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Goldgrube Gesundheitssektor – Ärzte fordern mehr Transparenz und Verhinderung von Oligopolen

Immer mehr Private-Equity-Fonds halten Einzug in deutsche Medizin und Pflege. Ärzte und Politiker fordern mehr Transparenz. Am Mittwoch befasste sich der Gesundheitsausschuss mit Fragen um den wachsenden Einfluss kommerzieller Interessen im Gesundheitsbereich.
Goldgrube Gesundheitssektor – Ärzte fordern mehr Transparenz und Verhinderung von OligopolenQuelle: www.globallookpress.com © Henning Kaiser/ dpa / Global Look Press

Kann gute gesundheitliche Versorgung nach kommerziellen Gesichtspunkten ausgerichtet sein, oder liegt darin ein Widerspruch, sodass der Gesetzgeber gefragt ist? Inwieweit sollten kapitalgetriebene Fremdinvestoren, also Kapitalgesellschaften wie Private-Equity-Fonds, deren Vorgehen sich per definitionem nicht am gesellschaftlichen Wohl, sondern an Profitmaximierung orientieren muss, den Gesundheitssektor mitgestalten dürfen?

Immer mehr Kliniken, medizinische Versorgungszentren (MVZ), aber auch Pflegeheime, ambulante Pflegedienste und Reha-Einrichtungen in Deutschland werden von Kapitalgesellschaften übernommen. Insbesondere vor dem Hintergrund anhaltend niedriger Zinsen auf den Finanzmärkten sind diese Bereiche für Investoren von zunehmendem Interesse. Auch Private-Equity-Gesellschaften oder Fonds (PEG) investieren mehr und mehr in den deutschen Gesundheitssektor. Ihr Geschäftsmodell ist es, Unternehmensanteile aus allen Branchen, in denen Gewinn zu holen ist, außerhalb von regulierten Kapitalmärkten für einen begrenzten Zeitraum zu erwerben (Buy-outs) und dann wieder zu veräußern, um so Rendite zu erwirtschaften.

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Bereits mehr als 50 solcher investierenden PEG sind im hiesigen Gesundheitssektor sehr aktiv. Sie stammen bisher vor allem aus dem europäischen Ausland sowie den USA. Angesiedelt sind diese Fonds zum großen Teil in Finanzzentren, die geringe Steuersätze und Transparenzvorschriften bieten (Offshore), sodass Gewinne schwer nachvollziehbar sind. Allein im Jahr 2017 investierten internationale Beteiligungsfirmen in Europa nach jüngsten Untersuchungen fast elf Milliarden Euro in die Gesundheitswirtschaft.

Dass der hiesige Gesundheitssektor für Finanzinvestoren zur wichtigsten Zielbranche geworden ist, geht aus einer Studie des Instituts Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen, Bocholt, Recklinghausen hervor. Als aussichtsreiche Goldgrube stellte das europäische Gesundheitswesen unter anderem die Wirtschaftsberater von McKinsey & Company im Juni 2017 vor und schrieb von einer "goldenen Gelegenheit".

Gewinnorientierung in einem Bereich mit existenzieller Verantwortung für die Bürger

Kritiker sehen in dieser Tendenz die Gefahr, dass sich die Versorgungsqualität verschlechtert, Ärzte nicht mehr unabhängig über Behandlungen entscheiden und möglicherweise die Versorgungssicherheit nachlässt. Ärzteverbände und Gesundheitsexperten sehen seit Längerem Diskussions- und Handlungsbedarf, in dieser Zeit der akuten Pandemiegefahr könnte die Frage kaum aktueller sein. Am Mittwoch war dies Thema einer Anhörung im Gesundheitsausschuss.

Die Linksfraktion spricht sich für mehr Transparenz aus, damit dadurch die Eigentumsstrukturen von MVZ sowie ihre Renditen einsehbar werden. Diese werden zunehmend durch internationale Kapitalgesellschaften mit vorsätzlich undurchsichtig verschachtelten und teils in Steueroasen angesiedelten Inhaberstrukturen geleitet. Die AfD-Fraktion brachte einen Vorschlag ein, wonach Steuermittel für die Gründung von mehr MVZ im ländlichen Raum zur Verfügung zu stellen wären.

Den Antrag "Kapitalinteressen in der Gesundheitsversorgung offenlegen" der Fraktion Die Linke kommentierte der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Achim Kessler:

Die ambulante Versorgung darf keine Sekunde länger dem Geschäftsinteresse von gewinnorientierten Private-Equity-Heuschrecken überlassen werden. Der wachsende Einfluss von Private-Equity-Gesellschaften und ihre Ausrichtung auf Gewinnmaximierung stehen im Widerspruch zu einem demokratischen, solidarisch finanzierten Gesundheitssystem.

