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"Hat es immer schon gegeben" – Von der Leyen rechtfertigt Berateraffäre im Verteidigungsministerium

Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen rechtfertigte im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre den fragwürdigen Einsatz teurer Berater: "Wir brauchten Hilfe von außen." Insgesamt zeigte sich von der Leyen als Opfer äußerer Umstände.  
"Hat es immer schon gegeben" – Von der Leyen rechtfertigt Berateraffäre im VerteidigungsministeriumQuelle: Reuters © HANNIBAL HANSCHKE

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen weilte am Donnerstag in Berlin statt in Brüssel. Mit ihrer Vernehmung im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre im Verteidigungsministerium sollte nach rund einem Jahr die Zeugenbefragung einen Höhepunkt erreicht haben und abgeschlossen werden.

Schließlich stellt die ehemalige Chefin des bundesdeutschen Wehrressorts die Schlüsselfigur in der Berateraffäre dar. Die Ex-Verteidigungsministerin räumte zwar ein, dass Fehler bei der Auftragsvergabe an externe Berater geschehen seien, vor allem aber verteidigte sie die Beschäftigung externer Berater in ihrem Ressort.

Während ihrer Amtszeit als Verteidigungsministerin nahm die Berateraffäre derartige Auswüchse an, dass ein dreistelliger Millionenbetrag öffentlicher Gelder ausgegeben und Aufträge juristisch unsauber an teils fragwürdige Berater vergeben wurden – während die Bundeswehr aus allen Löchern pfiff. Im Jahr 2018 hatte der Bundesrechnungshof in einem Bericht die Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit des Beratereinsatzes im Ministerium stark angezweifelt. In den Jahren 2015 bis 2018 wurden Verträge im Umfang von bis zu 200 Millionen Euro nicht ordnungsgemäß an externe Dienstleister vergeben.

Nachdem die zweite Schlüsselfigur, Katrin Suder, die ohne jegliche Politikerfahrung auf Einladung von der Leyens aus dem Hause McKinsey auf den Posten der Staatssekretärin ins Verteidigungsministerium wechselte, die Aussage verweigerte, setzten FDP, Linke und Grüne den Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss ein.

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Wie dieser am Donnerstag von seiner Hauptzeugin erfuhr "sind Vergabeverstöße eingetreten". Die Ex-Verteidigungsministerin betonte aber weiterhin:

Unterstützungs- und Beratungsleistungen hat es immer schon im Verteidigungsministerium gegeben.

Auch künftig seien diese nötig. Von Verantwortlichkeit war hingegen nicht die Rede. Die Frage "Sehen Sie Fehler bei sich?" beantwortete von der Leyen nicht wirklich. Stattdessen verwies sie auf ihre "Betroffenheit", als sie von den Vorwürfen erfahren haben will, und auf die ergriffenen Gegenmaßnahmen. Ihrer damals zuständigen Staatssekretärin Suder stellt sie eine Art Blankoscheck aus: Diese habe ihre Aufgaben "mit Bravour und Brillianz erledigt".

Beigetragen zu dem Schlamassel haben offenbar vielmehr die äußeren Umstände, mit denen die CDU-Politikerin als frisch gebackene Verteidigungsministerin nach nur wenigen Monaten konfrontiert war. Von der Leyen verwies auf das Jahr 2014, in dem viel geschehen sei, was auch die Aufrüstungs- und Militarisierungsbefürworter der NATO gerne als Rechtfertigung hernehmen.

Die Ex-Ministerin listete die "Annexion der Krim durch Russland" und den Krieg in der Ostukraine auf, dazu das Aufkommen des IS im Irak und in Syrien sowie den Bundeswehreinsatz am Hindukusch, die wachsende Terrorgefahr in Europa mit schweren Anschlägen in Paris und Brüssel. Auch die Migration nach Europa und die Ebola-Krise auf dem afrikanischen Kontinent listete sie in die Reihe unterschiedlicher Herausforderungen, angesichts derer eine analoge Truppe nach einem Schrumpfkurs der ruhigen Jahre umgehend auf Zack gebracht werden musste. Denn die Digitalisierung sei damals noch "sehr gering ausgeprägt" gewesen, schilderte von der Leyen. Das Zählen von Waffensystemen und Feststellen ihrer Einsatzbereitschaft ebenso wie das Führen sämtlicher Krankenakten "ging alles händisch". Somit sei die Bundeswehr ihren neuen Aufgaben nicht gewachsen gewesen:

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Ohne Hilfe von außen war die Digitalisierung der Bundeswehr und des Ministeriums nicht zu stemmen.

