"Beispielloser Eingriff in die Marktwirtschaft": Scharfe Kritik an Berlins geplanten Mietobergrenzen
Wohnungen in Berlin sollen in den kommenden Jahren nicht mehr als knapp acht Euro pro Quadratmeter kosten dürfen. Das sehen Eckpunkte eines Planungskonzeptes des Senats vor, über das am Wochenende erstmals der Tagesspiegel und die Morgenpost berichtet hatten. Der von SPD, Linke und Grünen geführte Berliner Senat will demnach die Mieten vom Jahr 2020 an für fünf Jahre einfrieren, um die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt zu beruhigen. Berlin wäre das erste Bundesland mit einer solchen Regelung.
Zudem soll nach den Vorschlägen aus dem Haus von der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher (Die Linke) auch eine Obergrenze für Mieten eingeführt werden. Demnach sind – je nach Jahr des Erstbezugs und Ausstattung der Wohnung – Kaltmieten von 3,42 bis maximal 7,97 Euro zulässig.
Bestehende Verträge dürften nicht über die am bereits verstrichenen Stichtag (18. Juni 2019) vereinbarte Miete hinausgehen. Diese Grenze gelte auch für Neuvermietungen solcher Wohnungen. Mieten jenseits der Obergrenzen sollten auf Antrag durch das Bezirksamt abgesenkt werden können. Kündigungen wegen Eigenbedarfs müssten vom Bezirksamt genehmigt werden. Bei Modernisierungen wären verschiedene Zuschläge auf die jeweilige Obergrenze möglich, dürften aber zusammen nicht mehr als 20 Prozent betragen.
Die Regelungen sollen für alle vermieteten Wohnungen gelten, und zwar unabhängig von ihrer Lage. Ausnahmen würden nur gelten für öffentlich geförderten Wohnungsbau, Studenten- und Jugendwohnheime oder Neubauten, die erstmalig frühestens 2014 bezugsfertig wurden. Während zum Beispiel für eine Plattenbauwohnung aus DDR-Zeiten pro Quadratmeter maximal 5,64 Euro veranschlagt werden, sind es für einen vor 1918 errichteten Gründerzeitbau – wie etwa am Ku'damm zu finden – 6,03 Euro. Die Maximalmiete von 7,97 Euro soll in neuerem Wohnungsbestand gelten, der zwischen 1991 und 2013 gebaut wurde.
Wesentlicher Punkt dabei: Mieten, die über diesen Obergrenzen liegen, sollen die Bewohner über Anträge bei den Bezirksämtern absenken lassen und zuviel gezahlte Beträge ab Antragstellung zurückfordern können.
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Vor dem Hintergrund eines immer angespannteren Wohnungsmarktes hatte sich der rot-rot-grüne Berliner Senat schon Mitte Juni grundsätzlich darauf verständigt, die zuletzt vielfach stark gestiegenen Mieten für fünf Jahre auf dem jetzigen Stand einzufrieren. Die Mieter von 1,6 Millionen Wohnungen brauchten eine "Atempause", hieß es zu dem bundesweit einmaligen Vorstoß, der schon seinerzeit heftige Debatten auslöste und zu einem Kursrutsch bei Wohnungskonzernen an der Börse führte.
"Wir werden uns wehren" – Immobilienverbände kündigen Widerstand an
Doch die nun bekannt gewordenen Pläne mit vorgesehen Mietminderungen gehen weit über den ursprünglichen Vorschlag heraus – entsprechend groß ist die Entrüstung aus den Reihen von Vermieterverbänden und der Wirtschaft. So kritisierte Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), ein so ausgeprägter Mietendeckel "würde völlig über das Ziel hinaus schießen und damit vor allem diejenigen treffen, die dauerhaft und verantwortlich in den Wohnungsmarkt investieren".
Die Pläne des Senats seien "in höchstem Maße enttäuschend", erklärte Frank Schrecker, Vorstand der Berolina eG und Sprecher der Berliner Genossenschaften. In ihrer vorliegenden Form wären sie "insbesondere für die sozial orientierten Vermieter Berlins ein Schlag ins Gesicht". Schrecker rechnet mit "gravierenden wirtschaftlichen Schäden" und einem "Vertrauensverlust in den Rechtsstaat".
Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) sprach von einem "beispiellosen Eingriff in die Marktwirtschaft mit unabsehbaren Folgen". Investoren würden sich sofort auf breiter Front zurückziehen.
Die Pläne seien "völlig unverhältnismäßig" und wären für Berlin "wirtschaftlich eine Katastrophe", äußerte sich auch Beatrice Kramm, Präsidentin der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), in einer Mitteilung.
Aus Sicht des Zentralen Immobilien-Ausschusses laufen die Pläne auf ein verfassungswidriges Gesetz hinaus. Am Montag kündigte der Verband an: "Wir werden uns wehren". Dessen Präsident Andreas Mattner erklärte:
Das, was die Senatorin vorgelegt hat, trifft Vermieter und Mieter gleichermaßen. Vermieter werden kaltgestellt und Mietern wird Stück für Stück die Qualität ihrer Wohnungen genommen. Ganz zu schweigen von Maßnahmen im Rahmen des Klimaschutzes, die an den Gebäuden nicht mehr finanzierbar sein werden.
