International

Syrien: Russland verlässt Anti-Konfrontationsprogramm der UN – USA zeigen sich empört

Der Grund für Russlands Rückzug aus dem sogenannten Deconflicting-Mechanismus in Syrien ist sein Missbrauch zugunsten von Terrormilizen, so die Reaktion von Wassili Nebensja, dem Ständigen Vertreter Russlands bei der UN, auf Vorwürfe seitens der USA.
Syrien: Russland verlässt Anti-Konfrontationsprogramm der UN – USA zeigen sich empörtQuelle: Sputnik

Russland kündigte am 23. Juni 2020 seine Teilnahme am sogenannten Deconflicting-Mechanismus, der vom UNOCHA (Office for Coordination of Humanitarian Affairs, dt.: Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten) in Syrien betrieben wird. Zweck dieses Kommunikationsformates war es unter anderem, Angriffe auf zivile Konvois und humanitäre Einrichtungen durch die in Syrien vertretenen Streitkräfte zu vermeiden. Russland meldete jedoch wiederholt Fälle von Missbrauch und kündigte schließlich seinen Austritt an.

Mit guten Vorstätzen gepflastert

Als Grund für Russlands Austritt aus dem Deconflicting-Kommunikationsformat der Vereinten Nationen in Syrien gab Wassili Nebensja, Ständiger Vertreter Russlands bei der UN, Folgendes an:

Dieser Mechanismus war eine freiwillige Vereinbarung. Er hat weder ein Mandat des Sicherheitsrates noch eine andere legitime Grundlage. Wir haben wiederholt auf die Unzulänglichkeiten des Mechanismus hingewiesen. Dies ist ständig ignoriert worden.

Zu den erwähnten Unzulänglichkeiten des "Deconflicting"-Mechanismus zählt, dass er wiederholt für Desinformation missbraucht wurde. Nebensja wörtlich:

Zur Verfügung gestellte Informationen wurden von Terroristen und ihren Gönnern missbraucht, um die UNO und die internationale Gemeinschaft absichtlich in die Irre zu führen. Sie gab wiederholt Anlass zu unbegründeten Anschuldigungen, dass von Syrien oder Russland zivile Ziele bombardiert worden seien. Die Wirkung des Mechanismus der Dekonfrontation lieferte einen der Vorwände für die Einsetzung einer Untersuchungskommission.

(Im Rahmen dieser Untersuchungen sollten Angriffe gegen angeblich zivile Infrastruktur im Nordwesten der Syrischen Arabischen Republik untersucht werden, Anm. d. Red.)

So waren Objekte, deren Standorte über das Anti-Konfrontationsprogramm als humanitäre Einrichtungen an russische Streitkräfte in Syrien gemeldet wurden, häufig durch Terrormilizen als militärische Einrichtungen zweckentfremdet.

Gleichzeitig haben unsere eigenen Untersuchungen wiederholt bewiesen, dass einige der Deconflicting-Objekte als Kommandostäbe, Schutzbunker oder sichere Häuser für Terroristen benutzt wurden und daher keinen humanitären Status genießen können.

Ebenso häufig kam es zu starken Abweichungen der durchgegebenen Koordinaten von den realen Standorten der jeweiligen Objekte.

Nebensja führte all dies darauf zurück, dass die Information, die das UNOCHA in diesem Kommunikationsformat an Russland weiterleitet, von unbekannten und ungesicherten Quellen kommt, die nicht verifiziert werden können, schreibt  RIA Nowosti.

Geißel der UN-Aktivitäten zu Syrien: Ungenaue Daten

Nebenbei betrifft das Problem der ungenauen oder schlicht falschen Information aus unzuverlässigen, häufig parteiischen Quellen neben dem Deconflicting-Mechanismus auch weitere Arbeitsbereiche der Vereinten Nationen in Syrien. Dem russischen UN-Gesandten diente der Ermittlungsausschuss der Vereinten Nationen, der im Herbst 2019 auf den Druck einiger Mitgliedsstaaten im UN-Sicherheitsrat eingerichtet wurde.

Dieser sollte Anschuldigungen seitens Großbritanniens, Belgiens, der USA, Frankreichs, Deutschlands, Indonesiens, Perus, Polens, Kuwaits und der Dominikanischen Republik untersuchen, wonach russisches und syrisches Militär humanitär genutzte Einrichtungen, vor allem Krankenhäuser, im Nordwesten Syriens aus der Luft angegriffen haben sollen. Der Untersuchungsbericht legt Gutachten zu sechs der Standorte vor.

