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Durch den Wind - wie Deutschland die Energiewende verspielt

Um die Energiewende zu schaffen, setzt die Bundesregierung auf den massiven Ausbau der Windkraft - und erreicht dadurch das genaue Gegenteil. Berechnungen belegen, dass Solaranlagen das Hundertfache der Energieflussdichte von Windkraftanlagen bringen.
Durch den Wind - wie Deutschland die Energiewende verspieltQuelle: Reuters

von Vlad Georgescu

Der Ührder Berg bei Osterode am Harz ist ein besonderer Ort. Als Teil der europaweit einzigartigen Gipskarstlandschaft zählt er zu Deutschlands Biodiversitäts-Hotspots von nationaler Bedeutung, lediglich dreißig solcher Gebiete säumen die Bundesrepublik. In unmittelbarer Nähe grenzen weitere Flora-Fauna-Habitate (FFH) der EU an, Rotmilan und Fledermaus besiedeln neben vielen anderen endemischen Arten das Areal.

Doch geht es nach Willen der umtriebigen Firma "von Helmolt Consult", sollen hier insgesamt acht rund 240 Meter hohe Windkraftanlagen entstehen. Das geht aus einem Dokument des Bauausschusses der Stadt Osterode hervor, das RT Deutsch vorliegt. Die Giganten würden nicht nur Infraschall produzieren und geschützte Arten schreddern – sie wären auch aus Effizienzgründen ziemlich fehl am Platze.

Tatsächlich symbolisiert der geplante Bau am Ührder Berg die momentane Lage der Republik in Sachen Windenergie, das Prozedere ist fast immer gleich.

Erbaut werden die Anlagen in sogenannten Vorrangsgebieten, die wiederum im Rahmen sogenannter Raumordnungsprogramme der Länder bereits vor Jahren ausgewiesen worden sind. Auf diese Weise, so die damaligen Überlegungen, sollte die Energiewende mit Hilfe der Windkraft zügig vorangetrieben werden.

Weil jeder einzelne Gigant nicht nur 240 Meter in den Himmel ragt, sondern auch rund 7.000 Tonnen an Gewicht mitbringt, ist die Bereitschaft der Landbesitzer – meist Landwirte – Flächen für die Errichtung der Anlagen bereitzustellen, zunächst gering.

Das wissen Consulting-Firmen, die sich um die Übernahme der Flächen und Genehmigungen kümmern, um sie danach als Gesamtpaket an Investoren weiterzuverkaufen – und setzen daher auf üppige Entschädigungen für die Landbesitzer, Landkreise und Gemeinden. Rund 40.000 Euro sollen Landwirte am Ührder Berg an Pacht erhalten – pro Jahr, bei einer möglichen Laufzeit der Anlagen von bis zu 20 Jahren. 

Der Stadt versprach "von Helmolt Consult" Gewerbeeinnahmen, der Landkreis wurde mit einer Entschädigung in Höhe von 1,5 Millionen Euro geködert – viel Geld im Vorfeld der anstehenden Genehmigung, die nach Informationen der Lokalpresse bereits im Sommer diesen Jahres durch den Landkreis Göttingen erfolgen soll.

Wer indes Bedenken am Bau solcher Projekte erhebt und die Vorhaben gefährdet, erhält Anwaltspost. So mussten nebst Bürgermeister Klaus Becker auch die Ratsherren der Stadt Osterode – zuständig für den Ührder Berg - nach einer Sitzung des Bauausschusses lesen, dass der Investor "von Helmolt Consult" bereits 2,5 Millionen Euro an Planungskosten und Flächenakquise aufgebracht habe, im Falle einer Ablehnung seitens der Stadt jedoch juristische Möglichkeiten ausschöpfen würde. Das geht aus Schreiben der von "von Helmolt Consult" beauftragten Anwaltskanzlei hervor, das RT Deutsch vorliegt. Zuvor hatte der Bauausschuss der Stadt eine sogenannte Veränderungssperre beschlossen.

Die verhindert zwar nicht den Bau – zuständig für die Genehmigung wäre ohnehin der administrativ übergeordnete Landkreis Göttingen, der sich auf Anfrage von RT Deutsch zum Fall gar nicht erst äußerte –, stoppt aber die Errichtung der 240 Meter hohen Windräder, weil die ausgewiesenen Flächenbebauungspläne Maximalhöhen dieses Ausmaßes nicht erlauben.

Die Frage, an wen die 2,5 Millionen Euro flossen, wollte die Kanzlei der Firma auf Anfrage zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten. Erst die lokale Bürgerinitiative weitBlick! brachte die Ratsherren in Osterode dazu, über eine juristische Überprüfung der im Brief der Consultingagentur gemachten Angaben nachzudenken. Denn sollte "von Helmolt Consult" die Summe gar nicht erst aufgebracht haben, hätte die Firma Amtsträger der Stadt womöglich wissentlich getäuscht – um sie unter Druck zu setzen. 

Millionenentschädigungen für Landbesitzer auf der einen Seite, subtile Drohungen an die Adresse der Gemeinden auf der anderen Seite. Und Landkreisbehörden, die Investoren den Eindruck vermitteln, ihnen innerhalb weniger Monate die nötigen Genehmigungen zu verschaffen. Alltag nicht nur im Norden der Republik.

So entstehen Windparks im Odenwald ebenso wie an der Ostsee, und überall sprießen neben den Windkraftanlagen auch Bürgerinitiativen aus dem Boden, weil Menschen neben dem Verlust der Lebensqualität die Beeinträchtigung ihrer Gesundheit befürchten. Naturschützer wiederum sehen in den gigantischen Anlagen eine reale Bedrohung für Vögel, Fledermäuse und Insekten. Naturschutzgebiete sind davon ebenso betroffen wie Biodiversität-Hotspots.

