"Moderne Sklaverei" – Tausende marokkanische Saisonarbeiter in Spanien gefangen
Einem Bericht der Deutsche Welle (DW) zufolge, sollen rund 7.200 sogenannte "Temporeras" (Saisonkräfte) aus Marokko in Spanien festsitzen. Geplant war offenbar sogar, dass rund 17.000 Saisonkräfte nach Spanien sollten, doch Marokko schloss am 13. März wegen der Corona-Krise die Grenzen.
Nun ist die Erntesaison zu Ende und die Arbeiterinnen sitzen in Andalusien fest, da Marokko zunächst an der Grenzschließung festhielt und eine Rückkehr verweigerte. Die Arbeitsverträge liefen Mitte Juni aus. Offenbar durften immerhin hundert Frauen, die krank waren oder kurz vor einer Entbindung standen, wieder nach Marokko zurückkehren.
Den Verbliebenen geht mittlerweile das Geld aus, wie José Maria Castellon, Mitglied der Menschenrechtsorganisation Association for Human Rights of Andalusia (APDHA), gegenüber DW mitteilte. Unterstützungsgruppen für die Betroffenen sprechen von einer "humanitären Krise". Laut dem Bericht sollen einige der Frauen während ihres Aufenthalts in Spanien entbunden und bis zum Vortag gearbeitet haben – "wenn nicht sogar am Tag der Entbindung", wie DW schreibt.
Der deutsche Auslandssender zitiert eine Hebamme, die bei einigen dieser Geburten assistiert haben soll, und die erklärte, dass "diese Frauen allein waren und nicht in der Lage waren, zu kommunizieren". Zwar sollen angesichts der besonderen Situation die Firmen den Arbeiterinnen erlauben zu bleiben und dafür auch die Kosten übernehmen, doch helfe das den Frauen nur bedingt.
Viele der Arbeiterinnen schickten in der Regel fast ihren gesamten Verdienst an ihre Familien in Marokko und behielten "gerade genug, um die Einkäufe zu erledigen und ihren Kindern ein Geschenk zu kaufen, bevor sie zurückkehren", wie Castellon weiter gegenüber DW ausführte. Deswegen seien sie nun auf die Hilfe von Nachbarn und NGOs angewiesen, um zu überleben.
Der Bericht nimmt unter dem Zwischentitel "Die dunkle Seite des europäischen Fruchthandels" auch die immer wieder kritisierten Arbeitsbedingungen von Saisonpflückern auf.
Neben Saisonpflückern aus Marokko, Polen, Rumänien und Bulgarien, arbeiteten und lebten auch Hunderte von Migranten aus Subsahara-Ländern das ganze Jahr über in Barackensiedlungen in der Nähe der Felder. DW verweist auf eine Aussage des UN-Berichterstatters für extreme Armut und Menschenrechte nach einem Besuch in den Lagern im Februar 2019:
Sie leben wie Tiere. Ihre Bedingungen gehören zu den schlimmsten, die ich in irgendeinem Teil der Welt gesehen habe.
Auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Saisonarbeiter seien laut DW nicht ideal. An den Orten, an denen sie sich aufhielten, hätten viele keine angemessene Belüftung, keine Toiletten und kein fließendes Wasser. Soziale Distanzierung sei ein seltenes Privileg. Zwar seien bis jetzt noch keine der marokkanischen Saisonkräfte positiv auf COVID-19 getestet worden, dennoch hätten Ausbrüche in Migrantengruppen, die in anderen Teilen Spaniens unter ähnlichen Bedingungen leben, Besorgnis ausgelöst, so der Bericht weiter.
Doch offenbar gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer. Am vergangenen Mittwoch kündigten die spanische und die marokkanische Regierung nach Verzögerungen schließlich ein Abkommen zur Rückführung der Saisonarbeitskräfte an. DW zitiert dazu die lokale Menschenrechtsaktivistin Alicia Navascues mit den Worten:
Wären sie Profifussballerinnen gewesen, hätte man sie sofort nach Hause zurückgeschickt, aber es sind arme Frauen.
Zwar könnten die Saisonarbeiter jetzt per Flugzeug oder Schiff zurückzukehren, aber nur von französischen und italienischen Häfen aus. Doch die betroffenen Arbeiter könnten sich die Tickets nicht leisten. Und noch ein weiteres Hindernis stünde der Rückkehr im Weg: Marokko akzeptiere nur eine Rückkehr von Personen mit einem negativen Testergebnis – aber die lokalen Behörden könnten gerade mal 800 Coronavirus-Tests pro Tag durchführen.
Navascues stellt auch die Art und Weise, wie die Arbeitsverhältnisse grundsätzlich organisiert werden, infrage. "Dieses Einstellungsmodell ist eine moderne Form der Sklaverei", so die Aktivistin gegenüber DW. Wenn die Arbeitsbedingungen menschenwürdig wären, dann würden die Einheimischen diese Arbeit gerne annehmen, da die Provinz in den letzten Jahren eine hohe Arbeitslosenquote hatte, so Navascues weiter. Und sie ergänzt: "Dieses Modell der kapitalistischen Ausbeutung funktioniert nicht, nicht für diese Frauen."
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