Noch am 16. September wurden von Russland Beweise vorgelegt, die diese Anschuldigungen widerlegen, erinnerte Nebensja. Nicht nur fanden sich keine humanitär genutzten Einrichtungen unter den genannten Zielen, sondern gegen einige dieser Standorte erfolgten zu jener Zeit überhaupt keine Luftangriffe oder Artilleriebeschüsse. Solcherlei Ungenauigkeiten sind nicht weiter verwunderlich: Der Untersuchungsausschuss arbeitete nicht auf syrischem Staatsgebiet und konnte folglich die betreffenden Standorte nicht aufsuchen – zumal er keine Einreisegenehmigung nach Syrien hatte, erinnert  RIA Nowosti.

Mehr zum Thema – Russisches Militär: NYT-Bericht über "Luftangriffe auf Krankenhäuser" in Syrien ist Fehlinformation

Und schließlich fehlte dem Deconflicting-Mechanismus zur Vermeidung ungewollter Angriffe gegen Zivilisten die Beteiligung Syriens selbst. Nebensja bemängelte:

Es ist auch schwer zu verstehen, warum die syrische Regierung nicht unmittelbar an dem Mechanismus beteiligt war. Die russischen Vertreter in Damaskus, Genf und New York werden keine Listen von Deconflicting-Objekten mehr akzeptieren. Wir schlagen vor, dass das OCHA von nun an die Frage der Konfliktgegenstände mit der syrischen Regierung löst.

Humanitäre Heuchelei Marke Manhattan

Die Reaktion der USA darauf spricht Bände. Vor allem, wenn man sie in den Kontext der US-Außenpolitik gegenüber Syrien und der genauen Argumentation Russlands setzt.

Die US-Sondergesandte bei der UN zu humanitären Fragen in Syrien Kelly Craft brachte pathoserfüllte Vorwürfe gegen diesen Schritt Russlands an. Bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrates am Montag sagte sie:

Beunruhigend ist, dass Russland, wie wir verstehen, seine Deconflicting-Vereinbarung mit der UNO beendet hat, was das Leben von Millionen Menschen in Nordwestsyrien gefährdet und die Bereitstellung von UN-Hilfe in diesem Gebiet weiter behindert. Die Entscheidung Russlands ist völlig inakzeptabel und zielt darauf ab, neue Barrieren für die Bereitstellung humanitärer Hilfe zu errichten. Wir sind schockiert, dass Russland einen solch gefährlichen Schritt unternehmen würde.

Ferner reagierte Craft auf zuvor geäußerte Kritik am neuen Caesar-Gesetz, das die von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Syrien um ein weiteres Paket erweitert. Die neuen Sanktionen betreffen weder Nahrung noch Medikamente, hob die Diplomatin hervor.

Eine solche Sichtweise ignoriert allerdings die unmittelbare Auswirkung, die die neuen Sanktionen auf die syrische Wirtschaft zeitigten, noch bevor sie eigentlich in Kraft traten, beobachtet die Journalistin Karin Leukefeld. Der Markt reagierte derart empfindlich, dass die Preise gerade für Lebensmittel und Medikamente unmittelbar anstiegen und es bei der Versorgung mit Medikamenten zu Engpässen kam. Lebensmittelknappheit war in Syrien jedoch schon zuvor spürbar, auch daran sind die USA nicht ganz unschuldig: Durch die andauernde US-Besatzung eines großen Teils der wenigen landwirtschaftlich nutzbaren Gebiete in Syrien fehlen die dort angebauten Lebensmittel.

Das Caesar-Gesetz führt also unmittelbar und unmissverständlich vor, was die Wirtschaftssanktionen, die vom Westen, allen voran von den USA gegen Syrien, aber auch gegen Venezuela oder den Iran verhängt werden, wirklich sind: Wirtschaftlicher Terror gegen die Bevölkerung.

In Anbetracht dieser Tatsachen findet sich für die vorgeblich humanitär motivierte, in Wahrheit aber künstliche Aufregung der diplomatischen US-Vertreter eine weitere Bezeichnung: Krokodilstränen.

Mehr zum Thema - Wie Sanktionen aus Brüssel und Washington den Syrern die Zukunft stehlen

 

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.