Bei der Neuausrichtung habe die Bundeswehr "viel Gutes geleistet", lobte die Ex-Ministerin, zeigte sich jedoch auch kritisch:

Aber in der beachtlichen Aufbauleistung sind auch Fehler passiert.

Und viele dieser unzähligen Fehler lassen sich nicht mit der von der Ex-Ministerin gezeichneten Logik erklären, wonach die Digitalisierung der Bundeswehr "ohne Hilfe von außen nicht zu schaffen" war. Dass beispielsweise ein Berater Tagessätze in Höhe von beinahe 2.000 Euro für Aufgaben als Senior-IT-Spezialist erhielt, der außer einer Freundschaft zu Staatssekretärin Katrin Suder und einer Vergangenheit bei McKinsey keinerlei für die Digitalisierung der Bundeswehr relevanten Kenntnisse mitbrachte, ist nur eines von zahlreichen Beispielen, die der Öffentlichkeit zumindest in Teilen ebenso bekannt sind wie dem Untersuchungsausschuss selbst.

Doch beinahe ebenso fehlerbehaftet wie der Beratereinsatz im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) scheint nicht erst nach der Anhörung von der Leyens der eingesetzte Untersuchungsausschuss.

Die Vorgänge sollen unter vertraglichen, rechtlichen, haushälterischen, geheimschutzrelevanten, militärischen, technologischen und politischen Gesichtspunkten geprüft werden. Ferner sollen die persönlichen und politischen Verantwortlichkeiten der Leitungsebene sowie die Aufklärungs- und Informationspraxis des Bundesministeriums der Verteidigung untersucht werden," heißt es zu dessen Ziel im Bundestag.

Fast 40 Zeugen wurden bereits befragt. Vor zwei Wochen war es Katrin Suder, deren Erinnerungsvermögen sich während der Befragung allerdings als bemerkenswert schwach, wenn nicht gar selektiv erwies. Ihr Gebaren im Ausschuss glich eher dem einer Unberührbaren als einer Figur, die sich der Vergabe von öffentlichen Millionenaufträgen ohne Wirtschaftlichkeitsprüfung oder Ausschreibung an Duzfreunde verantwortlich zeichnet. Immerhin ist Suder Vorsitzende des Digitalrats der Bundesregierung und als solche entschied sie, dass auch das Gremium besser ohne Transparenz auskomme:

Wir agieren nicht über und in der Öffentlichkeit.

Die Erinnerungslücken auch anderer Zeugen hätten durch einige der über 4.000 Akten, die im Rahmen der aufwendigen parlamentarischen Aufklärung hinzugezogen wurden, vielleicht geschlossen werden können, wären nicht wesentliche Passagen geschwärzt worden. Und bei diesem Verschleierungsversuch blieb es nicht. Auch ein Kernbeweisstück zur Klärung der politischen Verantwortung, das Diensthandy der Verteidigungsministerin, wurde unbrauchbar, weil die Daten darauf zum Ende der Amtszeit von der Leyens einfach "platt gemacht" worden waren. Mehrere Abgeordnete unterschiedlicher Parteien haben dem Bundesverteidigungsministerium mittlerweile vorgeworfen, die Aufklärungsarbeit des Ausschusses vorsätzlich zu torpedieren. 

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Noch am Mittwoch gestand der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Hellmich (SPD) gegenüber dem Handelsblatt ein, dass der Untersuchungsausschuss bezüglich der ursprünglichen Frage nach den Verantwortlichen "weiter im Nebel stochert." Nach knapp fünf Stunden Vernehmung der Ex-Ministerin von der Leyen dürfte der Nebel kaum verzogen sein.

Die Vorwürfe der Vetternwirtschaft sieht die Opposition dennoch als erwiesen an. Deren Bilanz ist ernüchternd. Die Antworten seien "sehr weich", formuliert es Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP diplomatisch. Matthias Höhn von der Linken sagte, es fehle "jegliches Problembewusstsein". Die Schuld hätten immer nur die nachgeordneten Bereiche, monierte Rüdiger Lucassen von der AfD. Er attestiert von der Leyen eine "totale Verantwortungsverweigerung". Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag spricht von "Führungsversagen".

Unter externen Beobachtern des Untersuchungsausschusses, der Ergebnisse vor der parlamentarischen Sommerpause 2020 präsentieren will, häufen sich nach der Vernehmung von der Leyens Spott und zynische Kommentare:

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