, wie Auftragnehmer des FCO Animationsfilme für syrische Kinder produzierten, wie beispielsweise Goal to Syria (Tor für Syrien) über einen jungen Fußballspieler, wie er dereinst im Finale des Asien-Pokals 2027 für die syrische Mannschaft das Siegestor schießt.
Während sich der Spieler auf seinen Versuch des spielentscheidenden Elfmeters vorbereitet, kommen in ihm Erinnerungen an Aleppo im Jahr 2014 hoch. Nach einem Bombenangriff eilen "Weißhelme" in einem Krankenwagen herbei, um ihn aus den Trümmern zu retten – unterwegs kommen sie noch an einem Einheimischen vorbei, der schreit: "Zuerst haben sie uns mit Chemikalien bombardiert und jetzt mit Fassbomben!"
Nachdem sie den Jungen befreit und in Sicherheit gebracht haben, zeigt ihm ein "Weißhelm" mit der Hand noch das Victory-Zeichen. Wieder "zurück" im Jahr 2027 schießt er den Elfmeter – und trifft natürlich. Die Kommentatoren bewundern den "Löwen von Damaskus" für seinen heldenhaften Sieg. Während der Bildschirm sich verdunkelt, wird den Zuschauern noch ein Text präsentiert, der die angeblichen Leistungen der Weißhelme während des Konflikts würdigt und behauptet, diese Gruppe "repräsentiere die Menschlichkeit und den Geist des syrischen Volkes".
Andere durchgesickerte FCO-Akten machen deutlich, dass ARK eine zentrale Rolle beim Aufbau und bei der weltweiten Verbreitung eines schmeichelhaften Images der Weißhelme spielte. Dafür entwickelte die Firma "eine international ausgerichtete Kommunikationskampagne zur Sensibilisierung des globalen Bewusstseins" für die Gruppe, um so "Syrien in den Top-Nachrichten zu halten". Dieses Filmchen Goal to Syria wurde im Jahr 2016 sogar bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt und kann daher als ein weiteres sehr gelungenes Beispiel für den Erfolg dieser Bemühungen in der Praxis angesehen werden – neben dem eigentlichen Zweck einer Kurzanimation für die Zielgruppe in Syrien.
Denkt bitte an die Kinder!
Aus demselben Dossier, in dem Naji Jerfs Lebenslauf aufgeführt ist, geht auch hervor, dass die Firma ARK in Syrien mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenarbeitete, um "Produkte für Kinder in Syrien" zu entwickeln – darunter auch "mobile Kinovorführungen".
Das ausgedehnte Netzwerk von Freiberuflern des Unternehmens im Land, das auf Kosten des Foreign Office durch ARK selbst geschult wurde, sollte möglichst "häufig über solche Ereignisse berichten". Diese Berichte würden dann wiederum an die "gut etablierten Kontakte" der ARK in den wichtigsten Nachrichtenagenturen wie etwa Al Jazeera, BBC, CNN, Guardian, New York Times und Reuters weitergeleitet, um "ihre Wirkung noch weiter zu verstärken".
Diese Medienhäuser "verstärkten" in ähnlicher Weise auch die wirkungsvolle Propaganda anderer in Syrien tätiger Auftragnehmer des britischen FCO. Im Juli 2019 wurde in den sozialen Medien ausgiebig ein Bild von jungen syrischen Mädchen irgendwo in den Trümmern von Idlib verbreitet: Ein Mädchen versucht die kleine Schwester zu retten, die in den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes über dem Abgrund hängt, während der entsetzte Vater der beiden von oben das Geschehen beobachtet.
Über das Foto, geschossen von einem Fotografen für das populäre syrische Nachrichtenportal SY24, wurde in der ganzen Welt berichtet.
Das Publikum erfährt jedoch nichts darüber, dass dieser Nachrichtenkanal SY24 vom The Global Strategy Network (TGSN) gegründet wurde und finanziert wird, also einer Denkfabrik von Richard Barrett, dem ehemaligen Direktor für Terrorismusbekämpfung des britischen Geheimdienstes MI6.
In einem dem britischen Außenamt FCO vorgelegten Dossier prahlte TGSN damit, wie die "Kampagnen", die über SY24 ausgestrahlt wurden, eine "enorme weltweite Berichterstattung" ausgelöst hätten, die von "vielen hundert Millionen Menschen" gesehen wurde und Kommentare von Institutionen "bis hin zum UN-Sicherheitsrat" auslöste.
Die SY24-Inhalte wurden von einem Netzwerk sogenannter "Freier Mitarbeiter" produziert, die vom TGSN ausgebildet und mit Ausrüstung, einschließlich "Kameras und Videobearbeitungssoftware", ausgestattet wurden. Die Firma widmete besondere Aufmerksamkeit einem selbst betreuten Team weiblicher "Freier Mitarbeiterinnen", das "etwa 40 Prozent aller SY24-Inhalte liefern" würde und Teil einer "breiten" Landschaft von Netzwerken sei, was es TGSN ermöglichen würde, "Themen bis in den Mainstream zu katapultieren".
Wie schon Albany und ARK engagierte sich auch TGSN bei Aktivitäten der Propaganda für die Indoktrinierung der syrischen Jugend. Die Denkfabrik bot an, Vorführtechnik in Flüchtlingslager und "ländliche Gebiete" zu bringen, um den jungen Bewohnern ihr Material auf einer Leinwand zu zeigen, darunter "sozialerzieherische Zeichentrickfilme für Kinder, Filme, die im Hinblick auf Konfliktbewusstsein und Geschlecht ausgewählt wurden, sowie beliebte Fußball-Events zwecks Förderung des Zulaufs".