Mitbegründer der ARTEMIS-Kliniken-Gruppe, der MVZ und Ärztlicher Direktor, Dr. Kaweh Schayan-Araghi, hält dem entgegen. Als einer der geladenen Sachverständigen sagte er vor dem Ausschuss, es gebe keine objektiven Erkenntnisse oder Studien, die eine schlechtere Versorgungsqualität oder unzuverlässige Geschäftsführung von MVZ-Ketten belegen würden.

Mit diesem Antrag unterstellt die Bundestagsfraktion Die Linke pauschal rund 20.000 angestellten Ärzten und Vertragsärzten in MVZ eine schlechtere medizinische Versorgung ihrer Patienten. Sie würden im Vergleich zu selbstständigen niedergelassenen Ärzten eine qualitativ geringere Arbeit erbringen. Über 150.000 Ärzte sind in Kliniken angestellt, die zum Teil von börsennotierten Konzernen finanziert werden. Gehen die Antragsteller davon aus, dass auch sie schlechtere Medizin anbieten?

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Franz Knieps, Vorstand des BKK (Betriebskrankenkassen) Dachverbandes, wollte ebenfalls keine Unterscheidung nach Träger gelten lassen, da es keine Belege dafür gebe, dass Kapitalinvestoren lediglich an schnellem Gewinn orientiert seien.

Auch er betonte den Trend, dass institutionelle Anleger, insbesondere sogenannte Private‐Equity-Fonds, MVZ als rentable Anlageprojekte entdeckt haben. Dies gelte es zu beobachten, vor allem wenn das ärztliche Handeln dadurch beeinflusst oder ein Unternehmen marktbeherrschend werde.

Dass es keinerlei Belege für kurzfristig angelegtes Kapital gebe, das auf schnellere Rendite ausgerichtet ist, bezeichnet der auf Gesundheitsthemen spezialisierte Redakteur Norbert Wallet in einem Beitrag für die Techniker Kasse als "naiv".

Natürlich gibt es diese Hinweise. Die Schnelligkeit, mit der die Fonds sich in Zeiten niedriger Kapitalrenditen auf den Gesundheitsmarkt fixieren, ist doch der stärkste Hinweis. Das Geld war vorher in anderen Bereichen angelegt, die nun weniger interessant erscheinen. Privatinvestoren entdecken die Gesundheitsbranche nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern aus Geschäftsinteresse.

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Der Einzelsachverständige Eckhard Nagel, Mediziner und Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth, hält es zunächst für legitim, wenn "Wirtschaftsunternehmen die ihnen inhärente Zielsetzung der Realisierung von Profiten umsetzen wollen".

Dies gilt formal auch für das Gesundheitswesen. Problematisch ist dabei, dass Gewinnorientierung dann auf einen Bereich trifft, der existenzielle Verantwortung für Bürgerinnen und Bürger trägt. Gesundheit ist wie Frieden und Freiheit ein konditionales Gut. Ein volkswirtschaftliches Marktversagen hat existenzielle Folgen, die mit einem verminderten Schutz von Leib und Leben einhergehen könnten.

Der Experte formuliert es sehr vorsichtig, aber eindeutig: Es gebe "starke Hinweise aus dem Abrechnungsverhalten, die sehr nahelegen, dass ökonomische Interessen die medizinische Ratio, das heißt die auf die Bedarfe individueller Patientinnen und Patienten sowie auf die Versorgung der Gesellschaft fokussierende Haltung, tatsächlich verdrängen können".

Auch Ärzteverbände warnen vor dem Einfluss renditeorientierter Investoren auf die medizinische Versorgung. So fordern die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) den Gesetzgeber auf, rein wirtschaftlich motivierte Investitionen zu begrenzen. Demnach gerieten Ärzte in schwer lösbare Zielkonflikte, wenn kapitalgetriebene Fremdinvestoren ihnen wirtschaftliche Handlungsvorgaben machten.

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung verwies zudem darauf, dass MVZ-Ketten, hinter denen Private-Equity-Gesellschaften stünden, keinerlei Beitrag zur Versorgung in einkommensschwachen oder dünner besiedelten Gebieten leisteten, da sie sich in Ballungszentren ansiedelten. Damit befasste sich auch der Antrag der AfD, demnach kommunale MVZ die medizinische Versorgung auf dem Land sicherstellen sollen und der Bund dies finanziell fördern solle. Allerdings merkten mehrere Experten an, dass den Kommunen die dazu notwendige Expertise fehle und beispielsweise bei Zahnärzten nicht die Unterversorgung das Problem sei. Mit der Gründung von MVZ werde das Recht der Patienten auf freie Arztwahl gefährdet, warnte Dr. Wolfgang Eßer, der Vorsitzende des Vorstandes der KZBV.