Mattner forderte die Bundestagsfraktionen zu einer Normenkontrollklage auf. "Hier soll Enteignung durch die Hintertür in großem Stil eingeführt werden", kritisierte Mattner. Mit Normenkontrollen können Regierungen und Parlamente prüfen, ob Gesetze verfassungskonform sind.
"Sozialismusfantasien" – Berliner Opposition erwägt rechtliche Schritte
Genau das will die Berliner CDU tun. Deren Landesvorsitzender Kai Wegner hat keine Zweifel, dass das Gesetz als verfassungswidrig erkannt werde. "Dieser Mietendeckel, so wie er offenbar geplant ist, wird nicht vor Gericht standhalten können", sagte er am Montag der Berliner Morgenpost. Er kündigte an, eine Normenkontrollklage einzureichen, sobald das Gesetz vorliegt.
Die Vorschläge aus dem Haus der Stadtentwicklungssenatorin seien "unsozial und unseriös", heißt es aus den Reihen der CDU-Fraktion. Deren Wohnungsexperte Christian Gräff erklärte dazu:
Ohne Zweifel ist dabei, dass ein solches Gesetz mit einem massiven Eingriff in die Vertragsfreiheit verfassungswidrig ist und Hunderttausende von Klagen provoziert.
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FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja sprach von "Sozialismusfantasien des Senats", der Mietendeckel bedeute "nichts anderes als Enteignung". Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, sagte, Mangel lasse sich nicht "mit irgendwelchen Mietendeckeln" verwalten. "Keiner wird mehr bauen, sanieren oder instand halten." Gegen Wohnungsnot und steigende Wohnkosten helfe laut ihm die Ausweisung von neuem Bauland und die Senkung von Bau- und Bürokratiekosten.
"Versagen auf ganzer Linie" – Rücktrittsforderung gegenüber Lompscher aus Reihen der SPD
Und selbst Grüne und SPD als Koalitionspartner der Linken scheinen von dem Konzept der Stadtentwicklungssenatorin Lompscher nicht überzeugt. Grünen-Wohnungsexpertin Katrin Schmidberger betonte, die Verhältnismäßigkeit müsse gewahrt bleiben. Zwischen Eingriffen in Eigentumsrechte, einem rechtssicheren Mietendeckel und dem Ziel, Mieter zu entlasten, sei es ein "schmaler Grat".
Noch deutlicher distanzierte sich die SPD von den Plänen. "Wir brauchen keine Schnellschüsse, sondern einen rechtlich überprüften Gesetzentwurf, der auch vor Gerichten Bestand haben muss", sagt die wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Iris Spranger. "Wir dürfen die Stadt jetzt nicht verrückt machen." Mietern sei nicht mit einer Fülle von Vorschlägen geholfen, die am Ende womöglich keinen Bestand hätten.
Der SPD-Mittelstandsbeauftragte Harald Christ warf Lompscher gar "Versagen auf ganzer Linie" vor.
Sie ist eine Fehlbesetzung, sie schadet dem Wirtschaftsstandort Berlin, sie muss Platz für Kompetenz und Sachverstand machen und zurücktreten", sagte Christ am Montag dem Tagesspiegel.
Lompscher verteidigt Pläne – Aktien von Immobilienkonzernen auf Talfahrt
Die Gescholtene betonte, dass es sich um einen "Vorbereitungstand für einen Referentenentwurf" handele, der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei. Zur Ausgestaltung des Gesetzentwurfes laufe derzeit ein "Arbeitsprozess", in den Experten, Vertreter der Koalition und der Wohnungswirtschaft eingebunden seien. Daher werde sie die bekanntgewordenen Punkte vorerst nicht inhaltlich kommentieren, sagte Lompscher am Montag. Nach dem Dialog mit Interessensverbänden steht am 15. Oktober der Beschluss des Senats an. In Kraft treten soll das Gesetz zum 1. Januar.
Lompscher bekräftigte das Ziel des Senats, den Anstieg der Wohnkosten mittels eines Mietendeckels zu stoppen. "Wir wollen ein Stoppzeichen setzen gegen Spekulationen, für leistbare Mieten und eine soziale Stadt", so die Linke-Politikerin. Ziel sei es, eine sozial gemischte Stadt auch für die Zukunft zu sichern. "Dazu ist es erforderlich, in die Bestandsmieten einzugreifen." Die jüngsten Mieterhöhungen des Konzerns "Deutsche Wohnen" seien ein erneuter Beleg dafür, dass es der Markt allein nicht richten werde, so die Senatorin.
Der Aktienkurs dieses auf Berlin fokussierten Konzerns, für dessen Enteignung eine Volksinitiative wirbt, ist seit Anfang Juni inzwischen um ein Drittel zurückgegangen. Nach Bekanntwerden der Senatspläne ging der Börsenkurs der Deutsche Wohnen am Montag weiter auf Talfahrt. Auch der Aktienkurs des ausschließlich in Berlin tätigen luxemburgischen Konzerns ADO Properties verlor seit Juni rund ein Drittel an Wert.
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(rt deutsch/dpa)
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