Nur die Bundesregierung scheint diese Fakten zu übersehen. Sie nährt den Hype um die Windenergie und will auf Kosten von Natur und Umwelt sowie unter Ausblendung unliebsamer Tatsachen die Energiewende herbeizaubern. Und Magie wäre dringend nötig. Denn anders als vielfach propagiert, ist Windkraft keinesfalls der erhoffte Heilsbringer unter den regenerativen Energien – im Gegenteil. Windkraft kann die Energiewende in Deutschland kaum vorantreiben.

Warum das so ist, erklärt Hartmut Graßl, einer der weltweit profiliertesten Klimaforscher. Seit Jahren beschreibt Graßl in öffentlich und somit auch der Bundesregierung zugänglichen Präsentationen die Auswirkungen der sogenannten Energieflussdichte auf die erneuerbaren Energien. Vereinfacht ausgedrückt erklärt diese Größe, wieviel Energie man pro Quadratmeter Technologiefläche "ernten" kann.

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Photovoltaik–Solaranlagen bringen es beispielsweise auf 110 Watt pro Quadratmeter Solarfläche. Die einfallende Strahlung liegt bei 165 Watt – das Ergebnis kann sich demnach unter Effizienzgesichtspunkten sehen lassen. Doch Windkraftanlagen schaffen gerade mal 1-3 Watt pro Quadratmeter Rotorfläche, was lediglich einem Hundertstel der Effizienz von PV-Solaranlagen entspricht. Graßl zufolge ließe sich somit gerade in Deutschland die Energiewende nur dann tatsächlich umsetzen, wenn die Menschen zum einen weniger Energie verbrauchten, und diese Wende solar ausfiele. Windkraft, so die vernichtende Logik der Zahlen, ist der falsche Weg.

Dass der Bund, ebenso wie viele Bundesländer im Norden der Republik indes zunehmend auf Windkraft setzen, hat womöglich mit dem Niedergang der deutschen Solarindustrie zu tun. Denn heute bestimmt China das internationale Solargeschäft. Deutschlands Solarindustrie kann da längst nicht mehr mithalten. Seit dem Jahr 2012 befindet sich die Branche in der Krise – und das trotz innovativer Bestleistung: Im Jahr 2018 knackten Fraunhofer Forscher und ihr Industriepartner EVG mit 33,3 Prozent den Wirkungsgrad-Weltrekord. Damit kann ein Drittel der im Sonnenlicht enthaltenen Energie in elektrische Energie umgewandelt werden. Im direkten Vergleich zwischen Windkraft und Solar schneidet Solar ohnehin deutlich besser ab, wie Graßl immer wieder aufzeigt.

Der internationale Preiskampf hat demnach die deutsche Solarindustrie in die Knie gezwungen – auch deshalb setzt die Politik nicht nur auf den Export von Windkraftwerken, sondern versucht, Deutschland zu einem Land der Windräder umzufunktionieren.

Dabei werden unliebsame Tatsachen umgangen oder einfach ignoriert. So weisen etliche wissenschaftliche Publikationen auf die gesundheitlichen Folgen von Infraschall hin, den Windkraftanlagen verursachen. Vieles sei noch unerforscht, resümierte das eher konservativ eingestellte Ärzteblatt – und behielt Recht. Denn über die gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen einer Windkraftanlage klärt derzeit kein Ministerium und keine Behörde auf.

Auf Anfrage von RT Deutsch erklärte das Niedersächsische Umweltministerium in Hannover das Dilemma: Im Bereich der Forschung zur Windenergie sei "insbesondere das Forschungszentrum ForWind tätig". Die Forschungsbereiche umfassen laut Ministerium die Ressource Wind, Maschine und Rotor, Tragstrukturen, Netz sowie Produktionstechnik. Nur: "Die Auswirkungen von Infraschall auf die menschliche Gesundheit sind zurzeit nicht Bestandteil der Forschungsvorhaben". Zurzeit nicht. Wann dann?

Bayern hingegen hat die Problematik anders zu lösen versucht, und führte die sogenannte 10-H Regelung ein. Danach muss der Mindestabstand einer Windkraftanlage zum nächstgelegenen bewohnten Haus dem Zehnfachen der Höhe einer Windkraftanlage entsprechen. Was dem Menschen aus gesundheitlicher Sicht nutzt und ihn vor Infraschall und Unfällen schützt, kollidiert mit den Interessen der Politik auf Bundesebene, wie das Umweltministerium in Hannover gegenüber RT Deutsch äußerte:

Jüngere bundesweite Potenzialstudien zur Windenergie belegen, dass bei einem bundesweiten Mindestabstand von 2.000 Meter für Windenergieanlagen zu benachbarter Wohnbebauung (200m x 10 entspricht südlich der norddeutschen Küstengebiete in der Regel der aktuell zu erwartenden Gesamthöhe für neu zu errichtende Windenergieanlagen) die deutschen Klimaschutzziele nicht mehr erreicht werden können.

Man müsste hinzufügen: Das gilt nur dann, wenn die Bundesregierung weiterhin auf Windkraft setzt. Dass ausgerechnet jene Kanzlerin, die als promovierte Physikerin Graßls Zahlenwerk verstehen müsste, dem irrwitzigen Ausbau der Windkraft tatenlos zusieht, während die deutsche Solarindustrie verrottet, entbehrt nicht einer gewissen Ironie der Geschichte. Das mag sich eines Tages ändern. Nur: Für den Biodiversitäts-Hotspot am Ührder Berg kommen Einsichten einer Bundesregierung nach der Ära Merkel womöglich zu spät.

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