Deutschland

Hartz-IV-Sanktionen: Zigtausende Kinder von Kürzungen der Existenzsicherung betroffen

Hartz-IV Strafmaßnahmen wurden kürzlich als teilweise verfassungswidrig eingestuft. Ende vergangenen Jahres waren rund 80.000 Kinder und Jugendliche davon betroffen. Wohlfahrtsverbände sehen gar im Regelsatz einen Konflikt mit dem Grundgesetz.
Hartz-IV-Sanktionen: Zigtausende Kinder von Kürzungen der Existenzsicherung betroffenQuelle: Reuters

Im Dezember 2018 lebten 79.899 Minderjährige in Haushalten, in denen mindestens ein Erwachsener sanktioniert worden war, also aufgrund von Strafmaßnahmen mit weniger als dem Hartz-IV-Regelsatz auskommen musste. Gleichzeitig lebten 5.261 Minderjährige in Familien, in denen ein Erwachsener gar keine Grundsicherung erhielt, nachdem er vollsanktioniert wurde. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Dieser zufolge gab es Ende 2018 rund 123.600 Haushalte, in denen mindestens ein Hartz-IV-Bezieher mit mindestens einer Sanktion belegt war.

Sogenannte Leistungskürzungen können Hartz-IV-Bezieher treffen, die sich beispielsweise nicht in für sie unpassende Jobs und Maßnahmen drängen lassen. Auch wer länger als die gestatteten 21 Tage im Jahr ortsabwesend ist und dazu keine bürokratische Erlaubnis abholt beziehungsweise rechtzeitig persönlich antritt, um sich zurückzumelden, riskiert Sanktionen – unabhängig von der Ursache: Auch beispielsweise die Pflege schwer kranker Angehöriger gilt nicht als Begründung. Auch aus falsch verstandenem Bürokratendeutsch oder übersehenem Kleingedrucktem können Sanktionen resultieren – dafür sorgen mitunter teure Anwälte, die der Apparat sich leistet.

Menschenwürdiges Existenzminimum

Doch was nach dem harmlos klingenden Prinzip "Fördern und Fordern" benannt wurde, bedeutet effektiv die Beschneidung der Existenzsicherung und wurde daher vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft – allerdings nur in Teilen. Um bis zu 30 Prozent dürfen die Leistungen weiter gekürzt werden. Sogenannte Meldeverstöße beispielsweise könne auch weiterhin mit Abzug von zehn Prozent der Sozialleistung bestraft werden, auch die besonders scharfen Sanktionen für junge Hartz-IV-Empfänger unter 25 Jahren wurden von dem Urteil nicht angetastet. Wohl aber müssen dem Urteil zufolge Jobcenter die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen in jedem Einzelfall prüfen und können entsprechend auf Sanktionen verzichten oder die Dauer verringern.

Das Urteil geht auf eine Vorlage des Sozialgerichts im thüringischen Gotha zurück.Geklagt hatte ein Mann, dessen "Leistungen" durch das Jobcenterum234,60 Euro im Monat gekürzt wurden, weil er beim Jobcenter Erfurt ein Stellenangebot abgelehnt und Probearbeit verweigert hatte.

Sozialverbände weisen immer wieder darauf hin, dass der Regelsatz der Grundsicherung, also der nicht durch Sanktionen eingeschränkte Hartz-IV-Satz von derzeit 424 Euro, zu gering ist, um das Existenzminimum zu sichern und die Lebenshaltungskosten zu bestreiten, gerade angesichts hierzulande gestiegener und steigender Nebenkosten und Mietpreise. Ganz zu schweigen von der Würde der Menschen in einem reichen Land.

Gewerkschaften, Sozialverbände und Wissenschaft setzen sich seit Langem für ein menschenwürdiges Existenzminimum ein und verweisen darauf, dass beispielsweise die härteren Sanktionsregeln für Menschen unter 25 Jahren die Gefahr bergen, dass sie in Obdachlosigkeit geraten und ihren Krankenversicherungsschutz verlieren.

Insbesondere für Kinder kann dies schwerwiegende langfristige Folgen haben, betonte Linken-Chefin Katja Kipping vor dem Hintergrund der aktuell veröffentlichten Zahlen. Die Linke fordert, alle Sanktionen abzuschaffen.

Das Deutsche Kinderhilfswerk und die Bundesagentur für Arbeit fordern, Kinder aus Hartz-IV-Familien stärker zu unterstützen. Holger Hofmann, Geschäftsführer des Kinderhilfswerks, sagte, die Hartz-IV-Sanktionen für Familien mit Kindern müssten ganz abgeschafft werden. "Kinder leiden unter jeder Kürzung der Hartz-IV-Leistungen, denn schon der normale Hartz-IV-Regelsatz von Kindern entspricht nicht dem notwendigen soziokulturellen Existenzminimum."

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