Fusionieren und auf Rendite trimmen

Die Bundesärztekammer fordert ebenfalls mehr Transparenz, aber auch eine Einschränkung bei der Gründung von MVZ. Sie will damit unter anderem den Einfluss von Großinvestoren, die weder Bezug zum Gesundheitssektor noch zur Region haben, im Zaum halten und "oligopolistische Strukturen" – also Marktmacht durch wenige Anbieter – vermeiden. Auch dürfe die Versorgung nicht zu einseitig auf lukrative Leistung beschränkt werden, so die Kammer.

Denn Finanzinvestoren, wie beispielsweise der in Deutschland aktive Waterland Private Equity, beschreiben selbst, dass ihr Ziel die Umsetzung einer Wachstums- und Konsolidierungsstrategie ist. Mithilfe einer aktiven und zielgerichteten sogenannten "Buy-and-build"-Strategie würden außerdem weitere Zukäufe in das Plattform-Unternehmen integriert, "um den Investment-Cluster zu vergrößern und die Marktposition zu stärken".

Damit ist die Fusionierung vorprogrammiert, was wiederum dem ursprünglich beworbenen Ziel des Wettbewerbs durch Privatisierung entgegensteht. Abgesehen von dem Druck der Renditeorientierung, der auf den Ärzten lastet, gibt es Investoren, die gleichzeitig Anteile an Pharma- und Medizinausrüstungsherstellern halten.

Deutschland ist deshalb für internationale Investoren attraktiv, weil bisher andere finanzkräftige Marktteilnehmer nicht allzu mächtig sind. Das erhöhe die Wahrscheinlichkeit, eine angestrebte Übernahme realisieren zu können, schreibt der auf den Gesundheitssektor spezialisierte Journalist Rainer Bobsin.

Nach Ansicht von Dr. Wolfgang Eßer, dem Vorsitzenden des Vorstandes der KZBV, ist es entscheidend für die Sicherstellung einer auch künftig flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung, "den Bestrebungen von Private-Equity-Gesellschaften und versorgungsfremden Investoren jetzt konsequent entgegenzutreten, die darauf abzielten, den zahnärztlichen Versorgungsmarkt als Renditeobjekt zu erschließen und weiter zu kommerzialisieren".

Anderenfalls wären die Auswirkungen auf die freiberufliche zahnärztliche Berufsausübung und auf die patientenwohlorientierte Versorgung in Deutschland massiv in Frage gestellt. Zugleich droht das Gesundheitssystem seine austarierte soziale Grundstruktur zugunsten einer von Kapitalinteressen getriebenen Renditeorientierung zu verlieren.

Der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel, kritisierte bereits im Jahr 2018 den negativen Einfluss von Investoren im Gesundheitssektor:

Die Grundpfeiler unserer freien Berufsausübung sind Weisungsunabhängigkeit, ethische Verpflichtung und Gemeinwohlauftrag. Das sind für diese Investoren Fremdwörter – was für sie zählt, ist die Gewinnmaximierung und die höchstmögliche Verzinsung des Kapitals. Davor müssen unsere Patienten geschützt werden. 

Aktuell warnt die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) erneut vor den negativen Folgen einer zunehmenden "Vergewerblichung des Gesundheitswesens" in Deutschland. Insbesondere für rein zahnärztliche medizinische Versorgungszentren, die unter der Kontrolle von Fremdinvestoren aus dem In- und Ausland (sogenannten Investoren-MVZ oder i-MVZ) stehen, müsse die Politik deutlich mehr Transparenz schaffen.

Fusionierung im Gesundheitssektor 

Soeben hat sich die Klinikkette Asklepios die Mehrheit am Rivalen Rhön-Klinikum gesichert. Am Freitag hatte Asklepios erklärt, das Rhön-Klinikum übernehmen zu wollen.

Mit dem Deal würden sich zwei führende Klinik-Konzerne in Deutschland hinter Platzhirsch Fresenius Helios zusammenschließen. Rhön behandelte vergangenes Jahr mehr als 860.000 Patienten. Asklepios versorgte 2018 rund 2,3 Millionen Kranke. Während Asklepios in 160 Gesundheitseinrichtungen in Deutschland vertreten ist, betreibt Rhön Krankenhäuser in Bayern, Thüringen, Brandenburg und Hessen.

Die Übernahme, die im zweiten Quartal abgeschlossen sein soll, würde auch das lange Tauziehen um Rhön beenden. Schon 2012 wollte Rhön-Klinikum-Gründer Eugen Münch mit Fresenius Helios fusionieren. Daraufhin stiegen Asklepios und der Medizintechnik-Hersteller B. Braun bei Rhön ein, sodass der Deal damals nicht zustande kam.

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