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SPD-Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin - aller guten Dinge sind drei?

Die SPD unternimmt am Mittwoch einen dritten Anlauf, um den in Ungnade gefallenen Thilo Sarrazin aus der Partei zu werfen. Die Voraussetzungen haben sich im Vergleich zu den ersten beiden Versuchen nicht geändert. Somit droht die nächste Blamage für die SPD.
SPD-Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin - aller guten Dinge sind drei?Quelle: Reuters

von Timo Kirez

Nun also zum Dritten. Mit aller Macht versuchen die Sozialdemokraten, Thilo Sarrazin aus der Partei zu drängen. Am heutigen Mittwoch tritt eine Schiedskommission zusammen, die darüber entscheiden soll, ob der ehemalige Finanzsenator von Berlin in der Partei bleiben darf. Die Anhörung ist "parteiöffentlich", also lediglich durch Parteimitglieder zu verfolgen. Die Sorge darüber, dass parteiintern "schmutzige Wäsche" in aller Öffentlichkeit gewaschen wird, ist groß. Das Letzte, was die SPD nach dem Abgang von Andrea Nahles gebrauchen kann, sind weitere öffentliche Querelen.

Der heutige dritte Versuch nahm seinen Anfang schon im vergangenen Jahr mit einer Kommission, der – neben anderen – die Ex-Bundesjustiz-Ministerin Herta Däubler-Gmelin sowie die Ex-Bundespräsidentschafts-Kandidatin Gesine Schwan angehörten. Die Kommission nahm sich das neueste Buch von Sarrazin ("Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht") vor und kam zu dem Ergebnis, dass  Sarrazin weiterhin Thesen propagiere, "die mit den Grundsätzen der SPD unvereinbar sind und der Partei schweren Schaden zufügen". Daraufhin erklärte der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: "Unser Ziel ist es, Sarrazin auszuschließen."

Doch das könnte sich auch diesmal wiederum als schwieriger erweisen, als es der Partei lieb ist. Vor anderthalb Monaten wurde bekannt, dass in Berlin die Kreiskommission von Charlottenburg-Wilmersdorf die Begründung der Parteispitze für ein Ausschlussverfahren als zu dünn einschätzte. Der Vorstand soll zwar in der Zwischenzeit nachgelegt haben, aber selbst das garantiert keinen Durchmarsch. Zwar wird es am heutigen Mittwoch wohl noch keinen Schiedsspruch geben, doch ganz gleich, wann das Verdikt kommt, Sarrazin hatte schon im Vorfeld angekündigt, notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof zu gehen, sollte das Verfahren nicht niedergeschlagen werden und der Fall gar vor das Landes- und Bundesschiedsgericht der Sozialdemokraten gehen.

Der erste Versuch, Sarrazin loszuwerden, fand im Jahr 2009 statt, nachdem der SPD-Politiker in einem Beitrag für das Magazin "Lettre International" unter anderem Sätze sagte wie:

"Die Türken erobern Deutschland durch eine höhere Geburtenrate. Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin."

Daraufhin ging unter anderem der Berliner Kreisverband Spandau in die Offensive. Schon damals wurde der Kreisverband vom palästinensisch-stämmigen Raed Saleh geführt, der mittlerweile Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus ist. Doch der Versuch scheiterte. Die Partei müsse "solche provokanten Äußerungen aushalten", entschied die Kommission damals. Der nächste Versuch wurde zwei Jahr später gestartet. Auslöser war diesmal Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab", das ein Bestseller wurde. Seine Thesen verstießen gegen die Grundsätze der Partei, erklärte Andrea Nahles, damals als Generalsekretärin der SPD. Doch Sarrazin zeigte sich – zumindest in Teilen – einsichtig. So kam es zu einer Art "Vergleich", da Sarrazin zusicherte, sich künftig an die Grundsätze der Partei halten zu wollen. Die SPD zog ihren Antrag auf Parteiausschluss im Gegenzug zurück.

Nun also der dritte Anlauf. Auch diesmal wird es schwierig werden, den in Ungnade gefallenen Sarrazin loszuwerden, zumal von beiden Seiten keine größeren Überraschungen zu erwarten sind. Die SPD wird Sarrazin vorwerfen, dass er – kurz gesagt – ein Rassist sei, somit gegen die Werte und Grundsätze der Partei verstoße und sich zudem von der Partei entfremdet habe. Auch der Vorwurf, Sarrazin nutze seine SPD-Mitgliedschaft, um mehr Erfolg mit seinen Büchern zu haben, steht im Raum. Sarrazin wiederum wird auf seine langjährigen Verdienste in der Partei verweisen und sich zum Opfer von Gesinnungsterror erklären, welcher keinerlei abweichende Meinung zulässt. Ebenso wird er – wie er es immer zu tun pflegt – darauf hinweisen, dass er alle seine Schlussfolgerungen und Behauptungen empirisch belegen kann.

Es geht also um ein Problemfeld, das nicht nur der SPD im Augenblick zu schaffen macht: Was ist noch Meinungsäußerung und was ist schon Rassismus? Wenn es der SPD gelingt, plausibel und schlüssig zu begründen, dass die Forderung nach Begrenzung von Migration alleinig gestützt auf das Kriterium "Muslim oder nicht Muslim" diskriminierend ist, dann könnte es diesmal klappen. Doch sicher ist auch das nicht. Zwei Fälle aus der Vergangenheit zeigen, wie hoch die Hürden für einen Parteiausschluss sind. Im Jahr 2014 geriet der damalige sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy wegen Besitzes von Kinderpornografie ins Visier der Staatsanwaltschaft. Die SPD versuchte, ihn aus der Partei zu schmeißen, doch am Ende musste Edathy nur seine Mitgliedsrechte für fünf Jahre ruhen lassen.

Im Jahr 2008 sollte dem früheren Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement in der Partei der Prozess gemacht werden. Clement hatte im Vorfeld der Wahlen 2008 in Hessen vor der "kohlekritischen" SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti gewarnt. Die Jusos drängten auf einen Rauswurf, doch die Schiedskommission sprach ihm "nur" eine Rüge aus. Am Ende ging Clement dann doch noch – aber aus eigenen Stücken.

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