Das Unternehmen TGSN sprach sich auch mit ARK für mehrere geheime Aktionen ab, darunter eine Kampagne mit dem Titel "Back to School" ("Zurück in die Schule"). Wie der Name schon sagt, kehrten in dem von der Opposition besetzten Idlib unter deren Schirmherrschaft junge Syrer in die Schule zurück. Die beiden Komplizen versprachen dem Foreign Office, dass es ein ganz großes Medienspektakel werden würde.
In Zusammenarbeit mit dem Stadtrat von Idlib, mit Kommandeuren der Opposition und anderen Akteuren vor Ort planten ARK und TGSN gemeinsam eine umfassende, "einheitliche" Kommunikationskampagne mit "gemeinsamen Slogans, Hashtags und eigener Marke". Rebellenkämpfer sollten engagiert werden, um "Straßen zu räumen" und so den "Kindern und Lehrern den Zugang zu Schulen wieder zu ermöglichen", während dabei vom personalstarken Netz Freier Mitarbeiter der beiden Unternehmen gleichzeitig Videomaterial produziert würde, das sowohl "online und über Rundfunkkanäle verbreitet" werden könne.
Kindersoldaten an der Front der Kriegspropaganda
Gerade vor dem Hintergrund solcher zynischen, herzzerreißenden Ausbeutung von Kindern durch das britische Außenministerium gewinnt auch das Phänomen "Bana Alabed" eine noch verdächtigere, unheimlichere Dimension.
Im Jahr 2016 – im zarten Alter von nur sieben Jahren – wurde Bana kurzzeitig zu einer gefeierten Figur unter den Befürwortern westlicher Militärinterventionen in Syrien, und zwar wegen der Tweets, die – angeblich von ihr veröffentlicht – die Belagerung von Aleppo über Wochen dokumentieren sollten.
Innerhalb weniger Tage nach der Anmeldung ihres Twitter-Kontos im September jenes Jahres hatte sie eine beachtliche Fangemeinde um sich versammelt – die dann gerne mit Hashtags wie #StandWithAleppo, #HolocaustAleppo, #MassacreInAleppo und #StopAleppoMassacre eigene Tweets gegen Assad, Wladimir Putin und auch an Barack Obama abfeuerte. So errang Bana auch selbst ein prominentes Medienprofil, wurde von mehr als einem Experten als die "Anne Frank" der syrischen Krise hochstilisiert und zu wichtigen Nachrichtensendern eingeladen, um dort Assad und die reguläre Syrische Arabische Armee anzuprangern.
Dennoch waren manche Kritiker verwirrt, wie ein so junges syrisches Mädchen eine solche Beherrschung der englischen Sprache erlangen und – noch dazu in einer Stadt mit häufigen Stromausfällen – so häufig twittern konnte. Auch wurden Bedenken laut hinsichtlich des interventionistischen Charakters einiger angeblich von Bana veröffentlichter Tweets, einschließlich der Behauptung der angeblich offensichtlichen Gefahr eines Dritten Weltkrieges.
Sogar Mainstream-Journalisten räumten ein, dass wohl ihre Video-Statements offenbar nach Skripten erstellt wurden. Der New Yorker stellte fest, Bana sei eindeutig "trainiert worden ... um ihre Gedanken in einer Sprache verbreiten, die sie gerade erst zu lernen beginnt".
Bana schloss dann auch noch einen lukrativen Vertrag mit dem Verlagsriesen Simon & Schuster ab. Zuvor nahm sie The Blair Partnership unter Vertrag, eine von Neil Blair gegründete Talent- und Marketingagentur. Blair ist ein Vorstandsmitglied der britischen Filiale des Abraham Fund, einer von der israelischen Bank Hapoalim gesponserten Gruppe, die den Bau rein jüdischer Siedlungen im besetzten Westjordanland finanziert.
Bana war im Juli des nächsten Jahres dann bereits weitgehend aus den Medien wieder verschwunden, als der syrische Journalist Khaled Iskef das verlassene Haus der Familie Alabed aufsuchte. Er fand heraus, dass sich gleich um die Ecke ein Hauptquartier der Terrormiliz "al-Nusra-Front" befand und nicht einmal 400 Meter weiter die Al-Qaida-Kommandozentrale für Aleppo. Mehr noch, im Haus entdeckte er ein Notizbuch, das die Zusammenarbeit ihres Vaters Ghassan mit extremistischen Elementen dokumentierte, nämlich über seine Tätigkeit als militärischer Ausbilder für die Islamische Sawfa-Brigade.
Zu dieser Zeit arbeitete er im Scharia-Rat in der staatlichen Augenklinik von Aleppo, die unter der Kontrolle von al-Nusra stand. Aus dem Notizbuch ging hervor, dass dieser Rat der Terrormiliz Entscheidungen über Internierung und Ermordung gefangener Zivilisten gefällt hatte.
Mittlerweile gelöschte Posts in sozialen Medien enthüllten ferner, dass Banas Großvater Mohammed Waffenhändler war – und in Sha'ar eine Werkstatt zur Wartung von Waffen betrieb, in der allerhand Mordgerätschaften für terroristische Gruppierungen gepflegt wurden – direkt gegenüber einer ehemaligen Schulungsbasis für al-Nusra.
Auf dem angeblich von Bana betriebenen Twitter-Account wurde häufig beklagt, dass es unmöglich sei, "wieder zur Schule" zu gehen, und als perverse Ironie ihrer Geschichte fand Iskef heraus, dass al-Nusra ausgerechnet eine ehemalige Schule in der Nähe des Hauses von Bana Alabed als ihr Hauptquartier in Aleppo missbrauchte.
Kit Klarenberg ist ein Investigativjournalist, der die Rolle der Geheimdienste bei der Gestaltung von Politik und Ansichten untersucht. Folgen Sie Kit auf Twitter unter @KitKlarenberg
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