Deutschland

Mindestlohn schützt vor Ausbeutung nicht - Top-Firmen und die Null-Lohn-Strategien

Der gesetzliche Mindestlohn ist hierzulande laut Gewerkschaften weiterhin zu gering zum Leben. Doch eine Reihe mitunter prominenter Arbeitgeber umgehen selbst den Mindestlohn und sparen Lohnkosten und Sozialleistungen teils gänzlich.
Mindestlohn schützt vor Ausbeutung nicht - Top-Firmen und die Null-Lohn-StrategienQuelle: www.globallookpress.com

Sind auch Sie qualifiziert, mehrsprachig, berufserfahren, enthusiastisch sowie zeitlich und örtlich flexibel? Dann stehen Ihnen beruflich hierzulande viele Türen offen - insbesondere, wenn Sie sich gern mit "Einblicken", "netten Mitarbeitern", "gesellschaftliche Verantwortung" statt mit angemessener, monetärer Vergütung entlohnen lassen möchten. Werden Sie noch heute Praktikant (neudeutsch: Intern), Trainee, Volontär oder Studentische Hilfskraft.

Selbstverständlich sind die Anforderungen mitunter hoch. Aber immerhin könnte das Aushalten einer potenziell länger andauernden Durststrecke ohne Sozialversicherung und teils ganz ohne Lohn Ihre Chancen verbessern, damit in der "richtigen" Arbeitswelt zu landen, welche einzig zählt, um irgendwann Ihre 35 Jahre Erwerbstätigkeit für eine Grundrente anzusteuern.

Zwar rühmen sich deutsche Politiker und Wirtschaftsvertreter gern damit, dass Menschen weltweit vom Leben in einem Sozial- und Rechtsstaat wie Deutschland träumen. Hierzulande, so der Tenor, sorgen Arbeitnehmer und -geber gemeinsam für soziale Gerechtigkeit. Und mit dem in diesem Jahr um ganze 35 Cent gestiegenen Mindestlohn sieht sich die Bundesregierung seit dem Jahr 2015 gegen eine mögliche Ausbeutung der Arbeitnehmer gewappnet. 

Seit der Einführung des Mindestlohns hat sich eine schleichende Entwicklung hin zu mehr unter- oder unbezahlten Stellen ausgeweitet, die in der wachsenden Kategorie von Praktika, Trainee-, Volontär und Studentenstellen zu finden sind. Diese erlauben es den "Anbietern", nicht einmal den Mindestlohn zu zahlen.

Verblüffend scheint dabei auf den ersten Blick, dass auch viele Unternehmen und Organisationen diesen Weg gehen, die entweder offiziell einen Beitrag zur Armutsminderung und sozialer Gerechtigkeit leisten wollen, staatlich subventioniert werden oder sich an anderer Stelle stolz zu international erfolgreich agierenden Konzernen mit Top-Umsatz zählen. 

Nicht selten wird vom Bewerber verlangt, für die in "Job und Karriere" angepriesenen "Stellen" und Praktika bereits Erfahrung, arbeitsfeldrelevante spezifische Fähigkeiten und Fremdsprachenkenntnisse, sowie idealerweise Auslandserfahrung mitzubringen. 

Als Gegenleistung, so wird es schamlos auch in den Ausschreibungen angepriesen, erhalten die Praktikanten, Volontäre oder Trainees zwar keine Vergütung, mit der beispielsweise Mieten oder gar Sozialleistungen getragen werden können, sondern Einblick und Erfahrung und dürfen die Namen begehrter Arbeitgeber im Lebenslauf erwähnen. 

Sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Medienhäuser, darunter glamouröse Namen, bieten diverse "Stellen" für Studenten, Praktikanten und Volontäre:

Auch PR-, Design- und Strategie-Agenturen mit feschen Kunden in lukrativen Sektoren bieten mitunter viel Arbeit und wenig Vergütung für Trainees, Studenten und Praktikanten:

Tue Gutes - ganz selbstlos

Auch wer sich gesellschaftlich engagieren möchte, hat als Praktikant eine rosige Zukunft. Es gibt gar international viele Stellen, aber auch die Anforderungen sind zahlreich. Nicht nur NGOs (Nichtregierungsorganisationen), welche sich öffentlich als Kämpfer für die soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte oder gegen Armut positionieren und möglicherweise tatsächlich spendenbasiert finanziert sind, sparen an den Lohnkosten.

Zukunftsfähige Gesellschaft

Auch beispielsweise die politisch einflussreiche, hervorragend vernetzte und von einem der reichsten Deutschen zugunsten einer "zukunftsfähigen Gesellschaft" ins Leben gerufene Bertelsmann-Stiftung setzt auf unbezahlte Arbeitskräfte, wie auch die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., deren Mitglieder führende Persönlichkeiten aus dem Bank- und Finanzwesen, der Wirtschaft, Politik, Medien und der Wissenschaft sind:

Und sogar die US-Botschaft sucht nach Ehrenamtlichen und Praktikanten:

Auch die Münchener Sicherheitskonferenz, nach eigenen Angaben "eine der weltweit wichtigsten Konferenzen für Sicherheitspolitik", welche jedes Jahr hochrangigen Teilnehmern aus aller Welt ein Forum zur intensiven Diskussion der aktuellen und zukünftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen bietet, setzt auf Praktikanten.

Jene, die sich bei der UNO engagieren wollen, können dies an vielen Stellen tun, sofern sie den Anforderungen genügen und es sich leisten können, als Praktikant zu arbeiten:

Kodex gegen Diskriminierung statt fair pay?

Der deutsche Global Player Bayer rühmt sich mit dem Schutz der Menschenrechte, unterstützt das Unternehmen doch den Internationalen Kodex gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI). Aber wie steht es um Sozialversicherung für Mitarbeiter? Auch hier werden viele Praktikanten gesucht, teils "Intern" genannt, oder Werkstudenten:

Auch für Luxusmarken wie Porsche sind Praktikanten und Werkstudenten begehrte Arbeitskräfte:

Nicht viel besser verhält es sich bei anderen Arbeitgebern, teils im öffentlichen Sektor, die vielen Bewerbern allein aufgrund des Namens und der internationalen Reichweite als attraktiver potenzieller Arbeitgeber erscheinen dürften.

Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), finanziert aus öffentlichen Geldern, bietet eine interessante Zukunft:

Auch in der Militärallianz NATO können sich viele Praktikanten einbringen:

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