Joshua Wong in Berlin: Deutschlands Flirt mit Radikalen
Das Medieninteresse beim Besuch von Joshua Wong im Haus der Bundespressekonferenz (BPK) war riesig. Immerhin wird er von einigen Pressevertretern bereits als "Freiheitskämpfer", als "Hongkonger Freiheitsheld" gefeiert. Er ist das wohl bekannteste Gesicht der seit 14 Wochen andauernden Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone und wirkt mit seinem jugendhaften Erscheinungsbild völlig unschuldig. Zusammen mit seinen zwei weiteren Mitstreitern, die sich im Blitzlichtgewitter der Kameras den Fragen der versammelten Journalisten stellten, entsprach das perfekt dem gewünschten Bild, das übermittelt werden soll: hier die jungen, unschuldigen Studenten, die für Freiheit und Demokratie kämpfen, dort die alte Nomenklatura im fernen Peking, die kaltblütig auf die Studenten einprügelt und alles unterdrücken will.
Dieses Narrativ vom manichäischen Kampf zwischen Gut und Böse ist nicht neu. Es wird immer wieder verwendet, lediglich die Bilder und Namen werden ausgetauscht und je nach Bedarf angepasst.
In Berlin wurde dem vermeintlichen Freiheitskämpfer der rote Teppich ausgerollt, mit medienwirksamem Aufeinandertreffen mit Außenminister Heiko Maas und Auftritt in der BPK. Bei der Ansprache wirkte Wong resolut, was als Herausforderer eines der mächtigsten Länder der Welt wohl auch unabdingbar ist. Den chinesischen Präsidenten Xi Jinping nannte er einen "Kaiser", was die Verachtung für das chinesische "Regime" zum Ausdruck bringen soll. Die Schuldfrage an der Gewalt war ebenfalls schnell geklärt: Polizeibrutalität und Unnachgiebigkeit der Regierung der Sonderverwaltungszone Hongkong hätten dazu geführt, dass sich auch Teile der Protestler radikalisiert haben und deshalb zu Gewalt greifen.
Das deckt sich aber nicht mit Aussagen von Protestlern, die zugegeben haben, dass sie von Anfang an auf Gewalt gesetzt und sich auf diese Auseinandersetzung lange vorbereitet haben. Wong fordert deshalb eine unabhängige Untersuchung zur Polizeigewalt, ein Punkt, dem auch die Regierung vergangene Woche zugestimmt hatte.
Zudem forderte er von Deutschland, keine weitere Polizeiausrüstung mehr zu liefern und auch die Wirtschaftsverhandlungen mit China auszusetzen, solange die Proteste liefen. Überhaupt zeigte er sich während der Pressekonferenz und bei späteren Interviews kampfbereit, bis China die Forderungen der Protestler erfüllt habe. Genau das ist aber das Problem, weil es unterschiedliche Forderungen und keine zentrale Führung der Bewegung gibt.
Joshua Wong fordert jetzt beispielsweise die Reformierung des Wahlprozesses, Agnes Chow hingegen, eine weitere junge "Anführerin", kämpft für die Unabhängigkeit Hongkongs. Eine Separatistin also, um bei der Terminologie deutscher Medien bezüglich anderer Unabhängigkeitskämpfer zu bleiben. Nachdem anfänglich die Rücknahme des umstrittenen Auslieferungsgesetzes gefordert und dieses aufgrund des Drucks der Straße auch tatsächlich vom Tisch genommen wurde, ist es angesichts der verschiedenen Protestströmungen fraglich, ob die gewalttätigen Proteste auch nach der Erfüllung dieser Forderung aufhören würden.
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Schließlich ist es Wong selbst, der Zweifel an einer echten Dialogbereitschaft mit der Hongkonger Regierung sät. Er sprach in Berlin auch von "Frontlinien" und insinuierte damit, dass Krieg herrscht. Das ist zumindest die Auffassung der "Freiheitskämpfer" auf den Straßen, wie die Washington Post unter anderem berichtete. RT fragte ihn bei der Pressekonferenz, ob er angesichts der Wortwahl sagen würde, dass er sich in einem Krieg mit China befindet. Die Antwort fiel gut einstudiert und ausweichend aus, wie auch bei anderen kritischen Fragen:
Wir erleben sehr stark, dass Hongkong die Frontlinie eines Schlachtfeldes für die Konfrontation gegen autoritäre Unterdrückung ist.
Damit bestätigte er aber dennoch die Auffassung, dass er und die radikale Fraktion der Protestler, die er vertritt, es tatsächlich als eine Art Krieg gegen China auffassen. Hongkong sei der erste Schritt zur Befreiung Chinas, meinte er nicht nur einmal während seines Aufenthaltes in Berlin. Und genau deswegen betrachtet es Peking mit größtem Argwohn, wenn sich Regierungsvertreter wie Maas mit ihm treffen.
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